Wichtige Investitionen in biotechnologische und medizinische Lösungen gegen die Pandemie
Covid-19 ist heimtückisch. Symptomlos schleicht sich das Virus in die Bevölkerung ein. Manchmal verkleidet es sich als gewöhnliche Erkältung oder Allergie. Wenn es uns gelingt, diesen Eindringling durch gute Tests aufzuspüren, ihm durch Impfstoffe den Garaus zu machen und innovative Medikamente zur Heilung zu finden, ist die Pandemie vorbei.
Die Europäische Investitionsbank unterstützt Dutzende Unternehmen, die rund um die Uhr genau daran arbeiten. Das Mainzer Unternehmen BioNTech ist bei diesem Wettrennen in Führung gegangen. Im Juni 2020 unterzeichnete die Bank der EU mit der Firma einen Vertrag über 100 Millionen Euro. Hinter solchen Finanzierungen stehen Initiativen wie InnovFin und der Europäische Fonds für strategische Investitionen, die innovative, risikoreichere Projekte fördern.
Gergely Krajcsi, der bei der Europäischen Investitionsbank an der BioNTech-Finanzierung mitgearbeitet hat: „Unser bestes Mittel im Kampf gegen Corona sind Kredite an Unternehmen, die neue Impfstoffe, Medikamente oder Diagnostika entwickeln. Wir haben BioNTech mit ganzer Kraft unterstützt, denn eins ist klar: Von allein verschwindet das Virus nicht.“
Gleich als die Krise ausbrach, begann die Europäische Investitionsbank, Lösungen für das Gesundheitswesen und die Wirtschaft zu erarbeiten. Bei ihrer finanziellen Hilfe für Biotechnologie- und Medizinunternehmen konzentriert sich die Bank auf Impfstoffe, Therapien und Diagnostika. Das Ziel: Infektionen aufspüren, die Ausbreitung der Krankheit stoppen und Kranke versorgen.
Im April genehmigte die Bank neue Finanzierungen von fünf Milliarden Euro für dringende Covid-19-Hilfe im Gesundheitswesen und für medizinische Innovation. Seither sagte die EIB rund 1,2 Milliarden Euro für mehr als 40 Projekte von Biotechnologie- und Medizinunternehmen zu. Damit ist sie im Kampf gegen Covid-19 ganz vorn dabei.
Die Europäische Investitionsbank unterstützt auch globale Programme zur Verteilung von Covid-19-Impfstoffen, vor allem in Entwicklungsländern. Kürzlich genehmigte die Bank 400 Millionen Euro für COVAX, eine globale Initiative für einen gerechten Zugang zu Impfstoffen, an der sich Hunderte Länder, Unternehmen des Privatsektors und philanthropische Organisationen beteiligen.
Gezielte Covid-19-Hilfe für Unternehmen
Zu Beginn der Krise fragte sich die Bank, welche Firmen zusätzliche Hilfe benötigen würden. Dazu nahm sie ihr bestehendes Darlehensportfolio, aber auch neue Unternehmen unter die Lupe. Zwei Kandidaten kristallisierten sich heraus: BioNTech und CureVac. Die EIB war das erste Finanzinstitut, das die Coronaforschung von BioNTech unterstützte. Gleichzeitig erhielt auch das auf seltene Krankheiten spezialisierte CureVac im Juli von der EIB 75 Millionen Euro für den Ausbau seiner Produktionskapazitäten in Tübingen.
CureVac und BioNTech setzen bei ihren Vakzinen auf eine Technologie, die bisher bei kommerziellen Impfstoffen noch nicht verwendet wird. Das könnte der Durchbruch für künftige Impfstoffe sein. Bei dieser Methode wird nicht ansteckende Boten-RNA, die Erbinformationen des Virus enthält, in Muskelzellen gespritzt. Der Impfstoff bringt die Zellen dazu, ein Protein zu produzieren, das den Spikes des neuen Coronavirus ähnelt. Daraufhin bildet das Immunsystem Antikörper und aktiviert T-Zellen, die das Virus im Ernstfall bekämpfen.
Anna Lynch, Expertin für Biowissenschaften bei der Europäischen Investitionsbank: „Messenger-RNA-Impfstoffe können schnell angepasst werden, wenn das Virus mutiert. Bei den Vakzinen von CureVac und BioNTech geht das innerhalb weniger Wochen, wenn nötig.“
Private Investoren halten sich bei Impfstoffen meist zurück, weil der Erfolg schwer vorhersehbar ist. Die Finanzierung der Bank für BioNTech und CureVac zeigt, wie wichtig Risikomittel einer öffentlichen Bank für Unternehmen sind, die im Bereich Infektionskrankheiten forschen, bestätigt Cristina Niculescu, ebenfalls Expertin für Biowissenschaften bei der EIB. Ebola, SARS und Covid-19 – sie alle waren ein Weckruf, in die Pandemiebereitschaft zu investieren. Dank zunehmender privater und öffentlicher Mittel liegen weltweit mehr als 200 Impfstoffkandidaten gut im Rennen. Mehrere von ihnen dürften noch vor Jahresende die Genehmigung erhalten.
Niculescu weiter: „Die EIB will einigen vielversprechenden Kandidaten helfen, zügig in die Massenproduktion zu gehen, damit sie dann weltweit verfügbar sind. Bis dahin brauchen wir therapeutische Lösungen, um die vielen stationären Patientinnen und Patienten vor einem schweren Verlauf zu bewahren.“
Özlem Türeci, die den Bereich Medizin bei BioNTech verantwortet, sieht im frühen Erfolg ihres Impfstoffs nun Anlass zur Hoffnung: „Die Pandemie ist damit zwar sicher nicht vorbei, aber mit dem Vakzin ist Licht am Ende des Tunnels sichtbar.“
Therapien werden immer gebraucht
Zu den wichtigsten Unternehmen, die Coronatherapien erforschen und Kredite von der EIB bekommen, gehören Atriva, Immunic, Pluristem und AB Science. Mit ihren Medikamenten werden Menschen behandelt, die mit einer schweren Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus liegen.
Atrivas aussichtsreichster Arzneimittelkandidat ATR-002 soll die Viruslast von RNA-Viren wie Covid-19 und Influenza verringern und die Ausbreitung schwerer Atemwegsinfektionen verhindern. Das Medikament in Tablettenform hat in präklinischen Studien vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Es könnte die dringend benötigte Hilfe für stationäre Patientinnen und Patienten mit Coronavirus-Symptomen bringen.
Das Corona-Medikament von Atriva wirkt an zwei Fronten: Es stoppt die Vermehrung des Virus und verhindert eine Überreaktion des körpereigenen Immunsystems. „Diese Doppelwirkung dürfte äußerst effektiv sein“, meint Olaf Althaus, Finanzvorstand des Unternehmens, das im Oktober von der EIB 24 Millionen Euro bekam. „Wir sind sehr optimistisch, dass ATR-002 gegen die Pandemie hilft.“ Atriva will ein antivirales Breitbandmedikament entwickeln, das auch gegen weitere Mutationen von Covid-19 und neue RNA-Viren wirkt.
Im Oktober gingen außerdem 24,5 Millionen Euro an Immunic, das an einem ähnlichen Medikament arbeitet: IMU-838. Dieses Mittel, ebenfalls in Tablettenform, hat ein breite antivirale Wirkung. IMU-838 wird gerade in einer Phase-2-Studie an stationären Covid-19-Erkrankten mit mittelschwerem Verlauf getestet. Auch die Wirkung gegen chronisch entzündliche und Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose wird derzeit untersucht.
„Schon als Corona im Februar pandemische Ausmaße erreichte, kam uns die Idee, dass unser Medikament gegen das Virus helfen könnte“, erklärt Hella Kohlhof. Die Immunologin und Onkologin ist Chief Scientific Officer von Immunic. „Wir wussten aus präklinischen Experimenten, dass es bereits gegen Hepatitis C, HIV und noch ein paar Viren wirkt.“
Was als zusätzliches Projekt begann, hat für Immunic inzwischen absolute Priorität. „Wir hatten wirklich das Gefühl, etwas tun zu müssen“, bekräftigt Kohlhof. „Das Medikament war ja da, und wir wussten, dass es funktionieren könnte. Da konnten wir doch nicht die Hände in den Schoß legen.‘“
IMU-838 von Immunic mindert den Schweregrad von Infektionen wie Covid-19 auf mehreren Wegen. Es verhindert die Virusvermehrung, regt das Immunsystem an und kann zudem eine Überreaktion bei schweren Infektionen verhindern.
Das Produkt von Immunic gibt den Zellen im Körper Anweisungen. „Wenn ein Virus die Zellen in unserem Körper infiziert und sich vermehren will, dann sagen die Zellen ganz nett: ‚Kein Problem, wir schalten um und helfen dem Virus‘“, erläutert Kohlhof. „Und plötzlich sind da massenhaft Zellen, die das Virus-Erbgut kopieren. Das Virus kapert sozusagen unsere Zellen. IMU-838 blockiert diesen Mechanismus und hemmt dazu das Enzym, das die Produktion der ‚netten‘ Bausteine unterstützt. Es ist perfekt: IMU-838 blockiert nur die infizierten Zellen, nicht die anderen.“
AB Science bekam im November 15 Millionen Euro für die klinische Entwicklung von Masitinib. Das Medikament in Pillenform hat möglicherweise antivirale und entzündungshemmende Wirkung. Es könnte vor allem Menschen mit lebensbedrohlichen Covid-Erkrankungen helfen, darunter gegen den sogenannten Zytokinsturm, eine Überreaktion des Immunsystems auf die Infektion. Yu Zhang, Experte für Biowissenschaften und Biotechnologie bei der Europäischen Investitionsbank, erläutert dazu: „Die Forschungsergebnisse von AB Science könnten gegen Entzündungskrankheiten, neurodegenerative Erkrankungen, Infektionskrankheiten und Krebs helfen. Deshalb ist es gut möglich, dass wir das Unternehmen künftig noch öfter unterstützen.“
Die in der Therapieentwicklung tätigen Unternehmen hoffen, dass ihre Forschung gegen viele unterschiedliche Krankheiten hilft. Medikamente werden immer gebraucht, so viel steht fest. Auch wenn es irgendwann Impfstoffe gibt.
„Erstens will nicht jeder geimpft werden“, weiß Althaus von Atriva. „Zweitens wird es immer Fälle geben, bei denen die Impfstoffe nicht wirken oder nicht eingesetzt werden können. Auch nach der Einführung des Airbags werden noch Krankenwagen benötigt.“
Plazentazellen in der Therapie
Das israelisch-deutsche Unternehmen Pluristem, das im April mit der EIB einen Vertrag über 50 Millionen Euro unterzeichnete, geht einen anderen Weg. Zur Behandlung schwerer Infektionen setzt die Firma Plazentazellen ein, die stärksten Zellen im menschlichen Körper.
Pluristem züchtet die Zellen in einem 3D-Bioreaktor, der die Bedingungen im menschlichen Körper nachahmt. Sie werden dem Patienten injiziert und helfen dem Organismus, sich selbst zu regenerieren. Mit dieser Methode lassen sich Corona-Erkrankte mit Komplikationen wie Lungenhochdruck, Lungenfibrose oder akuten Nierenschäden und Magen-Darm-Störungen behandeln.
Für das Verfahren wird die Plazenta von Frauen unter 35 Jahren verwendet, die einen reif geborenen, gesunden Säugling per Wunschkaiserschnitt zur Welt gebracht haben. „Mit diesen Zellen können wir anderen Menschen helfen“, sagt Auvo Kaikkonen, Experte für Biowissenschaften bei der Bank.
Ganz wichtig: Testen
Aus den Covid-19-Lockdowns haben wir unter anderem gelernt, wie wichtig es ist, die Ausbreitung der Krankheit zu verfolgen. Schon vor der Pandemie förderte die Europäische Investitionsbank zwei Molekulardiagnostik-Unternehmen: Mobidiag, das in Finnland und Frankreich tätig ist und moderne Testverfahren erforscht, und Curetis aus Deutschland, dessen Plattform die richtigen Antibiotika zur Behandlung bakterieller Sekundärinfektionen ermittelt und damit für die Behandlung vieler Corona-Erkrankten unverzichtbar ist.
Die jüngste Investition der Bank in der Branche ist Scope Fluidics aus Polen. Das Unternehmen hat einen Schnelltest für virale Krankheitserreger und Bakterien entwickelt. PCR|ONE identifiziert in nur 15 Minuten vollautomatisch bis zu 20 Krankheitserreger und medikamentenresistente Bakterien. Da das System sehr genau ist, müssen Ärztinnen und Ärzte nicht mehr tagelang auf Covid-Testergebnisse warten. Außerdem kann damit häufiger getestet werden.
„Das Beste an unserem Test ist die Geschwindigkeit“, freut sich Piotr Garstecki, CEO von Scope Fluidics. „Das ist das wichtigste daran. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.“
Von der EIB bekam das Unternehmen dafür im September einen Kredit über zehn Millionen Euro. Aktuell sind Corona-Schnelltests meist noch ungenau, weil sie auf Antikörper testen. Das Problem ist, dass sich manche Menschen zwar schon angesteckt, aber möglicherweise noch keine Antikörper gebildet haben. Das kann das Ergebnis verfälschen. Die Genauigkeit des PCR-Tests von Scope Fluidics liegt bei fast 100 Prozent.
„Die Nachfrage nach solchen Geräten ist groß“, bestätigt Anna Stodolkiewicz, Kreditreferentin bei der Europäischen Investitionsbank. „Der PCR-Test ist kompakt und kann überall eingesetzt werden, auf Flughäfen, Bahnhöfen, wo auch immer.“
Die Tests werden auch dann noch wichtig sein, wenn schon ein Impfstoff auf dem Markt ist. Ein Großteil der Bevölkerung wird bei der ersten Impfrunde nicht dabei sein. Folglich dürfte uns das Virus noch eine ganze Weile begleiten. Scope Fluidics will seinen Schnelltest noch vor Jahresende von den europäischen Regulierungsbehörden genehmigen lassen. Während Europa unter der zweiten Coronawelle ächzt und in den Vereinigten Staaten die Zahl der Infizierten explodiert, kommt es mehr denn je darauf an zu wissen, wer ansteckend ist und wer nicht.
Garstecki dazu: „Selbst Massentests sind aus wirtschaftlicher Sicht besser als ein Lockdown.“