Homeoffice: Kurze Ausnahme oder Revolution?
Ein verstärkter Umstieg auf Telearbeit nach der Pandemie könnte das Verkehrsaufkommen dauerhaft verringern – allerdings wahrscheinlich weniger als angenommen. Denn der Arbeitsweg macht weniger als ein Drittel des öffentlichen Personenverkehrs aus.
Auch wenn während der Pandemie mehr von zu Hause aus gearbeitet wurde, kann nur ein kleiner Teil der Erwerbstätigen im Homeoffice arbeiten, vor allem hoch qualifizierte Büroangestellte. Für alle anderen Berufsstätigen bleibt die Verkehrsinfrastruktur ein wichtiger Bestandteil der Stadtentwicklung.
Auch die Europäische Investitionsbank musste, wie viele andere Einrichtungen, quasi über Nacht ihre gesamte Belegschaft ins Homeoffice schicken. Bei der EU-Bank war die Erfahrung weniger traumatisch als erwartet. Unsere Arbeit konnte fast nahtlos weitergehen, obwohl nur ein kleiner Prozentsatz der Mitarbeitenden zuvor Telearbeit gemacht hatte.
Dank der guten Konnektivität und der leistungsfähigen internen IT-Systeme konnten die Geschäfte der Bank relativ normal weiterlaufen. Viele andere Unternehmen haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Firmen, die bereits viele Mitarbeiter im Homeoffice beschäftigten, wie die Tech-Giganten Google und Twitter, hatten es nicht eilig, ihre Leute zurück ins Büro zu holen.
Kein Wunder. Je weiter die Menschen vom Büro entfernt wohnen, desto lieber arbeiten sie von zu Hause aus. Das französische Statistikamt INSEE zeigt, dass drei Prozent der französischen Erwerbstätigen regelmäßig im Homeoffice arbeiten. Bei Pendlern mit einem Arbeitsweg von unter fünf Kilometern sind es weniger als zwei Prozent, bei Pendlern mit einem Arbeitsweg von über 50 Kilometern dagegen mehr als acht Prozent.
Die neuen Mobilitätsmuster könnten die Verkehrsbetriebe zwingen, ihr Angebot neu zu bewerten und ihre Geschäftsmodelle in Frage zu stellen, da sich ihre Einnahmen verlagern: von Pendlern mit Monatskarten im Abo auf eine weniger vorhersehbare Nutzung. Das ist auch für Geldgeber wie die EIB von Bedeutung, da sich die Kreditprofile ihrer Darlehensnehmer ändern könnten.
Eine dauerhafte Verlagerung hin zu mehr Homeoffice könnte die Verkehrsunternehmen veranlassen, ihr gesamtes Netz zu überdenken. Statt radialer Verbindungen zwischen Wohngebieten und Geschäftszentren könnte es künftig mehr kreisförmig verlaufende Routen zwischen Wohngebieten, Schulen und Einkaufszentren geben.
Allerdings ist noch nicht abzusehen, wie nachhaltig die Verlagerung sein wird.