Zugang zu Kapital
Mit dem Ausbau solcher Lösungen für die Kreislaufwirtschaft werden sich viele neue Investitionsmöglichkeiten eröffnen. Wie Studien zeigen, müssten in Europa weitere 320 Milliarden Euro in drei große Themenbereiche investiert werden, um die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Vorteile der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen. Beim Bauen könnten 115 Milliarden Euro in die Planung von Mehrzweck-Modulgebäuden, in eine bessere Wiederverwendung von Bauabfällen und in die Stadtplanung investiert werden. 135 Milliarden Euro könnten investiert werden, um gemeinsam genutzte Fahrzeuge in den öffentlichen Verkehr einzubinden, um emissionsfreie Autos herzustellen, die sich für eine Refabrikation eignen, und um eine Rücknahmelogistik für Fahrzeuge aufzubauen. Die Lebensmittelbranche könnte mit 70 Milliarden Euro regenerative landwirtschaftliche Methoden einführen, Nährstoffkreisläufe schaffen, neue Technologien wie Aquaponik vorantreiben und neue Proteinquellen erschließen. Für diese Investitionen reichen schon bescheidene Reformen in der Politik oder Maßnahmen der Industrie aus. Aber sie würden enorm wichtige Innovationen der Kreislaufwirtschaft ermöglichen.
Nach und nach drehen die Kapitalgeber den Geldhahn auf. Im September kündigte die italienische Bankengruppe Intesa Sanpaolo an, mit bis zu fünf Milliarden Euro im Zeitraum 2018–2021 Unternehmen zu unterstützen, die innovative Ideen für die Kreislaufwirtschaft haben. Die niederländische Bankengruppe ING veröffentlicht Analysen über die finanziellen Vorteile der Kreislaufwirtschaft, entwickelt mit Kunden Geschäftsideen und -pläne und schafft eine Marktnachfrage für entsprechende Produkte. Auch öffentliche Mittel stehen zur Verfügung. Die EU will die Forschung und Innovation für die Kreislaufwirtschaft mit 650 Millionen Euro aus dem Programm „Horizont 2020“ und die Abfallwirtschaft mit 5,5 Milliarden Euro aus den Struktur- und Investitionsfonds unterstützen. Die Europäische Investitionsbank hat in den letzten fünf Jahren in den EU-Mitgliedstaaten 2,4 Milliarden Euro an Kofinanzierungen für Kreislaufprojekte bereitgestellt und neben Krediten und anderen Instrumenten auch finanzielle und technische Beratung angeboten.
Wie lässt sich weiteres Kapital von der Linearwirtschaft in die Kreislaufwirtschaft umlenken? Eine Möglichkeit wäre, Geschäftsideen auf ihre „Kreislauffähigkeit“ zu überprüfen. Wenn solche Prüfungen robust und einfach sind, werden Investoren sie vielleicht auf breiter Ebene anwenden, weil sie dann potenziell lukrative Chancen leichter erkennen können. Eine andere Möglichkeit: Geldgeber werden damit gelockt, dass der Kreislaufgedanke von Anfang an in Projekte eingebunden wird. Der Wiederverwendungswert der Produkte oder Anlagen würde steigen, das Risiko einer teuren Stilllegung abnehmen. Das ließe sich auch auf Energieinfrastruktur, Immobilien und Schiffe übertragen. Außerdem müsste der kurzfristige Finanzierungsbedarf von Geschäftsmodellen der Kreislaufwirtschaft überdacht werden. Bei Produkten, die auf Tagesbasis genutzt werden, wird beispielsweise mehr Betriebskapital benötigt, da es mitunter Jahre dauern kann, bis die Produktionskosten gedeckt sind. Dadurch steigt zwar das Kreditrisiko des Kunden, gleichzeitig nimmt jedoch das Rohstoffpreisrisiko ab. Eventuell lässt sich ja der größere Vorteil niedrigerer künftiger Produktionskosten über ein Leasingmodell auf Nutzer, Hersteller und Finanzierer verteilen. Die Finanzierung der Kreislaufwirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen. Neue Ideen müssen her.