Ein schwedisches Start-up macht Coding (auch) zur Mädchensache

Die Tech-Branche ist eine Männerbastion. Das weiß Dora Palfi, Tech-Gründerin in Schweden, aus erster Hand.

Schon früh entdeckte die gebürtige Ungarin ihre Technologieaffinität. Die führte sie später an die New York University Abu Dhabi, wo sie einen Bachelor in Neurowissenschaften und Informatik machte. In ihrem ersten Job als Entwicklerin war sie für alle nur „die Kollegin aus dem siebten Stock“. Auch heute ist sie in Tech-Kreisen oft noch die einzige Frau in der Runde.

Das Geschlechtergefälle bildet sich im frühen Teenageralter heraus. Mit 14 Jahren interessieren sich nur noch etwa zwölf Prozent aller Mädchen für Technologie, weiß Palfi. Dabei haben Jungen und Mädchen bis zum zwölften Geburtstag ein ungefähr gleich starkes Interesse an diesem Bereich.

Die Folgen illustriert Palfi anhand der Health-App von Apple, die ursprünglich keine Möglichkeit bot, den Menstruationszyklus aufzuzeichnen: „Wenn die Zukunft in der Technologie liegt, und wenn Frauen dieses Feld Männern überlassen, dann können sie die Zukunft auch nicht ebenbürtig mitgestalten.“

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imagi-Gründerinnen Beatrice Ionascu und Dora Palfi (v.l.n.r.)

An der NYU lernte Palfi dann Beatrice Ionascu kennen. Zusammen mit der Elektrotechnik-Studentin gründete sie einen Studentinnenklub für Frauen in MINT-Fächern. Als die beiden später in Schweden an ihrem Master arbeiteten, kam Palfi die Idee für ein intelligentes Accessoire, das Schritt für Schritt ins Coding einführt. 2018 gründeten Palfi und Ionascu imagi (ursprünglich imagiLabs) und bauten den ersten Prototyp des imagiCharm – das Kernprodukt des Start-ups.

Für Tech begeistern

2020 begannen die beiden mit der Vermarktung des kleinen Anhängers, der am Rucksack oder der Tasche befestigt wird. Seine 64 winzigen LED-Lichter lassen sich in Python programmieren und personalisieren – vom Lebkuchenmann bis zum springenden Basketball, das Spektrum der möglichen Designs und Animationen ist breit.

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imagiCharm wird in Python programmiert

„Viele nennen unser imagiCharm auch ‚programmierbares Tamagotchi‘ – vielleicht wegen der fast emotionalen Bindung“, mutmaßt Palfi. „Schließlich erwecken sie das Gadget gewissermaßen zum Leben.“ Über die imagi-App können Kinder ihre Codes mit der Community teilen.

Das Unternehmen konzentriert sich auf die Altersgruppe ab acht Jahren – mit dem Ziel, die Tech-Begeisterung über die Teenagerjahre zu retten. Studien von imagi ergaben, dass bereits bei einer Nutzungszeit von weniger als einer Stunde über zehn Prozent ein wachsendes Interesse an Technologie entwickeln. imagiCharms sind online erhältlich. Die Smartphone-App verbindet über 30 000 Nutzerinnen und Nutzer aus 99 Ländern.

„Wir müssen rein in die Schulen“

2022 gehörte imagi zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Mit diesem Wettbewerb fördert das EIB-Institut unternehmerische Lösungen für eine bessere Gesellschaft und Umwelt. Für Palfi erwies sich das Netzwerk anderer Gründerinnen und Gründer, zu dem sie als Finalistin Zugang erhielt, als besonders wertvoll.

Seit Kurzem spricht imagi gezielt Schulen an. In über 30 Ländern, von den Vereinigten Arabischen Emiraten bis zu den USA, stattete das Unternehmen Lehrerinnen und Lehrer mit imagiCharm-Klassensätzen aus. „Wenn wir jedes Mädchen erreichen und wirklich eine Veränderung anstoßen wollen, müssen wir rein in die Schulen“, erklärt Palfi.

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imagi richtet sich sowohl an Schülerinnen und Schüler als auch an Lehrkräfte

Black Girls Code und andere gemeinnützige Organisationen, aber auch Unternehmenspartner wie Ericsson begeistern sich für die Idee. Sie ermöglichen Fortbildungen für Lehrkräfte an wirtschaftlich benachteiligten Schulen oder in Ländern wie Mexiko, Uganda und Südafrika und spenden imagiCharms.

„Die wirkliche Innovation ist, dass Lehrerinnen und Lehrern aufspringen, weil das Gadget den Unterricht bereichert“, so Palfi. „Es muss nicht super hightech sein, aber lehrerfreundlich!“ Zusammen mit Ionascu hat sie viel Zeit in Workshops und Fortbildungen für Lehrer investiert. Damit jede Lehrkraft lernen kann, wie ein imagiCharm programmiert wird, sollen künftig Videos dazukommen und eine Educator Community aufgebaut werden.

Wendie Turner, Lehrerin in Texas, hat imagiCharm in ihrer Klasse eingeführt. Sie bestätigt, dass es ohne Coding-Vorkenntnisse zu schaffen ist. Ihren Schülerinnen und Schülern machte sie nichts vor: „imagiCharm ist auch für mich neu, lasst es uns zusammen lernen.“ Heute ist sie an ihrer Schule die Spezialistin für Medientechnologie.

Palfi hofft, dass imagiCharm künftig komplexer programmiert werden kann, um auch ältere Kinder zu gewinnen: „Wenn es uns gelingt, alle Kinder potenziell für eine Tech-Karriere zu interessieren, dann können wir die aktuelle Lücke in Europa und weltweit schließen.“