Die diesjährige Investitionsumfrage der EIB zeigt: Die Krise trifft Firmen in der gesamten Europäischen Union und wirkt sich auf die Investitionspläne aus. Es ergab sich folgendes Bild:
- 45 Prozent der Unternehmen wollen wegen des Coronavirus im laufenden Geschäftsjahr weniger investieren als ursprünglich geplant
- Der größte Langzeiteffekt von Covid-19 für EU-Unternehmen ist voraussichtlich der verstärkte Einsatz digitaler Technologien (50 Prozent); das gaben große Unternehmen häufiger an als kleine (58 Prozent gegenüber 43 Prozent)
Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat zum fünften Mal ihre jährliche Umfrage zur Investitionstätigkeit und ‑finanzierung durchgeführt.
Erste Ergebnisse zeigen eine wachsende Investitionslücke in Europa, weil die Pandemie und die Wirtschaftskrise die Staatshaushalte strapazieren. Die Investitionslücke gefährdet die ehrgeizigen Pläne der Europäischen Union für einen grünen und digitalen Wandel.
Lesen Sie hier den vollständigen Bericht.
Die Ergebnisse zeigen folgende Handlungsfelder auf:
Fast die Hälfte der EU-Unternehmen kürzt Investitionspläne
Erstmals seit Beginn der jährlichen Umfrage fielen die Investitionserwartungen überaus negativ aus. Mehr Unternehmen schätzen die Investitionsaussichten eher negativ als positiv ein. Fast die Hälfte der EU-Unternehmen (45 Prozent) gibt an, dass die Pandemie ihre Investitionspläne beeinträchtigt.
Eine Mehrheit der Unternehmen blickt außerdem insgesamt skeptisch in das nächste Jahr. Die Firmen sind pessimistisch, was das politische und regulatorische Umfeld angeht. Auch die Erwartungen an das gesamtwirtschaftliche Klima haben sich weiter eingetrübt. Damit setzt sich der zunehmend pessimistische Trend seit 2018 fort. Als langfristiges Investitionshindernis werden im EU-Durchschnitt hauptsächlich die unsicheren Zukunftsaussichten genannt. Dieses Hindernis hat an Bedeutung gewonnen und wird von mehr Unternehmen als in der Vorjahresumfrage angeführt (81 Prozent gegenüber 69 Prozent).
Innovationsinvestitionen nahmen 2019 zu und haben vor allem für coronageschädigte Unternehmen Priorität
Rund vier von zehn Unternehmen (42 Prozent) haben im Rahmen ihrer Investitionstätigkeit neue Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen entwickelt oder eingeführt. Dies ist ein Anstieg von 33 Prozent gegenüber den Ergebnissen der Vorjahresumfrage.
Europäische Unternehmen, die von der Coronakrise betroffen sind, haben in den nächsten drei Jahren etwas andere Investitionsprioritäten als Unternehmen, die die Folgen nicht zu spüren bekommen. Vor allem von Covid-19 betroffene Unternehmen geben an, den Schwerpunkt auf neue Produkte oder Dienstleistungen zu legen (30 Prozent gegenüber 24 Prozent); sie planen aber auch häufiger keine Investitionen (13 Prozent gegenüber 10 Prozent).
Einsatz digitaler Technologien hat für europäische Unternehmen weiterhin hohe Priorität
Die Umfrage ergab, dass rund zwei Drittel der EU-Unternehmen bereits mindestens eine digitale Technologie ganz oder teilweise einsetzen. 51 Prozent der Unternehmen in der Europäischen Union haben partiell zumindest eine digitale Technologie eingeführt; weitere 12 Prozent haben ihr gesamtes Geschäft um mindestens eine digitale Technologie herum organisiert.
Während 37 Prozent der EU-Unternehmen gar keine digitale Technologie einsetzen, sind es in den Vereinigten Staaten nur 27 Prozent. Besonders ausgeprägt ist der US-Vorsprung bei Anwendungen für das Internet der Dinge und bei Drohnen. Außerdem zeigte sich, dass große Unternehmen deutlich häufiger auf digitale Technologien setzen als kleine und mittlere Unternehmen (75 Prozent gegenüber 52 Prozent).
Auswirkungen des Klimawandels
Rund 58 Prozent der EU-Unternehmen haben die Auswirkungen physikalischer Klimarisiken bereits zu spüren bekommen, 23 Prozent sogar stark.
EU-Unternehmen erwarten eher, dass sich der Übergang zu einer CO2-armen Zukunft positiv auf die Marktnachfrage und auf ihren Ruf auswirken wird. Allerdings rechnen sie eher mit negativen Auswirkungen auf die Lieferketten in ihren Märkten. EU-Unternehmen sind in diesen Punkten optimistischer als US-Unternehmen.
Bei der Frage nach Maßnahmen gegen Wetterextreme und zur Minderung des CO2-Ausstoßes gaben viele EU-Unternehmen an, bereits investiert zu haben oder dies zu planen. Allerdings zeigen sich bei den Investitionen gegen Wetterextreme große Unterschiede zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten. In nördlichen Ländern wie Belgien (80 Prozent), Finnland (77 Prozent), den Niederlanden (73 Prozent), Frankreich und Deutschland (jeweils 72 Prozent) sind die Investitionen beispielsweise höher als in südlichen Ländern wie Griechenland (33 Prozent) oder auch der Slowakei (39 Prozent).
Die Umfrage ergab außerdem, dass das ungewisse regulatorische Umfeld und die Besteuerung (72 Prozent) sowie die Investitionskosten (69 Prozent) von EU-Unternehmen am häufigsten als Hindernisse für Investitionen zur Bewältigung von Wetterextremen und zur Minderung des CO2-Ausstoßes gesehen werden.
EIB-Vizepräsident Ricardo Mourinho Félix: „Die Pandemie dämpft die Investitionen, sodass Europa möglicherweise schlechter in der Lage ist, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Wir brauchen ein abgestimmtes europäisches Vorgehen, um die Unsicherheit zu überwinden – jetzt, aber auch für die Zeit nach der Erholung. Das gilt nicht zuletzt für die Klimawende und den digitalen Wandel. Als Klimabank der EU und einer der größten Investoren Europas in Innovation kann die EIB-Gruppe eine wichtige Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen spielen und Investitionen auf den Weg bringen.“
EIB-Chefvolkswirtin Debora Revoltella: „Die Investitionsumfrage der EIB vermittelt ein klares Bild der wachsenden Herausforderungen für EU-Unternehmen. Gleichzeitig verändert Covid-19 auch den Markt, sodass die Unternehmen investieren und sich weiter anpassen müssen: mehr Digitalisierung, mehr Innovation und mehr Klimaschutz. Und sie müssen ihre globalen Wertschöpfungsketten überdenken. Der Investitionsbedarf und die angespannte interne Finanzierungslage europäischer Unternehmen verlangen geduldige langfristige Investoren, die Eigen- und Fremdkapitalfinanzierungen, technische Hilfe und Beratungsdienste miteinander kombinieren.“
Die Investitionsumfrage der EIB
Die Europäische Investitionsbank hat eine genaue Analyse der Investitionstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen und größerer Unternehmen vorgenommen. Sie hat auch ermittelt, welchen Finanzierungsbedarf die Unternehmen haben und vor welchen Schwierigkeiten sie stehen. Die Umfrage der EIB zur Investitionstätigkeit und ‑finanzierung (EIBIS), die in diesem Jahr zum fünften Mal durchgeführt wurde, liefert besondere Einblicke in das Investitionsumfeld von Unternehmen in der gesamten Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich und den USA. Die EIBIS ist ein wichtiges Instrument, um Bedarfe zu ermitteln und zu verstehen, welche Hürden Investitionen bremsen. Dies gilt umso mehr in diesem Jahr, als die Umfrage hilft, die Auswirkungen von Covid-19 auf die Investitionspläne der Unternehmen abzuschätzen, sodass die Bank der EU die krisenbedingten Herausforderungen angehen kann.
Die Europäische Investitionsbank
Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist die Einrichtung der Europäischen Union für langfristige Finanzierungen. Ihre Anteilseigner sind die Mitgliedstaaten der EU. Die EIB vergibt langfristige Mittel für solide Projekte, die den Zielen der EU entsprechen, sowohl in Europa als auch weltweit. Die Bank ist in rund 160 Ländern tätig und gehört zu den weltweit größten multilateralen Geldgebern für Klimafinanzierungen. Vor Kurzem kündigte sie an, den Klimaschutz und die ökologische Nachhaltigkeit stärker zu fördern und dafür im Zehnjahreszeitraum bis 2030 eine Billion Euro zu mobilisieren. Ab 2025 wird sie mindestens 50 Prozent ihrer Mittel für diese beiden Ziele einsetzen. Ab Ende 2020 richtet die EIB-Gruppe zudem alle neuen Finanzierungen an den Zielen des Pariser Abkommens aus.