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Russlands Überfall auf die Ukraine kostet nicht nur unsagbar viele Menschenleben. Er wirkt sich auch auf die Wirtschaft Osteuropas und Zentralasiens aus. Deshalb müssen wir die Stärken und Schwächen der Unternehmen in der Region kennen, auch ihre Schwierigkeiten und ihre Fähigkeit, sich auf einen drastischen Einbruch ihres Geschäfts einzustellen.

Der Krieg fällt in eine Zeit, in der sich die Betriebe in der Region gerade von der Coronapandemie erholen. Der Bericht Resilienz von Unternehmen in der Pandemie und darüber hinaus beleuchtet, wie Unternehmen in der Region den massiven pandemiebedingten Abschwung bewältigt haben und inwieweit sie für künftige Herausforderungen – etwa die Verlagerung globaler Wertschöpfungsketten und die Erderwärmung – gewappnet sind. Zudem widmet sich der Bericht der Frage, ob ein mangelnder Zugang zu Finanzierungen ihre kurzfristige Robustheit und langfristigen Perspektiven beeinträchtigt.

Die wichtigsten Erkenntnisse des Berichts:

  • Der Handel mit entwickelten Volkswirtschaften, der Erwerb von Know-how durch Einbindung in globale Wertschöpfungsketten, der Zugang zu ausländischen Technologien und bessere Managementmethoden haben Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in der Region gestärkt
  • Beispiellose staatliche Hilfsmaßnahmen wendeten Pleitewellen, Betriebsschließungen und Jobverluste ab. Unterstützung benötigten in der Region vor allem Unternehmen, die keinen Zugang zu anderen Finanzierungsformen wie Kredite von Banken oder einer größeren Unternehmensgruppe hatten
  • Investitionen in die digitale Infrastruktur und eine bessere Qualifikation der Beschäftigten treiben Innovationen voran, verringern den Entwicklungsrückstand und machen die Region krisenfester
  • Der Übergang zu einer CO2neutralen Wirtschaft birgt erhebliche Risiken für die Region; Unternehmen bleiben hinter der Entwicklung in anderen Teilen der Welt zurück
  • Unternehmen müssen ihr grünes Management verbessern und sich den Herausforderungen des Übergangs stellen. Der mangelnde Zugang zu Finanzmitteln hemmt weiter das Wachstum von Unternehmen in der Region. Die Zahl von Unternehmen ohne Kreditzugang oder Bankbeziehung ist noch immer relativ hoch

Der Bericht

Der Bericht Business resilience in the pandemic and beyond – Adaptation, innovation, financing and climate action from Eastern Europe to Central Asia ist eine gemeinsame Veröffentlichung der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) mit Beiträgen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die im Bericht enthaltenen Daten wurden vor der bewaffneten Invasion Russlands in die Ukraine erhoben und analysiert. 

Der in dieser Art einzigartige Bericht stützt sich auf Daten aus der jüngsten Unternehmensumfrage von EBWE, EIB und Weltbankgruppe (Enterprise Survey 2019), in deren Rahmen zwischen 2018 und 2020 Daten von mehr als 28 000 eingetragenen Unternehmen erfasst wurden. Die Umfrage wurde kurz vor Ausbruch der Coronapandemie durchgeführt und liefert einen strukturellen Überblick über die Unternehmen in der Region. Zusätzlich nutzt der Bericht die erste Runde der Covid-19-Folgeerhebungen, bei der mehr als 16 000 Unternehmen befragt wurden. Anhand dieser Folgeerhebung hat die Weltbank untersucht, wie sich Unternehmen in der Krise angepasst haben.

Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft

Unternehmen büßten in der ersten Pandemiewelle im Schnitt 25 Prozent ihrer Einnahmen ein und entließen 11 Prozent ihrer Beschäftigten. Umfangreiche staatliche Hilfsmaßnahmen wie Programme zur Erhaltung von Arbeitsplätzen, Zuschüsse, Zahlungsaufschübe, Garantien, Steuererleichterungen und Zinsvergütungen federten die Auswirkungen der Pandemie ab. Nur 4 Prozent der Unternehmen meldeten Insolvenz an oder mussten dauerhaft schließen.

  • Firmen, die in globale Wertschöpfungsketten integriert waren, ein hohes Maß an Produktivität, Innovation und Digitalisierung aufwiesen sowie Unternehmen unter der Führung oder im Eigentum von Frauen passten sich schneller an die Pandemie an
  • Finanzielle Rettungsanker halfen Firmen durch die Krise. Unternehmen mit Zugang zu Krediten oder anderen Finanzierungen und solche, die Teil größerer Unternehmensgruppen waren, gingen mit geringerer Wahrscheinlichkeit in die Insolvenz
  • Staatliche Programme reduzierten die Belastung der Pandemie für vulnerable Unternehmen wie kleine Betriebe, eigenständige Firmen und solche, die nur schwer an Kredite kommen

 

Handel und Innovation

Die meisten Unternehmen in Osteuropa und Zentralasien nehmen aktiv am Handel teil. Dies steigert Produktivität, Innovationsfähigkeit und Wachstum. Beim Handel gibt es jedoch regionale Unterschiede: In Mittel- und Osteuropa und im Westbalkan exportieren mehr Unternehmen als in Ländern mit niedrigem mittleren und höherem mittleren Einkommen. Zentralasien und Russland stehen beim Handel nicht so gut da.

  • Innovative Unternehmen machen etwa ein Drittel der nicht exportierenden Unternehmen aus, während etwa 40 Prozent der Unternehmen, die importieren, als innovativ angesehen werden. Innovation ist besonders wichtig für Firmen, die zu globalen Wertschöpfungsketten beitragen (mehr als 50 Prozent der Unternehmen)
  • Unternehmen in der Region investieren mehr in Innovation als Unternehmen in ähnlichen Volkswirtschaften in anderen Regionen, auch wenn Innovation hauptsächlich durch neue, anderswo entwickelte Technologien vorangetrieben wird
  • Um den Handel mit entwickelten Volkswirtschaften zu fördern, müssen Unternehmen Zugang zu Informationen und Know-how erhalten. Das geschieht durch Teilnahme an globalen Wertschöpfungsketten. Der Zugang zu ausländischer Technologie und ein modernes Management treiben Innovationen auch voran

 

Grüne Wirtschaft

Die Teilregionen Osteuropas und Zentralasiens hinken beim grünen Management nach wie vor hinterher, vor allem bei den Zielvorgaben für Energieverbrauch und Emissionen. Die Region, die bisher stark auf Kohle und Öl angewiesen war, steigt langsam auf Kernkraft und erneuerbare Energien um.

Allerdings erzeugte die Region noch im Jahr 2018 drei Viertel ihres Stroms mit fossilen Brennstoffen. Mehrere Länder gewähren weiterhin großzügige Subventionen, die den Preis von Gas und anderen fossilen Brennstoffen für Verbraucherinnen und Verbraucher verringern. Das dämpft die Motivation, Emissionen zu senken.

Messbare und realistische Umweltziele würden Unternehmen helfen, ihre Umweltleistung zu verbessern.

  • Der Bericht führt erstmals den zusammengesetzten Indikator „ESG-Verantwortung von Unternehmen“ für nicht börsennotierte Unternehmen ein. Bei den Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards hinken die Unternehmen der Region hinter ihren Konkurrenten in Südeuropa hinterher. Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten schneiden im Schnitt am schlechtesten ab
  • Kundendruck und Energiesteuern spielen eine wichtigere Rolle bei der Bestimmung der Qualität von grünen Managementmethoden als Faktoren wie Größe und Alter
  • Ein für grüne Investitionen förderliches Geschäftsumfeld wird Unternehmen dazu bringen, ihre ESG-Standards zu verbessern

 

Finanzierungslücken

Die Finanzsysteme in Osteuropa und den westlichen Balkanstaaten haben sich bisher gut behauptet. Bankkredite sind für Unternehmen weiterhin die wichtigste externe Finanzierungsquelle. Die Kapitalmärkte sind unterentwickelt, und Risikokapital, Private Equity und Leasing stehen nur sehr begrenzt zur Verfügung. Rund 55 Prozent der Unternehmen betrachten den fehlenden Zugang zu Finanzierungen als Hindernis.

  • 24 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und 27 Prozent der Jungunternehmen bezeichnen den mangelnden Zugang zu Darlehen oder anderen Finanzierungsmitteln als Problem. Dabei leiden innovative Unternehmen, insbesondere junge und innovative KMU, häufiger unter Kreditnot
  • Rund 50 Prozent der Unternehmen, vor allem kleine und junge Akteure, finanzieren ihre Projekte ausschließlich mit eigenen Mitteln. Der Zugang zu Krediten ist an Investitionen und Wachstum gebunden, und gute Beziehungen zum Bankensektor bringen wirtschaftliche Vorteile mit sich
  • Bessere Besicherungsrahmen können die Vergabe von und den Zugang zu Krediten verbessern und Kreditrisiken senken
  • Finanzwissen und bessere Prüfungs- und Rechnungslegungsstandards sowie eine echte Reformagenda zur Verbesserung der Qualität der Institutionen könnten die Fähigkeit und Bereitschaft der Unternehmen erhöhen, mit Banken zusammenzuarbeiten