In Armenien erhalten kleine Betriebe EU-Gelder, die vor Ort über neue Partnerbanken vergeben werden
Das betörende Aroma von dunkler Schokolade hat dem Leben von Emil Harutyunyan buchstäblich eine neue Richtung gegeben. Eigentlich war der Armenier nach Frankreich gereist, um Geräte zum Backen von Baguettes und Croissants zu kaufen. Doch als er auf der Messe den verführerischen Duft von Schokolade in der Nase hatte und mit großen Augen bei der Herstellung zusah, warf er seine Pläne kurzerhand über den Haufen.
Das war Anfang der 2000er. Damals gab es in Armenien noch keine hochwertige Schokolade, nur russische Blockschokolade – eine Mischung aus Kakao, Süßstoff und billigem Pflanzenfett. Also gründete Harutyunyan 2004 Arcolad, einen kleinen Chocolatier nach europäischem Vorbild.
Die ersten fünf Jahre waren hart. „Es hat einige Zeit gedauert, bis sich die Leute an richtig gute Schokolade gewöhnt haben“, erinnert sich Arcolads Marketing- und PR-Chefin Margarita Harutyunyan, die Frau des Gründers.
„Auch dass Pralinen in Ballotins verpackt werden, war für die Menschen hierzulande ungewohnt“, sagt sie. „In Armenien waren hochwertige Pralinenschachteln groß und flach; das kannten die Leute noch aus Sowjet-Zeiten. An das neue Design mussten sie sich erst gewöhnen. Mit der Zeit setzte sich aber die Erkenntnis durch, dass unsere Schokolade die hochwertigere ist: frisch und ohne Zusatzstoffe.“
Die Geräte importiert Arcolad aus Deutschland, Belgien und Italien, die Verpackungen aus Deutschland und der Schweiz. Bei den Rohstoffen kommt das meiste aus Belgien, das Marzipan kauft Arcolad in Deutschland und die Trockenfrüchte – Aprikosen, Pfirsiche und Pflaumen – vor Ort in Armenien.
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Mit wachsender Nachfrage musste Arcolad – ein Kofferwort aus Armenien und Shocolad – die Produktion ausweiten. Dafür nahm das Unternehmen 2021 bei einer armenischen Bank einen Kredit über umgerechnet knapp 92 000 Euro auf. Möglich war das dank eines Förderprogramms der Europäischen Investitionsbank (EIB) speziell für kleine und mittlere Betriebe: Die EIB vergab Gelder an die armenische Zentralbank, diese leitete sie an lokale Banken weiter, die dann Kredite an Unternehmen ausreichten.
Der Chocolatier holte sich im Rahmen dieses Programms 2021 und 2023 zwei weitere Kredite.
„Nach einem verheerenden Jahr 2020 – Stichwort Pandemie und Krieg in Bergkarabach –, brauchten wir dringend Unterstützung“, sagt Margarita Harutyunyan. „Mit den Krediten konnten wir das Unternehmen stabilisieren und die kurzfristigen finanziellen Schwierigkeiten überbrücken.“
Heute exportiert Arcolad in die USA und nach Europa. 2024 soll in den USA eine Vertriebstochter an den Start gehen.
Kleine Unternehmen im Fokus
Die EIB hat der armenischen Zentralbank seit 2014 vier Darlehen zur Verfügung gestellt. Die Notenbank konvertiert das Geld in Dram und reicht es an lokale Banken weiter, die wiederum Kredite an kleinste, kleine und mittlere Unternehmen vergeben.
Das jüngste Darlehen, die 70 Millionen Euro schwere Armenian Economic Resilience Facility, unterzeichnete die EIB im Dezember 2022; 28 Millionen Euro davon hat sie bereits ausgezahlt. Die Zentralbank verteilt die Finanzierung aktuell auf zwölf Geschäftsbanken, die unterschiedliche Projekte unterstützen.
Wie schon bei den ersten drei Darlehen über insgesamt 150 Millionen Euro ist der bei der Notenbank angesiedelte Deutsch-Armenische Fonds (GAF) für die Abwicklung zuständig. Das Geld wird 1 200 Unternehmen erreichen und 1 500 Arbeitsplätze sichern.
45 Prozent der Fördersumme sollen in Projekte außerhalb der Hauptstadt Eriwan fließen, für grüne Projekte sind 40 Prozent vorgesehen, für Frauenförderung in der Wirtschaft 30 Prozent.
„Wir arbeiten mit Partnern wie der armenischen Zentralbank zusammen, um mehr kleine und mittlere Unternehmen mit grüner Finanzierung zu versorgen“, sagt Daniela Diedrich-Ristic, Klimawandel-Spezialistin der EIB.
„Sowohl bei den Geschäftsbanken als auch bei KMU vor Ort fehlt es aber noch am nötigen Bewusstsein; das hemmt natürlich das Wachstum von grünen Investitionen. In bestimmten Bereichen fällt es den Banken relativ leicht, Projekte zu finden, etwa bei Erneuerbaren wie Wind und Solar, bei der Energieeffizienz von Gebäuden und in der Industrie oder bei E-Autos“, sagt sie.
„Aber wir wollen das gesamte Spektrum von Klimaschutz und ökologischer Nachhaltigkeit abdecken, so wie wir diese Bereiche definieren, auch im für Armenien so wichtigen Agrarsektor. Unsere Erfahrung mit fachlicher Beratung zeigt: Wenn Banken lernen, die richtigen Projekte auszuwählen, und wenn sie fit in grüner Finanzierung werden, erreichen sie ihre ökologischen Ziele viel eher.“
Für diese Beratung stehen zusätzlich zum Darlehen 499 000 Euro zur Verfügung. Die Mittel stammen aus dem Treuhandfonds für technische Hilfe in der Östlichen Partnerschaft und dem Programm für ein grüneres Finanzsystem. Mit diesem Geld berät die EIB Banken, wie sie mit ihren Krediten gezielt grüne Projekte, soziale Teilhabe und die Digitalisierung fördern können.
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Das Beratungsprogramm konzentriert sich auch auf frauengeführte Projekte, die die Kriterien der 2X Challenge erfüllen.
„Wir zeigen den Banken, wie sie gezielt Unternehmen fördern können, die von Frauen geführt werden, einen hohen Frauenanteil in der Belegschaft haben oder Dienstleistungen für Frauen bereitstellen“, sagt Michael Steidl, Experte für technische Hilfe bei der EIB.
Arcolad erfüllt die Kriterien: Rund 70 Prozent der Belegschaft und mehr als die Hälfte der Führungskräfte sind Frauen. Mit der Finanzierung ist das Unternehmen auf 48 Beschäftigte angewachsen, und mit einer neuen Fabrik wird es die Produktion verzehnfachen.
„Der Neubau, der im Frühjahr fertig werden soll, liegt bei Eriwan“, sagt Margarita Harutyunyan. „Dort werden wir auch mehr Frauen aus den umliegenden Dörfern einstellen können.“
Veränderung liegt in der Luft
Die EIB arbeitet bereits seit 2014 mit der armenischen Zentralbank zusammen.
„Wir haben eine vertrauensvolle Partnerschaft mit der Notenbank und dem Deutsch-Armenischen Fonds. Beide wissen dank ihrer langjährigen Erfahrung genau, wie man Gelder von internationalen Finanzinstituten am besten einsetzt“, sagt EIB-Kreditreferentin Tamar Andguladze.
Armeniens Wirtschaft ist im Umbruch. „Der private Sektor ist in den vergangenen zehn Jahren immens gewachsen“, sagt Andguladze.
„Gleichzeitig ist das geopolitische Umfeld schwieriger geworden, denn Armenien kann sich nicht mehr wie bisher auf Russland als Sicherheitsgaranten verlassen“, sagt sie. „Das Reformprogramm 2021–2026 der armenischen Regierung dürfte das langfristige Wachstum ankurbeln und den Exportfokus von Russland auf andere Länder verlagern.“
Die EIB verstärkt ihre Aktivitäten in Armenien mit Unterstützung der Europäischen Kommission. Über einen besseren Zugang zu Krediten will sie die Entwicklung des privaten Sektors stärken.
Mit ihrem Vorschlag einer direkten Kooperation ist die EIB bei armenischen Banken und Mikrofinanzinstituten auf großes Interesse gestoßen. So vergibt die EIB jetzt im Rahmen eines neuen Finanzierungsprogramms auch Darlehen direkt an armenische Geschäftsbanken.
„Die Institute vor Ort waren von der Idee begeistert und wollen gern direkt mit uns zusammenarbeiten“, sagt Andguladze. „Auch die Zentralbank begrüßte unseren Vorstoß. Es ist ja auch ein klares Signal an die internationale Gemeinschaft, dass die EIB vor Ort ist und konsequent die Entwicklung des armenischen Privatsektors unterstützt.“
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