ÖPNV-Unternehmen TMB in Barcelona geht gegen sexuelle Belästigung vor
Von Tamar Shiloh Vidon und Manuela La Gamma
Als Barcelonas ÖPNV-Unternehmen Transports Metropolitans de Barcelona (TMB) mit der EIB über Kredite für neue Schienenfahrzeuge, Elektrobusse und Ladeinfrastruktur verhandelte, stellte sich heraus, dass es noch ein weiteres Problem zu lösen galt. Wie viele andere Verkehrsunternehmen musste TMB sich bei der Erstellung seiner Leitlinien für soziale Verantwortung und Chancengleichheit mit der Frage befassen, wie sich sexuelle Belästigung und Diskriminierung in seinen Bussen und Bahnen verhindern lassen.
„Ursprünglich wollten wir mit unserem Plan nur sexuellen Übergriffen gegen Frauen vorbeugen“, sagt Raquel Diaz, bei TMB für soziale Verantwortung, Frauen und Diversität zuständig. „Jetzt enthält er auch spezifische Maßnahmen gegen LGBTIQ+-feindliches Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln.“
Das Unternehmen trieb die Umsetzung des Plans weiter voran und definierte Indikatoren, um seine Wirkung zu messen. Dabei wurde es von EIB-Fachleuten und Mobilitäts- und Gendersachverständigen aus Spanien, Portugal und Deutschland beraten und von der InvestEU-Beratungsplattform finanziell unterstützt.
„TMB hatte bereits einen Plan zur Prävention von sexueller Belästigung und LGBTIQ+-feindlichen Übergriffen veröffentlicht“, erzählt Manuel Pastor de Elizalde, EIB-Experte für urbane Mobilität. „Sie waren schon weit gekommen, aber der Plan steckte noch in den Kinderschuhen.“
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Aufbau vertrauenswürdiger Meldeprozesse
Eine Umfrage der katalanischen Regierung im Jahr 2020 ergab, dass 17 Prozent aller Straftaten in der Region in öffentlichen Verkehrsmitteln stattfinden und 60 Prozent der Opfer Frauen sind. 91,6 Prozent der Frauen zwischen 16 und 25 Jahren gaben an, in öffentlichen Verkehrsmitteln belästigt worden zu sein.
„Im Gegensatz zu anderen Projekten will man bei Projekten zur Prävention von sexueller Belästigung zunächst nicht einen Rückgang der Meldungen erreichen, um zu zeigen, dass weniger Übergriffe stattfinden“, sagt Carmen Niethammer, Senior Gender Specialist bei der EIB. „Wir wollen, dass die Zahl der Meldungen steigt und das Problem gelöst wird.“
„Wir alle wissen, dass diese Dinge passieren“, so Niethammer weiter, „die Frage ist daher, wie wir das Vertrauen in die Meldeprozesse erhöhen können?“
Mit dem Thema befasste sich auch eine Umfrage der EIB, die 2023 abgeschlossen wurde.
Nutzen für die Wirtschaft
„Beim Thema Zugänglichkeit von Bus und Bahn denken wir stets an kürzere Fahrzeiten, an Barrierefreiheit oder daran, ob man eine Bushaltestelle binnen weniger Minuten erreichen kann“, sagt Floridea Di Ciommo, Leiterin des am Projekt beteiligten externen Beratungsteams. „Das sind sichtbare Kriterien. Aber wenn eine Person angegriffen oder eine junge Frau angestarrt, verbal belästigt oder sogar angefasst wird, meidet sie öffentliche Verkehrsmittel.“
Mit anderen Worten: Frauen wird durch solche Handlungen der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und damit zu Beschäftigung, Bildung und Gesundheitsdiensten verwehrt.
Die Beratungsteams bestätigten, was TMB schon früh erkannt hatte: Die Prävention von sexueller Belästigung ist nicht nur eine Frage der sozialen Verantwortung, sondern hat auch einen wirtschaftlichen Nutzen für die Gemeinschaft.
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Vorbild in Sachen Best Practice
TMB setzt bei der Prävention auf fünf Maßnahmen:
- Schaffung freundlicher, sicherer und einladender Räume
- Schulung und Sensibilisierung des Personals
- Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger
- Aufklärungsarbeit in Schulen
- regelmäßige Überprüfung der Protokolle mit den Sicherheitskräften und -organen
Das Unternehmen setzte sich regelmäßig mit den externen Beratern und EIB-Fachleuten zusammen, um die Fortschritte des Plans und die nächsten Schritte zu besprechen.
„TMB bezog auch seine Leute aus den Bereichen Sicherheit, Kommunikation, Notfälle, die Zugführer und Busfahrerinnen und Busfahrer ein“, erzählt Manuel Pastor de Elizalde.
Bereits vor dem Start des Beratungsprojekts hatte das Unternehmen in allen U-Bahnen, Zügen und Bussen seines Netzes Notrufknöpfe und Kameras installiert. Die Videoüberwachung erfolgt in Echtzeit durch Sicherheits- und Zivilschutzeinheiten, die in direktem Kontakt mit der Polizei stehen.
Auch die Beleuchtung in U-Bahn-Stationen wurde verbessert.
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Im April 2022 beteiligte sich TMB an dem Projekt „puntos violetas“ (lila Punkte) der Stadt Santa Coloma de Grammet in der Nähe von Barcelona. Im Rahmen des Projekts, das TMB als Pilotprojekt diente, wurden Sensibilisierungstage für 400 Beschäftigte mit regelmäßigem Fahrgastkontakt veranstaltet. Sie sollten lernen, auf etwaige Fälle von Belästigung oder LGBTIQ+-feindlichem Verhalten zu reagieren. An Tagen mit besonders hohem Fahrgastaufkommen wird künftig in sieben U-Bahn-Stationen an lila Punkten Hilfe angeboten.
TMB und die EU-Bank hoffen, dass der Plan zur Prävention geschlechtsspezifischer Belästigungen anderen Regionen, Städten und Verkehrsunternehmen als Modell dienen wird. „Wir wollen Barcelona als Vorbild in Sachen Best Practice etablieren“, sagt Niethammer. „Denn ein Plan zur Vorbeugung geschlechtsspezifischer Belästigung ist eine Investition in die Gemeinschaft, mit greifbarem wirtschaftlichen Nutzen. Das gilt nicht nur für Barcelona, sondern für alle unsere Projekte in der EU.“