Der Präsident der Europäischen Investitionsbank Werner Hoyer hielt auf dem Weltbiodiversitätsgipfel am 21. September eine Keynote-Ansprache.
Weitere Informationen über die EIB-Teilnahme an der UN-Vollversammlung und der Climate Week NYC 2022
Es gilt das gesprochene Wort
Meine Damen und Herren,
beim Blick auf die vielen drängenden Probleme, von der Pandemie bis hin zur Energie- und Lebensmittelkrise als Folge des durch nichts zu rechtfertigenden Angriffs Russlands auf die Ukraine, hat man den Eindruck, man müsse sich zwischen Krisenbewältigung und Naturschutz entscheiden.
Ich glaube allerdings, wir sollten hier keine Kompromisse machen. Vor allem, wenn wir die komplexen Beziehungen zwischen Biodiversität, Klima, Entwicklung und Wohlstand betrachten.
Laut dem Weltwirtschaftsforum gehen 44 Billionen US-Dollar der wirtschaftlichen Wertschöpfung – das sind über die Hälfte des globalen BIP – auf die Natur und die naturbasierte Wirtschaft zurück: Wälder, Wasser, Meere und Landwirtschaft.
Das ist unsere natürliche Infrastruktur. Und sie ist genauso wichtig für die Entwicklung wie die menschengemachte Infrastruktur. Diese natürlichen Assets zu erhalten und ihren Wert zu steigern, indem man die Natur schützt, ist einfach schon ein Gebot der Wirtschaftlichkeit.
Und zwar deshalb, weil die Natur für einzelne Länder finanziell einen höheren Wert haben kann als Infrastrukturprojekte. Als Beispiele seien etwa der Wert der Bestäubung für die lokale Landwirtschaft oder der Erhalt der Korallenriffe für Fischfang und Tourismus genannt.
Die multilateralen Entwicklungsbanken haben diesen Wert erkannt und die Verbindung zu Biodiversität, Klima und Entwicklung hergestellt. Deshalb haben sie letztes Jahr in Glasgow die gemeinsame Erklärung Nature, People and Planet unterzeichnet; über 100 Finanzinstitute und Kapitalmarktakteure schlossen sich dem „Finance for Biodiversity Pledge“ an.
Ich sehe darin wichtige Schritte. Finanzierungen können die Transformation vorantreiben, weil sie eine enorme Geldlücke schließen. Allein in der Europäischen Union wird diese Lücke auf jährlich mindestens sechs Milliarden Euro geschätzt. Weltweit fehlen bis 2030 jedes Jahr voraussichtlich 700 Milliarden US-Dollar. An öffentlichen Mitteln und philanthropischer Unterstützung führt daher kein Weg vorbei. Wie bei allen UN-Entwicklungszielen brauchen wir aber auch hier den Privatsektor.
Private Finanzierungen für die Natur mobilisieren – keine leichte Aufgabe. Ökosysteme sind eher ungeeignet für traditionelle Anlageinstrumente. Die Natur verlangt oft erhebliche Vorabinvestitionen, deren Nutzen sich erst im Zeitverkauf zeigt – unscharf oder indirekt und oft in Form vermiedener zukünftiger Kosten, die in keiner Bilanz stehen.
Außerdem liegt ein großer Teil des kostbaren Naturkapitals der Erde in sehr fragilen Gebieten, in denen Konflikte, Armut und schwache staatliche Strukturen Investitionen außergewöhnlich stark erschweren.
Viele kohlenstoff- und artenreiche Landschaften sind noch in einem natürlichen Zustand. Aber für den Schutz dieser Landschaften brauchen wir Regeln, die einen verantwortungsvollen Umgang damit belohnen.
Und nicht zuletzt brauchen wir innovative Mechanismen für die Naturfinanzierung, damit die vielen natürlichen Wertströme genutzt, neue Geldgeber gefunden und gemeinsame Anreize definiert werden können.
Meine Damen und Herren,
trotz der vielen Herausforderungen waren Investitionen in die Natur noch nie so notwendig wie heute – und noch nie bot sich so eine Chance.
Die Chance liegt in der schnellen Entwicklung der CO2-Märkte, gekoppelt mit innovativer Naturfinanzierung und neuen Technologien zur Messung und Überwachung von Ökosystemdienstleistungen. Investoren, Geldgebern und der Gesellschaft wird immer stärker bewusst, welche wirtschaftlichen Argumente für Investitionen in die Natur sprechen und welche Wirkung diese Investitionen haben können.
Bei der Europäischen Investitionsbank, der Klimabank der EU, berücksichtigen wir die Biodiversität bei allem, was wir tun. Zusammen mit lokalen Gruppen fördern wir Projekte, die den Verlust der biologischen Vielfalt bremsen und diese Entwicklung umkehren.
Gleichzeitig folgen wir robusten Umwelt- und Sozialstandards, die weltweit für alle unsere Projekte gelten.
Wir setzen uns für Investitionen ein, die sich für die Natur auszahlen. Ein aktuelles Beispiel dafür kommt aus Deutschland. Dort haben wir mit 1,3 Milliarden Euro ein massives Renaturierungsprogramm für die Emscher im Ruhrgebiet unterstützt, wo mehr als fünf Millionen Menschen leben.
Aus der einstigen „Kloake des Ruhrgebiets“ wird damit ein kleines Paradies.
Wir engagieren uns aber nicht nur in der EU: Auch außerhalb hat die Natur für uns Priorität. So haben wir unter anderem in den Land Degradation Neutrality Fund investiert.
Dies ist ein neuartiger Impact-Fonds, der sich auf Nachhaltigkeitsprojekte in den Bereichen Landnutzung und Wiederherstellung von Ökosystemen in Entwicklungsländern konzentriert. Gefördert wird etwa der Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten im Kaffeeanbau in Peru; dies bremst die Landverödung und vergrößert die Waldflächen.
Ein weiteres Beispiel ist der EcoEntreprise Fund. Dieser weitgehend von Frauen geführte Fonds hilft der indigenen Bevölkerung, Unternehmen aufzubauen, die die Beziehung zwischen dem Wald und den Menschen in Ländern wie Ecuador schützen und stärken. Parallel dazu fördert er qualifizierte Arbeitsplätze und bietet Frauen die Chance, Führungspositionen einzunehmen.
Meine Damen und Herren,
die Finanzinstitutionen und die EIB werden in Zukunft ihren Beitrag zu Investitionen in die Natur leisten. Unser Ziel ist es, beim Erhalt der Umwelt mehr Wirkung zu entfalten.
Ich freue mich, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wie wir diese Investitionen gemeinsam vorantreiben können.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!