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  • Internationale Bankengruppen vertrauen weiter auf Potenzial der Region – vor allem Tschechien, Ungarn, Polen und Rumänien – und auf höhere Rentabilität
  • Wahrscheinlich Verknappung des Kreditangebots in den nächsten sechs Monaten und Verschlechterung der Kreditqualität
  • Kleine Firmen am stärksten betroffen

Die Länder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa leiden besonders unter den Folgen des Krieges. Angespanntere finanzielle Beziehungen zu Russland, Flüchtlingsströme, Abhängigkeit von ausländischen Direktinvestitionen und Energieabhängigkeit dämpfen die Erwartungen. Die Banken berichten von einer möglichen Verknappung des Kreditangebots und erwarten eine Verschlechterung der Kreditqualität. Ungeachtet der Unsicherheit und wachsenden Risiken haben die internationalen Bankengruppen weiterhin Vertrauen in das Potenzial der Region. Sie signalisieren Zuversicht, was ihre strategischen Pläne für das Geschäft in der Region und eine höhere Rentabilität betrifft: Zwei Drittel wollen ihre Tätigkeit aufrechterhalten, ein Drittel erwartet in einigen Ländern sogar eine selektive Ausweitung des Geschäfts. Dabei sind einige der führenden Bankengruppen in der Region auch direkt in Russland, Belarus und der Ukraine präsent.

Das sind einige der wichtigsten Ergebnisse der Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken in Mittel‑, Ost- und Südosteuropa. Die Umfrage fand im März 2022 statt und liefert erste Einblicke in die Auswirkungen des Krieges auf das Kreditgeschäft in der Region.

EIB-Chefvolkswirtin Debora Revoltella: „Die neue Kreditgeschäft-Umfrage der EIB lässt erste Anzeichen einer Verknappung der Finanzmittel in der Region erkennen. Kleine und mittlere Firmen und junge Unternehmen werden das in den nächsten Monaten als Erste zu spüren bekommen. Den Finanzsektor zu vertiefen und ihn weiter für Innovationsfinanzierungen zu öffnen, bleibt daher vorrangig.“

EIB-Vizepräsident Ricardo Mourinho Félix: „Die verstärkten geopolitischen Spannungen verdüstern den wirtschaftlichen Ausblick, was sich negativ auf die Finanzierungskonditionen in den meisten Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas auswirken wird. Am härtesten wird es kleine und mittlere Unternehmen treffen. Fast die Hälfte unserer Finanzierungen, rund 45 Milliarden Euro, gingen im letzten Jahr an kleine und mittlere Firmen. Da von einer Verknappung des Kreditangebots auszugehen ist, setzt sich die EIB-Gruppe entschieden für einen ungebrochenen Zugang zu Finanzierungen entweder direkt oder über Partnerinstitute in der Region ein.“

Der Krieg in der Ukraine: ein neuer Wendepunkt

Nach einer deutlichen Verbesserung von Kreditangebot und ‑nachfrage, Finanzierungs- und Kreditqualität melden Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa jetzt einen Wendepunkt. Die geopolitische Unsicherheit belastet die Erwartungen. Trotz der erheblichen Auswirkungen der Coronakrise zog die Kreditnachfrage 2021 wieder an, und die Vergabekriterien begannen sich Ende 2021, Anfang 2022 langsam zu lockern. Die umfangreichen Maßnahmen der einzelnen Länder und der EU-Institutionen gegen die Krise verhinderten einen radikalen Fremdmittelabbau. Der Krieg in der Ukraine beeinflusst die Erwartungen der Banken jedoch negativ. Die Nachfrage der Bankkunden dürfte stark bleiben, aber weniger auf Investitionsfinanzierungen und stärker auf Betriebsmittel ausgerichtet sein. Das Kreditangebot scheint dagegen knapper zu werden. Angesichts der Unsicherheit darüber, wie die Märkte auf die Krise reagieren, der Fragezeichen hinter staatlichen Maßnahmen und des Inflationsdrucks trüben sich die Erwartungen der Banken ein.

Ausblick der Banken in der Region

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Quelle: EIB-Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Anmerkung: Alle Indikatoren netto. Angebot/Nachfrage: Positive Zahlen stehen für eine steigende Nachfrage (gelockerte Anforderungen beim Angebot). Zugang zu Finanzierungen: Positive Werte stehen für einen besseren Zugang zu Finanzierungen. Notleidende Kredite: Negative Zahlen stehen für einen steigenden Anteil notleidender Kredite.

Kreditbedingungen und Kreditqualität verschlechtern sich

Die Finanzierungskonditionen werden nicht mehr so günstig sein, und die Kreditqualität dürfte sich verschlechtern. Die Zahl der notleidenden Kredite wird voraussichtlich stark ansteigen. Mit der Zunahme der notleidenden Kredite zu Beginn der Pandemie war es sofort vorbei, als in der zweiten Hälfte 2021 die wirtschaftliche Erholung einsetzte. Wie die jüngste Umfrage zeigt, sind die Erwartungen seit Kriegsbeginn erneut umgeschlagen, und das stärker als in der Coronakrise. Das dürfte sowohl Unternehmen als auch private Haushalte betreffen.

Hintergrundinformationen

Die Abteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB

Die Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB befasst sich mit Wirtschaftsforschung und volkswirtschaftlichen Studien. Außerdem untersucht sie die Investitionstätigkeit in der Europäischen Union und anderen Regionen. Sie unterstützt damit die Bank bei ihrer Arbeit und Positionierung und bei der Festlegung ihrer Strategien und Leitlinien. Das 40-köpfige Team der Hauptabteilung wird von Chefvolkswirtin Debora Revoltella geleitet.

Die Umfrage der EIB zum Kreditgeschäft der Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa

Die Umfrage der EIB zum Kreditgeschäft der Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (CESEE Bank Lending Survey) ist eine in dieser Form einmalige halbjährliche Befragung von rund 15 internationalen Bankengruppen und 85 Tochter- oder unabhängigen Banken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Sie erhebt Daten zu Kreditanforderungen und -konditionen und zu den verschiedenen Einflussfaktoren im Inland und international. Auch die Kreditnachfrage wird untersucht. Die Umfrage enthält konkrete Fragen zur Kreditqualität und zu den Refinanzierungskonditionen der Banken. Damit kann ein Datenbestand aufgebaut werden, mit dem sich die Gesundheit des Bankensektors in Mittel-, Ost- und Südosteuropa – nahezu in Echtzeit – beurteilen lässt. Die Umfrage wurde von der Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB entwickelt und ist Teil einer Berichtsreihe der EBWE, des IWF und der Weltbank für die Wiener Initiative (http://vienna-initiative.com).

Weitere Informationen: https://www.eib.org/about/economic-research/surveys.htm