Sponsh-Technologie sammelt nächtlichen Tau – ein Segen in Zeiten von Klimawandel und Dürren
Von Chris Welsch
Lourens Boot war 2017 mit seiner Familie beim Campen in Portugal, als ihm eine Idee kam. Damals erlebte das Land einen der trockensten Sommer, die es je gegeben hatte.
Ihm war etwas aufgefallen: Obwohl es nicht regnete, war alles, was nachts draußen lag, morgens feucht vom Tau.
In dem Buch „The Blue Economy“ des belgischen Unternehmers und Autors Gunter Pauli hatte er von einem namibischen Wüstenkäfer gelesen, der Tau sammelt, um zu überleben. Das Buch enthielt lauter Ideen, wie ökologische und gesellschaftliche Probleme mit Prozessen aus der Natur gelöst werden können.
Lourens fragte sich, ob schon jemand darüber nachgedacht hatte, wie man mit Wasser aus der Luft Pflanzen bewässern oder Trinkwasser gewinnen könnte. Gerade hatte er einen Job in der Öl- und Gasindustrie aufgegeben. Er konnte sich also mit vollem Elan seiner Clean-Tech-Idee widmen. Lourens hatte auch schon für „The Ocean Cleanup“ gearbeitet, ein gemeinnütziges Projekt gegen Plastikmüll im Meer. Er wollte etwas Gutes für die Natur und für die Menschen tun.
„Ich habe gegoogelt, ob schon jemand an der Sache dran war“, erinnert sich Lourens. „Dabei tauchte immer wieder ein Name auf. Da griff ich zum Telefon.“
Dieser Name war Catarina Esteves, eine portugiesische Forscherin aus Lourens Heimat, den Niederlanden. Catarina, Dozentin an der Technischen Universität Eindhoven, hat eine Textilbeschichtung aus Polymeren entwickelt, die in der Kühle der Nacht Wassermoleküle aus der Luft aufnimmt. Am nächsten Tag, wenn es wärmer wird, gibt das Textil die Wassermoleküle wieder ab.
Aus diesem Gespräch entstand das Unternehmen Sponsh – in Anlehnung an das englische Wort Sponge für Schwamm. Sponsh ist Gewinner des Sonderpreises 2020 im Wettbewerb für soziale Innovation des EIB-Instituts. Der Preis ist mit 50 000 Euro dotiert. In dem Wettbewerb werden Unternehmerinnen und Unternehmer ausgezeichnet, die Lösungen für soziale Probleme bieten.
Für Catarina kam Lourens’ Anruf nicht überraschend. Seit sie ihre Erfindung 2013 veröffentlicht hatte, bekam sie regelmäßig Anfragen von Unternehmen und Institutionen. Alle wollten das Material kaufen oder marktreif machen. Catarina hatte jedoch nur ein paar Quadratzentimeter hergestellt. Bis zu einer Produktion im großen Maßstab war es noch ein langer Weg.
„Lourens war geduldiger als alle anderen. Er verstand, dass noch Zeit in Forschung und Entwicklung gesteckt werden musste“, meint Catarina.
Lourens investierte sein eigenes Geld, um Sponsh aufzubauen. Heute hat er ein Team von vier Vollzeitbeschäftigten, darunter zwei in der Forschung, und zwei Teilzeitkräften. Als Chief Executive steuert Lourens die Test- und Pilotprogramme von seiner Basis außerhalb Lissabons.
Anfangs bekam Sponsh staatliche Zuschüsse aus einem niederländischen Programm für Bionik-Start-ups. Bionik bedeutet, Lösungen aus der Natur auf Probleme der Menschen anzuwenden. Später erhielt Sponsh andere Zuschüsse, Darlehen und Investitionsgelder.
Wenn Sponsh sein Produkt bereits jetzt verkaufen könnte, wären nach Schätzungen von Lourens sechs Millionen Euro Umsatz jährlich drin. „Noch ist unsere Technologie nicht so weit, aber lange wird es nicht mehr dauern“, sagt er.
Sponsh entwickelt und testet Baumschutze mit speziellen Einlagen, die nachts, wenn es kalt ist, Feuchtigkeit aus der Luft ziehen. Wenn die Sonne darauf scheint, geben die Einlagen die Feuchtigkeit wieder ab und versorgen einen durstigen Jungbaum mit zehn bis hundert Millilitern Wasser pro Tag Der Baumschutz baut sich nach ein bis zwei Jahren von selbst ab.
Die Sponsh-Technologie bietet viele Vorteile: Sauberes Wasser muss nicht von A nach B transportiert werden, CO2 wird verringert und ausgetrocknete, geschädigte Landstriche werden wiederhergestellt.
Sponsh muss die stofflichen Eigenschaften nun perfektionieren und das Produkt anpassungsfähiger machen, damit es bei unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit Wasser absorbiert und tagsüber besser freisetzt. Bislang muss dafür eine Temperatur von 32 Grad herrschen.
Sponsh verwendet das Preisgeld des Wettbewerbs für Soziale Innovation für ein großes Pilotprojekt, bei dem tausend Bäume mit einem Sponsh-Baumschutz gepflanzt werden. Das Ganze ist Teil eines Renaturierungsprojekts namens AlVelAl im südspanischen Almeria. Das Projekt ist Teil der Commonland.org-Initiative, die die Wiederherstellung von 180 000 Hektar Land koordiniert. Das Preisgeld fließt in den Kauf von Produktionsausrüstung, die Herstellung der ersten Pilotbaumschutze, die Pflanzung und die Überwachung.
Für Catarina steht ihre Forschung an erster Stelle, dafür brennt sie. Es fasziniert sie aber auch, wie ihre Idee in der Praxis funktioniert. Sie hofft, dass eines Tages nicht nur Pflanzen, sondern auch Menschen damit sauberes Wasser erhalten.
„Es ist interessant zu sehen, wie ein kleines Stück behandelter Baumwolle eine Lösung für ein großes gesellschaftliches Problem sein kann.“
Weitere Informationen zum EIB-Institut und dem Wettbewerb für Soziale Innovation.