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Von Fotios Kalantzis

Der Plan der Europäischen Union für einen nachhaltigeren Neuaufbau nach Corona könnte die Wirtschaft dazu bringen, in den Klimaschutz zu investieren und sich für eine CO2-neutrale Zukunft zu rüsten. Bevor Unternehmen viel Geld in die Hand nehmen, brauchen sie jedoch klare staatliche Vorgaben, an denen sie sich bei ihren Entscheidungen orientieren können.

Etwas mehr Klarheit sollten die neue EU-Taxonomie für ökologisch nachhaltige Aktivitäten und die vorgeschlagenen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Großunternehmen bringen. Allmählich wird den Firmen bewusst, dass der Klimawandel Realität ist. Sie sehen die Klimarisiken und kalkulieren sie in ihre Investitionsstrategien, ihren Geschäftsbetrieb und ihre Anlagenbewertung ein.

Unser neuer Klimabericht European firms and climate change 2020/2021: Evidence from the EIB Investment Survey gibt Aufschluss darüber, wie gut Unternehmen in der EU auf den Klimawandel und die Energiewende vorbereitet sind. Die Ergebnisse basieren auf der Investitionsumfrage der EIB (EIBIS 2020), einer Erhebung unter 13 500 Firmen, hauptsächlich in der Europäischen Union. Der Bericht gibt einen knappen Überblick, wie die Unternehmen Klimarisiken wahrnehmen, welche Investitionen sie dagegen planen und welche Faktoren ihre Entscheidungen beeinflussen.

Firmen spüren die Hitze

Schwere Überschwemmungen kosteten Anfang Juli in Europa mehr als 200 Menschen das Leben und verursachten Sachschäden von geschätzt 2,5 Milliarden Euro. Derart verheerende Wetterereignisse machen europäische Unternehmen nervös. Fast 60 Prozent gaben in der EIBIS 2020 an, dass sie sich den physischen Risiken des Klimawandels ausgesetzt fühlen, verglichen mit 50 Prozent in den Vereinigten Staaten.

In Europa sehen sich besonders die südeuropäischen Unternehmen gefährdet, gefolgt von Firmen in Mittel- und Osteuropa vor den west- und nordeuropäischen. Die Befürchtungen in Südeuropa könnten mit den jüngsten Hitzewellen und Dürren zusammenhängen. Darunter leidet die Nahrungsmittelproduktion und bald vielleicht auch der Tourismus.

Die Umfrage ergab auch, dass sich Unternehmen in weniger wohlhabenden Ländern größere Sorgen machen. Einkommensstärkere Länder haben meist mehr Mittel, um sich für den Klimawandel zu wappnen. Deshalb vertrauen Wirtschaft und Öffentlichkeit eher darauf, dass die Infrastruktur widerstandsfähig ist.

Unterschätzte Übergangsrisiken

Weniger Sorgen machen sich die Unternehmen über die Risiken, die der Weg in eine CO2-arme Zukunft für sie birgt – vor allem wohl, weil sie sich noch kein richtiges Bild davon machen können. Die Energiewende wird erhebliche Veränderungen in der Art und Weise erfordern, wie wir unser Geschäft betreiben. Den wenigsten in der EU ist aber bewusst, was das für ihr Geschäft und ihr betriebliches Umfeld bedeuten könnte.

Was überrascht: Diejenigen, die sich darüber Gedanken machen, sehen die Energiewende eher positiv. Sie glauben, dass die Nachfrage nach ihren Produkten steigt oder ihr Ruf davon profitiert. Etwas düsterer fällt dagegen der Ausblick auf die Lieferkette aus: Rund ein Viertel der EU-Firmen rechnet für die Zeit des Übergang hier mit Störungen.

Klimainvestitionen nehmen Fahrt auf

Immer mehr EU-Unternehmen investieren in Klimaschutz und Klimaanpassung. 45 Prozent entscheiden sich laut EIBIS 2020 aktiv für entsprechende Maßnahmen, und damit mehr als in den Vereinigten Staaten (32 Prozent). Firmen in West- und Nordeuropa sind die aktivsten Investoren, in Südeuropa und Mittel- und Osteuropa ist der Anteil geringer. Nach Ländern betrachtet, sind die Unterschiede noch größer: Der Norden liegt mit Finnland und den Niederlanden vorne, während Unternehmen in südlichen Ländern wie Zypern und Griechenland weit weniger aktiv sind.

Die Bereitschaft zu Klimainvestitionen hängt eng damit zusammen, wie kompetent Unternehmen auf diesem Gebiet sind. Firmen, die verstehen, wie der Klimawandel ihr Geschäft gefährdet, investieren eher in Klimaschutz. Auch jene, die den Übergang als Chance sehen, entscheiden sich häufiger dazu. Unternehmen, die den Übergang negativ einschätzen, investieren nicht so stark – auch wenn sie sich für gefährdet halten.

Unternehmen setzen auf Energieeffizienz

Bei der Wahl ihrer Maßnahmen entscheiden sich Unternehmen oft für Energieeffizienz. Trotz der Pandemie stieg der Anteil der EU-Firmen, die in eine bessere Energieeffizienz investieren, im Jahr 2020 auf 47 Prozent gegenüber 38 Prozent im Vorjahr. In den Vereinigten Staaten wuchs der Anteil ebenfalls deutlich auf 50 Prozent. Auch hier zeigen sich erhebliche regionale Unterschiede in Europa: Unternehmen in West- und Nordeuropa investieren am stärksten in Energieeffizienz, vor Süd-, Mittel- und Osteuropa.

Firmen, die ihren Klimaschutz gezielt managen und dazu Klimabeauftragte berufen, klare Klimaziele festlegen und Energieaudits durchführen, investieren fast doppelt so viel in Energieeffizienz wie Unternehmen ohne diese Prioritäten. Kurz gesagt: Je genauer Unternehmen ihren Energiebedarf und ihre Klimawirkung kennen, desto eher sind sie bereit, in Energieeffizienz zu investieren.

Anreize für Klimainvestitionen

Die Hürden für Klimainvestitionen machen es Europa schwer, seine Klimaziele bis 2030 zu erreichen – etwa den CO2-Ausstoß um 55 Prozent zu verringern. Die meisten Unternehmen betrachten neben hohen Anfangsinvestitionen die Unsicherheit über die Vorschriften und Besteuerung als Hindernis, das sie in ihren Möglichkeiten einschränkt. EU-Unternehmen sehen durchweg größere Hürden für Klimainvestitionen als vergleichbare US-Firmen.

Europa kann Unternehmen auch nur mühsam davon überzeugen, Klimarisiken in ihrer Governance, Strategie und im Risikomanagement zu berücksichtigen Viele glauben einfach nicht, dass die Energiewende ein ernstes Risiko darstellt. Ein gefährliches Spiel! Schließlich ziehen viele Länder ziemlich strenge Klimavorschriften in Betracht. Europa muss eine Dynamik erzeugen, bei der eine gute Klimapolitik Firmen anspornt, in eine grünere Wirtschaft zu investieren.

Letztlich muss den Unternehmen klar sein, vor welcher Wahl sie stehen: In die grüne Zukunft investieren oder Gefahr laufen, abgehängt zu werden.

Fotios Kalantzis ist Senior Economist bei der EIB und auf Klimafragen spezialisiert. Sofia Dominguez hat Forschungsergebnisse zur diesem Artikel beigetragen.