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Von Anna Lynch und Valeria Iansante

Anfang 2020, bevor die Pandemie ausbrach, sprachen wir mit Atriva über ein neues Mittel gegen die saisonale Grippe. Atriva ist ein kleines Life-Science-Unternehmen und entwickelt Medikamente gegen Virusinfektionen. Aber Covid-19 war damals noch kein Thema.

Als wenige Monate später die Infektionszahlen explodierten, sprach die Europäische Investitionsbank eine große Bandbreite von Unternehmen im Life-Science-Sektor an. Es ging darum, möglichst viele von ihnen für den Kampf gegen die Pandemie zu gewinnen. Alle in der Bank waren sich einig, dass wir das Netz in dieser Krise möglichst breit auswerfen sollten.

Mit Atriva hatten wir schon ein Projekt in Prüfung. Damals wollte sich die Firma noch auf die Grippe konzentrieren. Aber schon wenige Wochen später meldeten sie sich wieder bei uns – mit vielversprechenden Laborergebnissen für einen potenziellen Wirkstoff gegen Covid-19.

Wir genehmigten schließlich ein Darlehen über 24 Millionen Euro an Atriva, für die Forschung zu Covid-19 und anderen Infektionskrankheiten. In der klinischen Prüfung zeigen sich jetzt erste Erfolge bei schwerkranken Coronapatienten.

Europa tut alles, um Innovationen bei Impfstoffen und Therapien zu beschleunigen. Im Mai 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Strategie für Covid-19-Therapeutikaum die klinische Prüfung zu beschleunigen, damit die vielversprechendsten Medikamente rasch auf den Markt kommen. Es geht darum, alle Aspekte zu optimieren: Forschung, Entwicklung und Innovation, klinische Studien und Lieferketten, die Regulierung und die internationale Zusammenarbeit. Außerdem will die EU eine Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) schaffen, mit der wir künftig schneller auf grenzüberschreitende Bedrohungen reagieren können.

Neue Therapien gegen Covid-19 müssen von einer Regulierungsbehörde zugelassen werden. Für die Europäische Union ist dies die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA. Sie prüft gerade fünf Therapien, für die die Marktzulassung beantragt wurde, darunter einen Kandidaten in fortlaufender Prüfung – dem sogenannten Rolling Review. Bei diesem Verfahren reicht das Unternehmen kontinuierlich neue Daten ein, sobald sie vorliegen, und kann damit die Zulassung seines Medikaments oder Impfstoffs beschleunigen. Drei antivirale Medikamente gegen Corona wurden bereits zugelassen: Veklury (Remdesivir), Regkirona (Regdanvimab) und Ronapreve (Casirivimab/Imdevimab). Veklury ist für Patienten gedacht, die bereits eine Lungenentzündung haben oder so krank sind, dass sie zusätzlich Sauerstoff benötigen. Regkirona und Ronapreve helfen Menschen mit Covid-19, die nicht mit Sauerstoff versorgt werden müssen, aber ein erhöhtes Risiko haben, schwer zu erkranken.

Ein Cocktail von Therapien gegen das Virus

Zurzeit behandeln Krankenhäuser schwere Coronainfektionen vor allem mit Medikamenten, die für andere Krankheiten entwickelt wurden – etwa mit Steroiden, die die infektionsbedingte Entzündung hemmen. Für stationäre Patienten, die Sauerstoff benötigen, gibt es in vielen Ländern zwei Behandlungswege: Entzündungshemmer, die die Immunantwort dämpfen, und antivirale Medikamente, die die Ausbreitung des Virus im Körper hemmen. Ein gängiger Entzündungshemmer ist Dexamethason, ein Steroid, das auch bei vielen anderen Erkrankungen gegeben wird. Und wie erwähnt gibt es auch antivirale Medikamente, die ursprünglich für HIV/AIDS, Hepatitis C und Ebola entwickelt wurden.

Weltweit wird intensiv an verschiedensten alten und neuen Wirkstoffen geforscht, die Patienten in stationärer Behandlung helfen könnten. Aber die Möglichkeiten sind noch immer begrenzt. Es ist kaum zu erwarten, dass wir schon bald eine Wunderpille gegen Covid-19 haben oder ein Mittel, das allen hilft. Steroide sind nicht für alle Patienten gut. Antivirale Präparate helfen offenbar, aber auch nicht bei allen. Ein Medikament, das jungen Patienten in einer bestimmten Krankheitsphase hilft, wirkt vielleicht nicht bei älteren Menschen oder Erkrankten mit anderen Symptomen. Coronapatienten mit schweren Verläufen leiden häufig an einer Hyperinflammation und zeigen Symptome eines Zytokinsturms – eine Überreaktion des Immunsystems, die zu Organversagen führen kann. Wir brauchen also einen ganzen Cocktail von Therapien, die je nach Bedarf kombiniert werden können. Deshalb müssen wir offen sein für Investitionen in neue Produkte, auch wenn sie vielleicht von kleineren Firmen entwickelt werden. Die Europäische Investitionsbank schreckt vor diesen Herausforderungen im Life-Science-Sektor nicht zurück. Deshalb haben wir mit Firmen wie Atriva und BioNTech schon in den Frühphasen der klinischen Entwicklung zusammengearbeitet.

Ein steiniger Weg

Es dauert, bis ein Medikament auf dem Markt ist. 10 bis 15 Jahre können vergehen – der Weg vom Labortisch bis zum Krankenbett ist lang und steinig. Und mit Long Covid wird die Sache bei Corona noch komplexer. Gleichzeitig wissen die Europäische Investitionsbank und andere Förderinstitute, dass die Arbeit in anderen Forschungsfeldern weitergehen muss: Alzheimer, die Onkologie, Tuberkulose, Influenza, bakterielle Infektionen und andere mehr. Wir haben weltweit viele Gesundheitsprobleme. Deshalb ist es ein schwieriger Balanceakt, Zeit und Mittel richtig einzusetzen.

Um die Entwicklung zu beschleunigen, testen die meisten Pharmaunternehmen vorhandene Medikamente für neue Indikationen. Oder sie forschen im Rahmen laufender Projekte an Therapien gegen Covid-19. Letztendlich müssen wir alle gemeinsam der Forschung zu Infektionskrankheiten mehr Priorität einräumen und die Unternehmen unterstützen. Nur dann werden wir diese Pandemie besiegen und für die nächste Krise besser vorbereitet sein. Wir müssen dringend ein Umfeld schaffen, das Forschungsanreize setzt und ein tragfähiges Vermarktungsmodell für Produkte gegen Infektionskrankheiten bietet.  Die Pandemie hat gezeigt: Mangelnde Forschung und Förderung kann unsere Gesundheitssysteme und Volkswirtschaften schnell in Not bringen.

Deshalb arbeitet die Europäische Investitionsbank eng mit der Europäischen Kommission und anderen Instituten zusammen, um mit geeigneten Finanzinstrumenten die Forschung und den gesamten Life-Science-Sektor voranzubringen. Eines unserer wichtigsten Programme dafür ist „InnovFin – Infektionskrankheiten“. Darüber vergeben wir sogenannte Venture-Debt-Kredite für Projekte zu Infektionskrankheiten, Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostika. Weil die Europäische Kommission uns dabei mit einer Garantie absichert, können wir die höheren Risiken schultern, die mit der Forschung und Entwicklung, klinischen Studien und der Markteinführung von Produkten verbunden sind. Für die Zukunft sind bereits neue Instrumente im Gespräch, damit wir noch stärker und passender dort fördern können, wo der Bedarf am größten ist.

Der Kampf gegen die Varianten

Die Frage ist nun: Wie bekommen wir die Varianten des Coronavirus in den Griff? Impfen verhindert schwere Verläufe und bewahrt viele Menschen vor dem Krankenhaus. Außerdem müssen wir Masken tragen und uns generell umsichtig verhalten. Denn je mehr sich das Virus ausbreitet, desto besser kann es mutieren und neue Varianten bilden. Die Varianten können uns bei der Behandlung in Schwierigkeiten bringen. Aber auch bei den ansteckenderen oder virulenteren Varianten werden wir schwerkranke Patienten weiter mit antiviralen oder entzündungshemmenden Mitteln behandeln. Nur müssen manche dieser Medikamente vielleicht an bestimmte Varianten angepasst werden. Ein anderer Ansatz sind monoklonale Antikörper, die speziell gegen das Coronavirus SARS-Cov-2 entwickelt wurden. Sie werden in hoher Konzentration verabreicht, um das Virus zu neutralisieren und am Eindringen in die Körperzellen zu hindern. Diese Behandlung kann vor allem älteren Menschen und anderen Hochrisikopatienten helfen. Für Covid-19 sind dazu bislang nur die Präparate Regkirona und Ronapreve zugelassen. Viele weitere befinden sich jedoch in der Entwicklung.

Anna Lynch und Valeria Iansante arbeiten als Expertinnen für Biowissenschaften bei der Europäischen Investitionsbank