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Von Désirée Rückert und Christoph Weiss

In praktisch allen Wirtschaftszweigen hat die Pandemie Tempo in die digitale Transformation gebracht. Die meisten Firmen in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten glauben, dass sich der Covid-19-Ausbruch langfristig auf die Nutzung digitaler Technologien auswirken wird, so die Erkenntnisse des EIB-Berichts Digitalisation in Europe 2020: Evidence from the EIB Investment Survey. Mehr als ein Drittel der Unternehmen geht davon aus, dass die Pandemie dauerhaft ihr Dienstleistungs- und Produktangebot und ihre Lieferketten beeinflussen wird.

Die Pandemie hat jedoch auch die Kluft zwischen technikaffinen Unternehmen und solchen, die sich mit der Digitalisierung schwer tun, vertieft. Digital aufgestellte Firmen hielten den Kontakt zu ihren Kunden, Lieferanten und Beschäftigten, als die europäischen Volkswirtschaften in den Lockdown gehen mussten. Digitale Nachzügler wie kleine lokale Betriebe mussten ihr Geschäft dagegen für Wochen und Monate herunterfahren.

Europäische Unternehmen sind in vielen traditionellen Branchen weltweit führend, etwa in der Automobil-, Pharma- und Luxusgüterindustrie sowie im Dienstleistungssektor. In wachstumsstarken digitalen Sektoren wie Software und Computerdienstleistungen sind sie jedoch weniger präsent. Anders als China scheint die EU nicht genug in Forschung und Entwicklung zu investieren, um neue digitale Marktführer hervorzubringen. Europas digitaler Rückstand könnte langfristig seine Wettbewerbsfähigkeit gefährden und ausländischen Firmen den Zugriff auf personenbezogene Daten von Europäerinnen und Europäer ermöglichen. ­

Hoher Nachholbedarf

Europa hinkt den Vereinigten Staaten nicht nur bei der Entwicklung neuer digitaler Technologien hinterher, sondern auch bei der Einführung bereits bestehender. Bis 2020 hatten noch immer 37 Prozent der europäischen Firmen keine fortschrittlichen digitalen Technologien eingeführt, verglichen mit 27 Prozent in den Vereinigten Staaten.

Dieses Versäumnis gefährdet letztlich die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Firmen, die fortschrittliche digitale Technologien nutzen, sind tendenziell produktiver. Sie sind innovativer, investieren mehr, haben eine bessere Managementpraxis, wachsen schneller und schaffen besser bezahlte Jobs. Besonders groß ist der Abstand zu den Vereinigten Staaten im Bauwesen und im Dienstleistungssektor sowie bei der Nutzung des Internets der Dinge.

Kleinere Unternehmen zeigen tendenziell eine geringere digitale Akzeptanz als größere. In Europa, wo die Firmen in der Regel kleiner sind als in den Vereinigten Staaten, ist die Akzeptanz bei Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten jedoch besonders gering. Dabei sind gerade Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Sie machen 99 Prozent aller Unternehmen in der Europäischen Union aus und sorgen für mehr als zwei Drittel der Beschäftigung. In den Vereinigten Staaten hingegen entfallen nur etwas mehr als 40 Prozent aller Jobs auf diese Firmen.

 

Unternehmen unter Zugzwang

Die Coronapandemie hat viele europäische Firmen für die Digitalisierung sensibilisiert. Sie erkennen, dass sie ihren Rückstand aufholen müssen.

Doch das geht nur mit Investitionen. Die Pandemie hat die Investitionsfähigkeit und -bereitschaft von Unternehmen drastisch gemindert (siehe Artikel zur Investitionstätigkeit). Viele Firmen mussten durch die Lockdowns Umsatzeinbußen verkraften. Sie hielten sich mit kurzfristigen Überlebensstrategien über Wasser und legten Investitionspläne auf Eis. Ohne Investitionen können Firmen keine neuen Technologien entwickeln, übertragen und übernehmen und letztlich nicht wettbewerbsfähig bleiben. Eine stärkere digitale Infrastruktur könnte die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Europa erhöhen. Die Mehrheit der europäischen Haushalte hat zwar inzwischen Breitbandzugang, doch gibt es bei schnellen Verbindungen noch viel Luft nach oben.

Die EU kann von digitalen Investitionen nur profitieren. Digitalunternehmen sind in der Regel deutlich produktiver als traditionelle Firmen. Dieser Unterschied ist in besonders fortschrittlichen Ländern extrem groß. So ist etwa die durchschnittliche Arbeitsproduktivität in Digitalunternehmen in Finnland um 37 Prozent höher als in nicht digitalen. Laut Digitalisierungsbericht ist die Digitalisierungsrate in Finnland mit 76 Prozent besonders hoch.

Digitalisierungsrückstand birgt Risiken

Der Rückstand der EU-Unternehmen bei digitalen Innovationen und Technologien könnte langfristig Europas Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Viele Firmen setzen noch keine digitalen Technologien ein und haben auch nicht vor, in ihre digitale Transformation zu investieren.

Kleine europäische Digitalunternehmen erhalten nur schwer Zugang zu Finanzierungen, was Innovationen zusätzlich ausbremst. Anders als traditionelle Firmen müssen sie für ihr Wachstum auf interne Mittel wie Cashflow oder Gewinne zurückgreifen. Zudem sind die für diese Unternehmen so wichtigen Risikokapitalmärkte in Europa noch relativ unterentwickelt.

All diese Hürden verursachen enorme Opportunitätskosten. Digitalunternehmen waren in den letzten Jahren Innovations- und Beschäftigungsmotor in Europa. Sie bieten besser bezahlte Jobs und bessere Karrierechancen, auch weil sie ihr Personal in der Regel besser ausbilden. Digitalunternehmen haben die Pandemie weitaus besser überstanden als die nicht digitalen. Laut Investitionsumfrage gehen viele europäische Firmen davon aus, dass durch die Pandemie Jobs dauerhaft verloren gehen. Digitalunternehmen bauen jedoch seltener Stellen ab.

Für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft müssen wir digitaler werden. Um das Tempo der Digitalisierung zu beschleunigen, sollte Europa sich auf drei Bereiche konzentrieren:

  • ein förderliches Ökosystem
  • die richtige finanzielle Unterstützung für Investitionen
  • eine europäische Vision, um den digitalen Ungleichgewichten in der EU entgegenzuwirken

Digitalisierung ist der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum. Europa muss sie nur zur Priorität machen.