Was bedeutet das Coronavirus für den Klimaschutz? Zeigt die Antwort auf die Krise, dass auch Gefahren wie der Klimawandel beherrschbar sind? Wir haben unsere Klimaexpertin gefragt.
Die Coronakrise hat unser Leben verändert. Aber bleibt das nun so? In unserer Reihe Ändert sich jetzt alles? sprechen wir mit Expertinnen und Experten der Europäischen Investitionsbank über die Auswirkungen von Covid-19 auf die Bildung, Digitalisierung, Mobilität in Städten und Medizin – und auf unser tägliches Leben.
Was das Coronavirus für den Klimawandel und den Kampf gegen seine Ursachen bedeutet, erklärt uns Nancy Saich, Klimaexpertin bei der Europäischen Investitionsbank, der Bank der EU.
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Ändert die Coronakrise auch unseren Umgang mit der Klimakrise?
Ja, ganz klar. Und vielleicht sogar im positiven Sinn. Aber auch negative Auswirkungen sind möglich. Auf der positiven Seite steht: In der Krise haben wir gesehen, dass wir durchaus in der Lage sind, unsere Lebens- und Arbeitsweisen weltweit radikal zu ändern, wenn eine ernste Gefahr droht. Im Moment geht es um das Virus. Aber der Klimawandel ist eine viel größere Gefahr. Nach unserer drastischen Reaktion auf den Corona-Ausbruch erscheint das, was uns im Kampf gegen den Klimawandel abverlangt wird, nicht mehr so beängstigend und unerreichbar – wir wissen jetzt, wie schnell wir uns anpassen können, ob in der Wirtschaft oder im öffentlichen Leben. Auf der negativen Seite sehe ich das Risiko, dass das viele Geld, das wir für Konjunkturhilfen und Jobs brauchen, in den falschen Bereichen ausgegeben wird. Ich hoffe es nicht. In der EU wird jedenfalls gerade viel für einen „grünen“ Wiederaufbau getan. Damit könnten wir im Kampf gegen den Klimawandel einen echten Sprung nach vorne machen.
Die Regierungen schnüren enorme Konjunkturpakete, um der Wirtschaft beim Neustart nach dem Lockdown zu helfen. Sollten sich die Hilfen auf grüne Unternehmen konzentrieren?
Zunächst müssen wir verstehen, dass viele Betriebe gute Produkte herstellen und viele Arbeitsplätze schaffen, ohne grün zu sein – und dennoch dem Klima nicht schaden. Nehmen wir als aktuelles Beispiel eine Firma, die Beatmungsgeräte herstellt. Sie ist vielleicht nicht grün, aber das Produkt ist sehr wichtig. Was ich damit sagen will: Es ist nicht nötig, das ganze Geld nur über grüne Unternehmen auszuschütten. Vieles ist nicht grün und trotzdem nicht klimaschädlich. Andererseits wäre es falsch, Firmen zu unterstützen, die hohe Emissionen verursachen, aber keine Anstalten machen, daran etwas zu ändern. Meiner Meinung nach sollten wir versuchen, allen Unternehmen zu helfen, grüner zu werden. Sich nur auf grüne Unternehmen zu konzentrieren, ist kein Königsweg. Im Zuge des Wiederaufbaus sollte die gesamte Wirtschaft grüner werden.
Werden Regierungen und Investoren das Klima und die Umwelt aus den Augen verlieren, weil sie nach der Pandemie vollauf mit Rezessionsszenarien beschäftigt sind?
Zumindest besteht die Gefahr. Im Moment stehen die Menschen im Mittelpunkt, denn viele verlieren ihren Arbeitsplatz und ihre Existenzgrundlage. Da geht es natürlich erst einmal um die unmittelbare Hilfe. Solange bei Klima und Umwelt keine Rückschritte drohen, ist das in Ordnung. Wichtig ist die nächste Etappe: Wenn wir alles solider und nachhaltiger aufbauen in der Hoffnung, dem schlimmsten Rezessionsszenario zu entkommen – dann müssen wir beides gleichzeitig im Blick haben: Wiederaufbau und Klima. Draußen wird eine Menge Druck gemacht, damit Regierungen und Investoren die Themen Klima und Umwelt jetzt nicht unter den Tisch fallen lassen. Jüngere (und ältere!) Menschen haben gesehen, wie die Welt mit weniger Emissionen aussehen könnte. Und wie angenehm es wäre, in Städten mit weniger Luftverschmutzung und weniger Verkehr zu leben. Die Jüngeren schöpfen daraus vielleicht die Hoffnung, dass eine bessere Lebensweise kein Wunschtraum bleiben muss. Sie nötigen Regierungen und Investoren, sich jetzt bloß nicht aus der Verantwortung für Klima und Umwelt zu stehlen. Ich glaube aber nicht, dass das passieren wird – dafür ist der Druck zu groß.
Im Lockdown sind wir kaum noch Auto gefahren. Die Ölpreise sind im Keller. Was bedeutet das für den Klimawandel?
Das Wichtigste ist zu überlegen, wofür wir öffentliches Geld in Zukunft verwenden. Wir sollten jedenfalls nicht dort eingreifen, wo das Virus Entwicklungen in der Wirtschaft beschleunigt hat, die sowieso anstehen – ich meine den Abschied von den fossilen Brennstoffen. Die Ölpreise sind eingebrochen, weil wir weniger Auto gefahren sind. Der französische Präsident Macron sagte letzte Woche, Frankreich müsse nun auf Elektroautos setzen. Mit diesem Kurs könnte es uns gelingen, uns schneller vom Öl und von fossilen Brennstoffen zu verabschieden.