Ein dänisches Luft- und Raumfahrtunternehmen sorgt mit innovativer Radartechnologie für mehr Sicherheit im Flugverkehr. Eigentlich sollten mit dem Radar ursprünglich vor allem Schmuggler gestoppt werden. Mit dieser Technologie könnten künftig auch zivile Luftfahrzeuge beim Überfliegen von Konfliktgebieten etwaigen Raketen ausweichen.
In Schottland sollte einer der größten Windparks errichtet werden, der bis zu 90 000 schottische Haushalte mit Strom versorgen sollte. Dieser Plan musste vorerst jedoch auf Eis gelegt werden. Der Flughafen Glasgow konnte dem Bau einfach nicht zustimmen. Der Grund: Die Turbinen würden auf dem Radar blinde Flecken verursachen und dadurch die Sicherheit im Flugverkehr gefährden.
Vor Kurzem erhielt der Windpark vom Flughafen dann aber doch grünes Licht, nachdem das dänische Unternehmen Terma eine innovative Lösung für dieses Problem lieferte. Terma ist in der Luft- und Raumfahrt- sowie in der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie tätig.
Achtung ... ein Vogel! Oder ist es doch ein Flugzeug? ... Nein, Moment mal... – es ist ein Windpark!
Eigentlich sollen Radare sich bewegende Objekte erfassen. Doch erzeugen die immer größeren Windturbinen mit ihren Rotorblättern einen Doppler-Effekt. „Auf dem Radarschirm sieht es dann so aus, als würde sich die Turbine hin- und herbewegen“, erklärt Thomas Blom, der für Steuerungs- , Kontroll- und Sensorsysteme zuständige Senior Vice President von Terma. „Als die Radaranlagen gebaut wurden, hatte niemand an so etwas gedacht, und einige der Radaranlagen, die weltweit von Flughäfen eingesetzt werden, sind schon ziemlich alt“, sagt er.
Offshore-Windparks werden vorzugsweise unweit großer Küstenstädte errichtet, denn so fallen dank kürzerer Übertragungsleitungen weniger Kosten an, um den Strom zu den Verbrauchern zu bringen. In der Nähe dieser großen Städte befinden sich jedoch häufig auch Flughäfen, was zu Problemen führen kann. Klassische Radaranlagen können Objekte über einem sich anscheinend selbst bewegenden Windpark nicht orten. In der Regel können sie die Höhenunterschiede zwischen den Objekten nicht ausmachen.
„Daher wurde der Bau von Windparks in der Nähe von Flughäfen bisher schlichtweg abgelehnt“, erklärt Blom.
Eine Frage der nationalen Sicherheit
Es geht hier aber nicht nur um die Sicherheit des Flugverkehrs, sondern auch um die nationale Sicherheit. Wenn Windkraftanlagen auf den Radarschirmen„Geräusche“erzeugen, entstehen blinde Flecke, die von Schmugglern oder sogar von feindlichen bewaffneten Gruppen ausgenutzt werden könnten, um unerlaubt durch den Luftraum in andere Länder zu gelangen.
Terma konnte Glasgow und anderen Flughäfen eine Lösung liefern. Dabei nutzte das Unternehmen das Know-how, das es bei einem seiner ersten Aufträge in einem völlig anderen Umfeld gewonnen hatte. In den neunziger Jahren entwickelte es Radaranlagen für die Küstenwache in der Straße von Gibraltar. Diese Anlagen konnten Schlauchboote erkennen, auf denen Menschen von Marokko nach Spanien geschmuggelt wurden. Um von den herkömmlichen Radaren nicht geortet zu werden, suchten die Schmuggler Deckung hinter großen Supertankern.
„Jeden Tag setzten bis zu zehn Flüchtlingsboote über. Schnellboote und kleine Schlauchboote – also sehr kleine Objekte – blieben bei sehr schlechtem Wetter zwischen Wellen und hinter großen Schiffen unerkannt. Bei der Entwicklung unserer Technologie haben wir uns in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren vor allem darauf konzentriert, diese kleinen Objekte zu erfassen. „Unsere Radaranlagen verfügen daher über einen sehr großen Dynamikbereich und eine hohe Auflösung. Das bedeutet, dass wir sehr kleine Objekte neben großen Objekten ausmachen können. Genau diese Fähigkeit zeichnet unsere Anlagen aus.“
Die von Terma entwickelte Technologie ist derzeit sehr gefragt, wenn es darum geht, Flüchtlinge im Mittelmeer zu orten und zu retten. Mittlerweile wird sie aber auch von Flughäfen eingesetzt, da nun jede einzelne Windturbine eines Windparks auf dem Radarschirm als einzelnes Objekt identifiziert wird und auch darüber fliegende Flugzeuge problemlos erkannt werden können.
Tödliche Zusammenstöße auf der Rollbahn weitgehend ausgeschlossen
Die Technologie kann auch anders eingesetzt werden. So hätte beispielsweise einer der tödlichsten Unfälle in der Geschichte der Luftfahrt verhindert werden können. Besonders tragisch war dabei vielleicht die Tatsache, dass sich dieser Unfall am Boden ereignete.
27. März 1977, Flughafen Teneriffa: Da am benachbarten Flughafen von Gran Canaria eine Bombe explodiert war, wurden viele Flugzeuge nach Teneriffa umgeleitet, wo sie aus Platzmangel auf der Rollbahn parken mussten. Währenddessen bildete sich auf dem Flughafen dichter Nebel. Da die Rollbahn blockiert war, bereiteten sich zwei Maschinen des Typs Boeing 747 für den Start auf der einzigen Startbahn vor. In dem dichten Nebel konnten sie sich gegenseitig nicht sehen. Als das eine der beiden Flugzeuge zum Abheben beschleunigte, kollidierte es mit dem Flugzeug, das sich noch auf der Startbahn befand. Insgesamt 583 Menschen fanden in den beiden Flugzeugen den Tod. Nur 61 überlebten das Unglück.
Mit den Bodenradaranlagen, die Terma nun in Hunderten von Flughäfen installiert hat, hätte dieses Unglück sehr wahrscheinlich verhindert werden können. Bodenradare, die zusätzlich zu den Luftraumradaren eingesetzt werden, überwachen die Aktivitäten auf dem Boden, so beispielsweise die Bewegungen von Gepäckwagen oder kleinsten Luftfahrzeugen, die den großen Passagierflugzeugen manchmal in die Quere kommen. Letzteres führte 2001 in Italien zu einem der schwersten Flugzeugunglücke. Auch am Flughafen Linate herrschte Nebel, Bodenradargeräte gab es nicht. Ein kleiner Business-Jet mit vier Passagieren geriet versehentlich auf die große Startbahn, wo er mit einer Maschine der Fluggesellchaft SAS zusammenstieß, die - mit Ziel Kopenhagen - gerade den Start eingeleitet hatte. Alle 114 Passagiere sowie vier Menschen am Boden kamen dabei ums Leben.
„Ohne Bodenradaranlagen muss die Geschwindigkeit auf den Start- und Landebahnen besonders bei schlechten Sichtverhältnissen enorm gedrosselt werden, denn dann sind ganz andere Sicherheitsvorkehrungen notwendig“, erklärt Blom. Normalerweise müsste das Flughafenpersonal persönlich prüfen, ob die Start- und Landebahnen frei sind. Termas Radaranlagen tun dies automatisch und erfassen sogar die kleinsten Hindernisse. „Dabei können unsere Geräte ein kleines Schlauchboot mit hoher Geschwindigkeit in einer Entfernung von 15-20 Kilometern genauso gut erkennen wie einen Koffer auf der Start- und Landebahn, der fünf Meter entfernt steht.“
Raketen werden einfach ausgetrickst
Mithilfe eines Darlehens über 28 Millionen Euro, das die EIB im Oktober bereitstellte, kann Terma weiterhin innovative Lösungen für mehr Sicherheit im Flugverkehr entwickeln. Das Darlehen fällt unter den Europäischen Fonds für strategische Investitionen, der teilweise durch eine Garantie aus dem EU-Haushalt abgesichert ist.
„Die Satzung der EIB schließt eine Finanzierung der Verteidigungsindustrie ganz klar aus. Deswegen haben wir sichergestellt, dass das Unternehmen die Mittel aus dem Darlehen nur für seine sonstigen Geschäftsfelder, z. B. Radartechnologie für Such- und Rettungsaktionen oder auch Raumfahrtprogramme, einsetzt“, so Delia Fornade, Kreditreferentin der EIB für Deutschland und die nordischen Länder.
Besonders großes Potenzial sieht die EIB vor allem in einer Technologie, die ebenfalls mit mehr Sicherheit im Flugverkehr einhergeht: der Raketenschutz für zivile Luftfahrzeuge. „Dabei werden Flugzeuge, die z. B. humanitäre Hilfsgüter in Krisengebiete bringen, so ausgerüstet, dass sie nahende Raketen erfassen und ein Material aus Metallfasern abwerfen können. Dadurch werden radargesteuerte Raketen oder erhitzte Objekte vom Kurs abgebracht und in ausreichender Entfernung zu den Flugzeugen zur Explosion gebracht", erklärt Anders Bohlin, bei der EIB als stellvertretender volkswirtschaftlicher Berater in der Abteilung Innovation und Wettbewerbsfähigkeit tätig. „Ähnliche Lösungen gibt es bereits beim Militär. Wenn Terma die Technologie nun auch für die zivile Luftfahrt nutzbar macht, kann das Unternehmen sich einen neuen Markt erschließen, so Bohlin.
„Dadurch könnten in Zukunft ähnliche Tragödien – wie die des Malaysia Airlines-Flugs über der Ukraine – verhindert werden“, fügt er hinzu. Im Juli 2014 wurde der Malaysia Airlines-Flug MH17 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über dem Krisengebiet Ukraine abgeschossen. Dabei wurden alle 298 Passagiere getötet.
Laut Thomas Blom erforscht das Unternehmen verschiedene neue Technologien und kombiniert Radaranlagen mit einer Datenverarbeitungsfunktion. Dabei soll in erster Linie genauer identifiziert werden, was auf dem Radarschirm zu sehen ist. Zu diesem Zweck könnten beispielsweise fest installierte Kameras eingesetzt werden, die die Radaraufnahmen heranzoomen. Durch automatische Bilderkennung und die Nutzung von Daten des Radars sowie von Bildern und historischen Daten, die zuvor an der gleichen Stelle aufgezeichnet wurden, könnte der Benutzer dann besser vor einem potenziellen Zwischenfall gewarnt werden.
Auf dem Radar wird dann automatisch angezeigt, ob es sich um ein Flugzeug, eine Drohne, einen Vogel, einen Spielzeugdrachen oder eine Rakete handelt. Oder ob es doch eine Windkraftanlage ist.