Die Entwicklungsländer möchten unbedingt an der digitalen Entwicklung teilhaben. Wir helfen ihnen dabei.
Von Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank
Was bedeutet das Internet für Sie? Womöglich denken Sie dabei zunächst an E-Mails und die sozialen Medien. Oder an Filme und Musikstücke, die man aus dem Internet herunterladen kann. Und natürlich an Online-Shops und Bankgeschäfte, jeweils mit teurer Sicherheitssoftware. Führen Sie sich einmal vor Augen, wie Ihr Job noch vor 20 Jahren ausgesehen hat. Zweifelsohne hat er sich durch die digitale Kommunikation von Grund auf verändert. Vielleicht gab es ihn auch noch gar nicht, bevor die Industrieländer das Internet für sich entdeckten.
Stellen Sie sich nun eine Welt vor, in der es all das nicht mehr gäbe. Kein Smartphone, keine Apps, kein Internet. Ich denke, Sie könnten sich durchaus wieder daran gewöhnen, das Fernsehprogramm nach Ihrer Lieblingssendung zu durchstöbern. Doch der ganze Zeitaufwand für das Warten auf den Postboten oder in der Schlange vor dem Bankschalter wäre mit enormen wirtschaftlichen Kosten verbunden. Übertragen auf die Entwicklungsländer erhöhen sich diese wirtschaftlichen Kosten um ein Vielfaches.
Das Internet ist ein entscheidender Faktor für den künftigen Wohlstand der Entwicklungsländer. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara haben 240 Millionen Menschen keinen Internetzugang. Damit bleibt ihnen weit mehr als nur der Zugang zu den Diensten und Anwendungen des Internets versperrt. In Entwicklungsländern ersetzen Breitbandzugänge häufig die fehlende physische Infrastruktur und fehlende Verkehrsverbindungen. Über das Internet erhalten Menschen, die keine Bank in Reichweite haben, darüber hinaus Zugriff auf Finanzdienstleistungen. Sie können über ihren PC oder ihr Mobiltelefon Zahlungen tätigen. Dasselbe gilt für Dienste in den Bereichen Landwirtschaft, soziale Sicherheit, Gesundheit und Bildung.
Deshalb steht der weltweite Zugang zum Internet seit Langem auf der Prioritätenliste Europas und der USA. Mitte April traf ich mich mit den Chefs anderer internationaler Finanzinstitutionen in Washington, um unser Finanzierungsangebot, unsere Erfahrung und unser Fachwissen in ein großartiges neues Programm einzubringen: die sogenannte Global Connect Initiative, die von US-Außenminister John Kerry auf der Frühjahrstagung der Weltbank und des IWF ins Leben gerufen wurde. Ziel der Initiative ist es, dass 1,5 Milliarden Menschen, die bislang noch offline sind, bis 2020 Zugang zum Internet erhalten. Multilaterale Entwicklungsbanken sollen gemeinsam dafür sorgen, dass Investitionen in die Kommunikationsinfrastruktur der Entwicklungsländer für Privatinvestoren attraktiv werden. Das ist eine schwierige Aufgabe, aber wir werden alle davon profitieren.
Digitalisierung ist teuer
Die Entwicklungsländer können ihren Eintritt ins digitale Zeitalter nicht selbst stemmen. Die finanziellen Hürden sind einfach zu hoch. Bereits seit 20 Jahren finanziert die EIB Projekte im Bereich Telekommunikationsinfrastruktur – vor allem in Europa. Derzeit beläuft sich das Engagement in dem Sektor auf über 17 Milliarden US-Dollar. Die EIB ist somit einer der weltweit größten Geldgeber in diesem Bereich. Seit 2008 haben wir insgesamt 22 Milliarden US-Dollar für den Aufbau von Infrastruktur und für Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI) in den Bereichen Breitband, Kommunikationstechnologie und digitale Inhalte bereitgestellt. Europa muss jedoch jährlich 74 Milliarden US-Dollar investieren, um seinen Rückstand gegenüber den USA beim Breitbandzugang, bei den Datenverarbeitungskapazitäten und bei der Internetsicherheit aufzuholen. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie hoch der Rückstand der Entwicklungsländer ist.
Wir müssen Partnerschaften eingehen, die auf dem von uns geschaffenen Fundament aufbauen. Nur so können wir die massiven Investitionen durchführen, die die Entwicklungsländer so dringend benötigen. Als Partner kommen multilaterale Entwicklungsbanken, Regierungen und andere internationale Einrichtungen in Frage, aber auch private Investoren. Denn so sehr sich öffentliche Investoren auch anstrengen mögen, der weltweite Zugang zum Internet bleibt ohne privates Kapital ein unerreichbares Ziel. Nicht nur die Zusammenarbeit der öffentlichen Investoren ist wichtig für den Erfolg der Initiative, sondern es müssen auch private Investoren mobilisiert werden.
Digitalisierung mithilfe des Breitbandinvestitionsfonds
Dies war eines der wichtigsten Diskussionsthemen an der April-Tagung in Washington. Nur mit vereinten Kräften lässt sich ein globaler Internetzugang herstellen. Die Partnerschaften, die wir auf diesen wichtigen Tagungen eingegangen sind, werden uns dabei helfen, den angestrebten Internetzugang für 1,5 Milliarden Menschen zu verwirklichen.
Wir bei der EIB sind der Meinung, dass wir dafür einen guten Rahmen gefunden haben. Wir richten gerade eine neue Fazilität ein, den sogenannten „Breitbandinvestitionsfonds“. Damit wollen wir öffentliche und private Mittel bündeln und Investitionen von 570 Millionen US-Dollar in kleine Breitbandprojekte – hauptsächlich für Infrastruktur in ländlichen Gebieten – ermöglichen. Letztlich könnte eine solche Fazilität auch für die Entwicklungsländer eingesetzt werden. Wir werden zusammen mit anderen multilateralen Banken, internationalen Institutionen und nationalen Regierungen weitere Projekte aufspüren. So werden wir sicherstellen, dass mit Hilfe begrenzter öffentlicher Mittel genügend private Geldgeber mit an Bord geholt werden.
Einstweilen gibt es jedoch noch anderes zu tun. Die Regulierung muss gelockert werden, damit Investitionshindernisse beseitigt werden und jene Stabilität und Planbarkeit entsteht, die private Investoren benötigen. Die digitale Kluft lässt sich nur über einen fairen Wettbewerb schließen. So sollten zum Beispiel die Telekomlizenzen transparent versteigert werden, um den Markteintritt neuer Akteure und innovative technologische Lösungen zu fördern.
Stellen Sie sich die Welt als ein soziales Netzwerk vor. Dessen Wert steigt exponentiell mit der Anzahl seiner Mitglieder, da Sie mit all Ihren Freunden und Geschäftskontakten kommunizieren möchten. Das ist aber nicht möglich, wenn diese nicht angemeldet sind. Deshalb laden Sie Ihre Kontakte per E-Mail in das Netzwerk ein. Es ist an der Zeit, dass die reichen Nationen den Entwicklungsländern solche Einladungen schicken. Die Entwicklungsländer jedenfalls sind bereit, sich anzumelden. Wir müssen ihnen nur zeigen, worauf sie klicken müssen.
(Eine Fassung dieses Gastkommentars erschien erstmals in Newsweek)