Auf dem diesjährigen Brüsseler Wirtschaftsforum hielt Präsidentin Calviño die Gedenkrede für Tommaso Padoa-Schioppa. Hauptthema waren Europas Wirtschaftsaussichten.
Videoaufzeichnung des Vortrags
Guten Morgen,
es ist mir eine große Freude und Ehre, dieses Jahr die Gedenkrede für Tommaso Padoa-Schioppa zu halten und mit Ihnen über die wirtschaftlichen Aussichten Europas zu sprechen.
Kurz vor der Europawahl wird Sie die zentrale Botschaft, die ich Ihnen heute mit auf den Weg geben möchte, nicht überraschen: Gemeinsam sind wir stärker, und wir können die künftigen Herausforderungen nur meistern, wenn wir Europäerinnen und Europäer geeint und koordiniert handeln.
In der jüngsten Vergangenheit waren wir immer dann erfolgreich, wenn wir drei Grundsätze befolgt haben: Entschlossenheit, Einheit und Solidarität. Auf dieser Grundlage können wir zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Ein gutes Beispiel ist unsere erfolgreiche gemeinsame Antwort auf die Pandemie: Wir haben die Wirtschaft geschützt und das Fundament für eine kräftige Erholung geschaffen. Gelungen ist uns das, weil die Europäische Zentralbank schnell Liquidität bereitstellte, die Europäische Kommission mit dem SURE-Mechanismus Arbeitsplätze sicherte, die Europäische Investitionsbank mit ihrem Garantiefonds Unternehmen unterstützte und das massive Investitions- und Reformprogramm NextGenerationEU den Aufbau moderner, widerstandsfähiger Volkswirtschaften förderte.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass wir gemeinsam wirklich stärker sind, ist, dass wir der Ukraine geschlossen unter die Arme greifen. Als Bank der EU ist die Europäische Investitionsbank derzeit der wichtigste Investitionspartner der Ukraine. Kürzlich habe ich ein Abkommen mit Ministerpräsident Schmyhal unterzeichnet, damit wir vor Ort noch schneller investieren können. Dabei geht es um große Infrastrukturen wie das landesweite Energie- und Verkehrsnetz, lokale Projekte für den Wiederaufbau von Kliniken und Wohnhäusern und um die Unterstützung der Kreditvergabe an kleine und mittlere Betriebe.
Dank der EU-Mittel, die über die EIB bereitgestellt wurden, hat die Stadt Lwiw nun neue Straßenbahnen, und in Kamjanske gibt es eine neue Schule.
Mit Blick auf die Zukunft müssen wir sicherstellen, dass unsere Wirtschaft die grüne und digitale Wende erfolgreich stemmt und trotz geopolitischer Unsicherheiten, Herausforderungen und anderer Spannungen wettbewerbsfähig bleibt.
Gleichzeitig müssen wir den am stärksten betroffenen Sektoren und Regionen helfen, um unsere soziale Infrastruktur und unsere europäische Lebensweise zu schützen.
Dafür braucht es Entschlossenheit, Reformen ... und massive Investitionen in Infrastruktur für den industriellen Wandel und neue strategische Technologien.
Und nicht nur das: Wir müssen in Qualifikation und soziale Infrastruktur investieren, damit die Menschen ihr Potenzial ausschöpfen können.
Das geht nur mit privatem Kapital. Mobilisieren können wir das mit öffentlichen Mitteln und indem wir Europas Instrumente optimal einsetzen.
In diesem Zusammenhang begrüße ich den aufschlussreichen Bericht von Enrico Letta über den Binnenmarkt. Darin hebt er hervor, wie wichtig die Europäische Investitionsbank-Gruppe für die Mobilisierung von Investitionen ist. Wir machen aus Ideen konkrete Projekte, die Europa in strategisch wichtigen Bereichen autonomer machen, die Produktivität steigern und das Leben der Menschen verbessern. Das verdanken wir unserer starken Bilanz, unserem AAA-Rating und erstklassigen technischen Know-how sowie unserer Fähigkeit, mit EU-Mitteln und -Mandaten private Investitionen anzustoßen.
Mit unseren acht strategischen Prioritäten, die von den EU-Spitzen mitgetragen werden, wollen wir das volle Potenzial der EIB-Gruppe ausschöpfen. Erstens werden wir unsere Rolle als EU-Klimabank weiter festigen.
Zweitens werden wir die Digitalisierung und technologische Innovationen noch schneller fördern. Dazu gehört auch die Entwicklung und Skalierung von Spitzentechnologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Gleichzeitig werden wir die europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stärker unterstützen, wobei wir die Finanzierungskapazität der EIB wahren und die Einhaltung höchster Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards sicherstellen.
Unsere vierte Priorität ist der Zusammenhalt. Talentierte Köpfe finden sich überall – Chancen nicht. Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und der soziale und territoriale Zusammenhalt sind die untrennbaren Grundlagen für Europas Erfolg. Davon bin ich fest überzeugt.
Wir unterstützen auch innovative Finanzierungen für die Bioökonomie und Landwirtschaft und investieren in Qualifikation, Gesundheit und bezahlbaren Wohnraum. Unsere Gruppe wird sich in Europa noch stärker für die soziale Infrastruktur engagieren und zu einer starken, widerstandsfähigen Gesellschaft beitragen.
Außerhalb der EU legen wir der Schwerpunkt auf den Wiederaufbau der Ukraine, einen erfolgreichen Erweiterungsprozess, unsere Nachbarschaft und die Global-Gateway-Initiative sowie auf strategische Allianzen, etwa mit der Weltgesundheitsorganisation und der Impfallianz, um die Kinderlähmung auszurotten und die Impfstoffproduktion in Afrika aufzubauen.
Und nicht zuletzt entwickeln wir wegweisende europäische Finanzierungsinstrumente, die die Bausteine für eine echte Kapitalmarktunion bilden könnten.
Im Rückblick auf die letzten Jahre denke ich, dass wir als Europäerinnen und Europäer stolz auf das Erreichte sein können. Darauf sollten wir unbedingt aufbauen, unsere Partnerschaft vertiefen und so Investitionen in ein sicheres, gerechtes, grünes und produktives Europa voranbringen.
Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft Europas aufbauen!
Vielen Dank!