Nährstoffrückgewinnung
Klärschlamm ist ein Nebenprodukt der Abwasserbehandlung. Er enthält Metalle und Mikroplastik sowie pathogene Organismen wie Viren und Bakterien. Klärschlamm ist jedoch auch reich an Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor, die aus Fäkalien, Lebensmitteln sowie bestimmten Seifen und Waschmitteln stammen. Beide Nährstoffe sind als Bestandteile von Düngemitteln für die Landwirtschaft wichtig.
In städtischen Gebieten ohne moderne Abwasserbehandlung ist die hohe Konzentration dieser Nährstoffe schädlich. Überschüssiger Stickstoff und Phosphor gehören noch immer zu den Hauptursachen für schlechte Wasserqualität in Europa. Deshalb spricht alles dafür, sie zurückzugewinnen.
Die Phosphorkrise
Was weniger bekannt ist: Phosphor ist ein überlebenswichtiges Element. Denn Phosphor ist notwendig, damit unser Essen wächst. Als Phosphat ist er ein unverzichtbarer Zusatz von Düngemitteln. Doch Phosphor geht zur Neige. Förderbare phosphorhaltige Mineralien könnten knapp werden und in 50 oder 100 Jahren komplett erschöpft sein. Gleichzeitig kippen wir so viel davon weg, dass die Gewässer darunter leiden.
Deshalb kommt es darauf an, Phosphor zurückzugewinnen. Allein mit dem Phosphor aus häuslichem Abwasser könnten wir 22 Prozent der weltweiten Nachfrage decken. Wegen der erwarteten Engpässe ist seine Rückgewinnung zum Thema umfangreicher Forschungsarbeiten geworden. Die Technologien werden bereits an mehreren Orten eingesetzt. Die weltweit größte Anlage zur Phosphorrückgewinnung steht in der Nähe von Chicago. Sie gewinnt bei der Abwasserbehandlung mehr als 85 Prozent des Phosphors und bis zu 15 Prozent des Stickstoffs zurück.
Der Stickstoffkreislauf
Im Gegensatz zu der begrenzten, nicht erneuerbaren Ressource Phosphor ist Stickstoff in der Atmosphäre reichlich vorhanden. Seit der Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens zur Ammoniaksynthese aus Stickstoff im Jahr 1909 haben stickstoffbasierte Düngemittel zur größten Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in der Geschichte beigetragen.
Seither landet Stickstoff in riesigen Mengen im Abwasser und muss bei der Behandlung energieintensiv entfernt werden.
Allerdings entsteht dabei das Treibhausgas Distickstoffmonoxid, auch Lachgas genannt. Den Stickstoff vollständig zurückzugewinnen, käme nicht nur der Kreislaufwirtschaft zugute, sondern würde auch die Treibhausgase senken. Leider lassen sich mit den derzeitigen Technologien nur 5 bis 15 Prozent zurückgewinnen. Das ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches Problem.
Rentable Aufbereitung
Die Technologie kommt voran, ist aber noch nicht rentabel. Wegen des geringen Nährstoffgehalts in Biofeststoffen, vor allem von Stickstoff, rechnet sich der Verkauf auf dem Markt nicht. Nur 5 bis 15 Prozent des im Abwasser enthaltenen Stickstoffs lassen sich zurückgewinnen. Bei Phosphor sind es 45 bis 90 Prozent.
Wissenschaftlerinnen und Ingenieure überlegen auch, welche anderen Stoffe aus Abwasser besser genutzt werden können, etwa Biokunststoffe, Enzyme, Metalle und Mineralien. Es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis sich ihre Wiederverwertung lohnt.
Energierückgewinnung
Die Abwasserbranche verbraucht viel Energie – etwa 0,8 Prozent des gesamten in der Europäischen Union erzeugten Stroms. Aus Studien geht jedoch hervor, dass Abwasser fast fünf Mal so viel Energie enthält, wie für seine Behandlung nötig ist. Das heißt, Abwasserbehandlungsanlagen können nicht nur ihren eigenen Energiebedarf decken, sondern auch noch die umliegenden Städte mit Wärme und Strom versorgen und so die Wirtschaft dekarbonisieren.
Moderne Anlagen gewinnen in der Regel nur chemische Energie in Form von Biogas zurück, das bei der anaeroben Vergärung von Klärschlamm entsteht. Biogas gehört zu den wichtigsten erneuerbaren Energiequellen. Es basiert nicht auf kritischen Rohstoffen und beeinträchtigt nicht die Tierwelt. Außerdem kann es in das Gasnetz eingespeist und von dort verteilt werden.
Studien deuten jedoch darauf hin, dass sich aus kommunalem Abwasser viel mehr Wärmeenergie (80 Prozent) als chemische Energie (20 Prozent) rückgewinnen lässt. Und weniger als ein Prozent in Form von Wasserkraft. Folglich bleibt ein großer Teil der aus Abwasser rückgewinnbaren Energie bisher ungenutzt.
Warm und kalt
Wärmeenergie kann dem Abwasser unter anderem mit Wärmetauschern und Wärmepumpen entzogen und dann für Fernwärme- und ‑kälte, Treibhäuser oder sogar zum Trocknen von Klärschlamm genutzt werden. Das lohnt sich, weil Abwasser aus Duschen, Geschirrspülern oder Waschmaschinen relativ warm ist.
Technisch sind der Rückgewinnung und Nutzung von Wärmeenergie aus Abwasser keine Grenzen gesetzt. Allerdings fällt das Abwasser weit weg von der Kläranlage an. Um seine gesamte Wärmeenergie nutzen zu können, muss dafür schon bei der Stadtplanung vorgesorgt werden.