Im Kampf gegen Corona erweisen sich neue Diagnosegeräte als äußerst wertvoll
Die Europäische Investitionsbank hat in den letzten Jahren mehrere Unternehmen finanziell unterstützt, die derzeit rund um die Uhr an einer Lösung zum Nachweis des neuartigen Coronavirus arbeiten.
Wir stellen zwei von ihnen vor: Curetis und Mobidiag.
Mobidiag entwickelt und produziert Tests und Geräte zur Diagnose von Infektionskrankheiten. Die Europäische Investitionsbank hat zwei Finanzierungen an das Unternehmen vergeben: 2016 einen Kredit über 15 Millionen Euro im Rahmen der InnovFin-Fazilität „Infektionskrankheiten“ und 2019 eine Quasi-Eigenkapital-Finanzierung über 25 Millionen Euro, die durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen besichert ist.
Mit dem Geld konnte Mobidiag zwei Diagnosegeräte entwickeln und produzieren: Novodiag, ein kleines On-Demand-Gerät für den Einsatz am Behandlungsort, und Amplidiag, ein größeres Gerät für Hochdurchsatz-Screenings im Labor.
Ganz klar also, dass das in Finnland und Frankreich tätige Unternehmen seine volle Aufmerksamkeit nun auf die Entwicklung neuer Diagnosetools für das Coronavirus richtet, die weltweit am dringendsten benötigt werden.
„Wir brauchen Diagnosetools, die das neuartige Virus schnell nachweisen können. Unser Unternehmen unterstützt diesen Kampf und arbeitet bereits an einem eigenen Testverfahren“, so Tuomas Tenkanen, CEO von Mobidiag.
Einfache Bedienung
Das Unternehmen bezeichnet seine Testplattform als „Random Access“-Lösung. Das heißt, im Grunde kann jeder das Gerät bedienen – auch ohne Diagnostik-Ausbildung. Solche frei zugänglichen Plattformen werden immer wichtiger, weil immer mehr Personal für die Tests benötigt wird. Mit Novodiag ist der Test ganz simpel: Per Pipette eine Probe in die Kartusche geben, Kartusche in das Gerät einsetzen und Knopf drücken. Fertig.
„Es besteht ein großer Bedarf an Geräten mit geschlossenen Kartuschen, mit denen auch ungeschulte Personen den Test in entsprechender Schutzkleidung durchführen können“, erklärt Tenkanen.
Mobidiag vermarktet in Europa bereits einen Test zum Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2, das Covid-19-Infektionen verursacht. Das Verfahren hat sein chinesischer Partner Autobio Diagnostics entwickelt. Der Antikörpertest dürfte mit weiterer Ausbreitung des Coronavirus an Bedeutung gewinnen, weil sich damit nicht nur feststellen lässt, ob ein Patient aktuell Virusträger ist, sondern auch, ob er früher schon einmal infiziert war. Aus Studien geht hervor, dass viele Menschen das Virus möglicherweise schon in sich getragen haben – ohne Symptome. Antikörpertests sind deshalb so wichtig, weil sie zeigen, wie sich das Virus ausbreitet und wie dagegen vorgegangen werden könnte. In den kommenden Wochen wird Mobidiag alles daran setzen, um mit seinen Testgeräten Novodiag und Amplidiag das Virus zuverlässig nachzuweisen.
„Die Lage ist äußerst ernst. Alle Unternehmen unserer Branche müssen jetzt schnell handeln“, betont Tenkanen.
Auvo Kaikkonen, Experte für Biowissenschaften bei der Europäischen Investitionsbank, hat die Entwicklungen bei Mobidiag und anderen Unternehmen verfolgt. Seiner Ansicht nach spielt die Diagnostik heute und in Zukunft bei der Bekämpfung von Pandemien wie Corona eine besonders große Rolle.
„Wir haben die Entwicklung von In-vitro-Testplattformen und ‑geräten unterstützt und Europa damit in diesen schwierigen Zeiten einen wichtigen Dienst erwiesen. Demnächst werden wir daneben auch neue Verfahren fördern, mit denen diejenigen identifiziert werden können, die die Krankheit schon hatten und nun immun sind. Solche Informationen werden ganz erheblich die Entscheidung beeinflussen, wann die derzeitigen Ausgangsbeschränkungen und Isolationsvorschriften gelockert werden können“, so Kaikkonen.
Kampf gegen das Virus und andere Infektionen
Auch das deutsche Molekulardiagnostikunternehmen Curetis hat finanzielle Hilfe von der EIB erhalten. Sein neues System Unyvero deckt den gesamten Workflow von der Probe bis zum Ergebnis ab und liefert für verschiedene Arten von Proben sehr schnell äußerst genaue Testergebnisse.
„Das Gerät ist ganz einfach zu bedienen. Der Test dauert nur zwei Minuten und eignet sich für jede Art von Probe“, versichert Oliver Schacht, CEO von Curetis. Das Besondere an der Plattform ist ihre Vielseitigkeit: Sie eignet sich für Proben von Atemwegssekreten, Blutkulturproben von Gelenkinfektionen sowie Sputumproben. „Der Test funktioniert mit jeder beliebigen nativen Probe. Nach der Eingabe wird das Material in der Kartusche – einem richtigen molekulardiagnostischen Minilabor – vollautomatisch analysiert. Und in einem einzigen Durchgang werden 40 bis 130 verschiedene Parameter wie bakterielle und pilzliche Krankheitserreger sowie antimikrobielle Resistenzmarker ausgelesen.“
Das Ergebnis liegt nach etwa vier bis fünf Stunden vor. Derzeit entwickelt das Unternehmen eine kleinere Version des Geräts, die schneller arbeitet und je nach Art der Probe bis zu 30 Marker in nur 45 bis 90 Minuten auslesen kann.
Ende 2016 stellte die Europäische Investitionsbank Curetis eine Quasi-Eigenkapital-Finanzierung über 25 Millionen Euro bereit, die durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen besichert ist. Zu Beginn des Projekts ging es Curetis vor allem darum, die richtigen Antibiotika für die Behandlung bakterieller Infektionen zu ermitteln. So lässt sich vermeiden, dass Ärzte Patienten mit den falschen Antibiotika behandeln, da dies zur Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien beiträgt. Auch wenn Antibiotika das Virus selbst nicht bekämpfen, erweist sich die Plattform von Curetis bei der Behandlung vieler Coronavirus-Patienten aktuell als unentbehrlich.
„Die Intensivstationen nehmen immer mehr Schwerstinfizierte auf, von denen viele beatmet werden müssen. Bei solchen Patienten kommt sehr oft eine bakterielle Lungenentzündung hinzu“, sagt Schacht. Er zitiert aktuelle Studien aus China, wonach bis zu 50 Prozent aller Corona-Todesfälle auf Sekundärinfektionen wie eine bakterielle Lungenentzündung oder Blutvergiftung zurückzuführen waren.
Solche Sekundärinfektionen sind hauptsächlich durch die Beatmungsgeräte bedingt. Aus Studien geht hervor, dass Beatmungsgeräte die Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Lungenentzündung erhöhen. Krankenhäuser sind ein Tummelplatz für Bakterien, die über Beatmungsgeräte besonders leicht in den Körper gelangen. Das führt zu nosokomialen Infektionen, den sogenannten Krankenhausinfektionen. Ein weiterer Faktor ist das schwache Immunsystem: Steht der Körper unter enormem Stress, etwa um gegen das Coronavirus anzukämpfen, ist er anfälliger für andere Infektionen.
„Mit der Geräteplattform von Curetis lassen sich alle verschiedenen Bakterien, Antibiotikaresistenzmarker und Pilze in einem Durchgang testen. Anhand der Ergebnisse kann der Arzt dann die geeignete Antibiotika-Mischung für den Patienten auswählen. Antibiotika wirken zwar nicht gegen das Virus, können aber in der richtigen Zusammensetzung gezielt gegen Bakterien eingesetzt werden“, so Schacht.
Curetis prüft auch, ob sich der Coronatest in seine Lungenentzündungskartusche integrieren lässt. „Die WHO und die wissenschaftliche Gemeinschaft haben den globalen FuE-Akteuren die Sequenzierung des Coronavirus zur Verfügung gestellt, sodass wir bereits eigene Tests zum Nachweis des Virus entwickeln konnten. Wir validieren sie jetzt intern, nur für Forschungszwecke“, erklärt Schacht.
Laut Yu Zhang, bei der Europäischen Investitionsbank für Innovationsfinanzierungen zuständig, ist die Diagnostik nur einer von vielen Bereichen, die die Bank im Gesundheitswesen fördert. Die EIB hält weiterhin nach neuen Projekten Ausschau. „Wir sind mit mehreren Unternehmen in Kontakt, die im Kampf gegen Covid-19 mit Impfstoffen oder Medikamenten wirklich etwas erreichen könnten, und setzen alles daran, dass unser Geld die aussichtsreichsten Kandidaten schnell erreicht.“