Wilhelm Molterer
Je ehrgeiziger das Ziel, desto höher das Risiko. Aber andererseits: Wenn Sie es erreichen, haben Sie wirklich etwas Großes geleistet! Die Kommission und die EIB-Gruppe können stolz darauf sein, dass sie gemeinsam Verantwortung übernommen haben. Ich erinnere mich an eine Diskussion im Parlament. Ich wurde gefragt, ob wir bei der Garantie über 26 Milliarden Euro einen Teil des Geldes verlieren könnten. Ich sagte: „Das gehört zum Wesen der Garantie. Wenn Sie eine Garantie stellen, müssen Sie bereit sein, Verluste hinzunehmen. Das ist natürlich nicht unsere Absicht, aber es stimmt, dass wir Geld verlieren könnten.“ Die große Mehrheit der Leute im Parlament und bei der Kommission waren an die Welt der Zuschüsse gewöhnt. Wir von der EIB dachten dagegen an Finanzinstrumente. Dies zu kombinieren, war für beide Seiten auch ein gewisser Kulturschock. Präsident Hoyer sprach von einem Paradigmenwechsel für die EU.
Ein weiterer Schlüsselfaktor war die Zusammenarbeit mit nationalen Förderbanken. Um vor Ort erfolgreich zu sein, brauchen wir ihre Kompetenz und Marktkenntnis. Auch waren zunächst nicht alle glücklich über die Beratungskomponente. Die Leute von der Beratungsplattform wollten strenge Voraussetzungen für den Schritt zur Finanzierung. Für alle Beteiligten war es eine steile Lernkurve.
Wo in der Wirtschaft hat der EFSI Ihrer Ansicht nach am meisten bewirkt?
Ich würde es umgekehrt betrachten. Die größte Wirkung sehe ich auf der institutionellen Seite: bei der EIB-Gruppe und bei der Kommission, die das Geld der europäischen Steuerzahler und den EU-Haushalt verwaltet. Wir haben gesehen, dass wir mehr bewirken können, wenn wir die Stärken unserer beiden Einrichtungen bündeln – viel mehr, als wenn wir einfach mit den alten Instrumenten weitermachen.
Die Vorteile sehe ich besonders auf drei Gebieten: Wettbewerbsfähigkeit, Kohäsion und Klimaschutz. Nehmen Sie Forschung, Entwicklung, Innovation (FEI) und den Digitalsektor. Da haben wir mit dem EFSI eine Vielzahl von Projekten finanziert, die unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken. Sieht man sich an, wie sich die EFSI-Projekte auf die Mitgliedstaaten verteilen, und vergleicht dies mit dem BIP der Länder, wird auch klar: Die EFSI-Mittel fließen dahin, wo sie hinsollen. Und in puncto Klimaschutz erreichen wir bei den Finanzierungen für Infrastruktur und Innovation das 40-Prozent-Ziel. Wenn das keine gute Antwort ist auf die anfängliche Kritik!
Aber es gibt noch einen dritten Punkt, den ich hervorheben möchte: die Flexibilität. Das Ziel von 40 Prozent für den Klimaschutz wurde 2018 in die Verordnung aufgenommen, als der EFSI schon seit drei Jahren auf vollen Touren lief. Trotzdem haben wir das Ziel erreicht.
Und jetzt, 2020, wo Covid-19 derart die Menschen verunsichert und die Märkte erschüttert, hat die EIB-Gruppe sofort reagiert. Dank der EFSI-Garantie konnten wir so schnell und entschlossen handeln.