Schwedischer Medienkonzern hinter „Kommissar Beck“ und „Kommissar Wallander“ strebt stärkere digitale Präsenz an
Stellen Sie sich einen Skilangläufer im Ruhestand vor, der mit einem Olympiasieger im Wrestling im Ring steht, mit einem ehemaligen Grand-Slam-Sieger Tennis spielt oder mit einem Stanley-Cup-Gewinner den Eishockeyschläger schwingt. Und was halten Sie von einer Komödie, in der ein passionierter Pfarrer in eine Kirchengemeinde in einer verschlafenen Kleinstadt versetzt wird? Oder von einer Spielshow, deren Teilnehmer Antiquitäten begutachten müssen, um über Top oder Flop zu entscheiden? Klingt das nach erfolgreichen Fernsehformaten? Für Bonnier AB schon.
Tatsächlich erzielten diese Sendungen in der vergangenen Woche in Schweden die höchsten Einschaltquoten auf den Sendern von Bonnier. Daran zeigt sich, dass trotz des Erfolgs globaler Medienunternehmen wie Amazon und Netflix weiterhin eine hohe Nachfrage nach lokalen Inhalten besteht, sofern diese bequem auf digitalen Geräten bereitgestellt werden.
Deshalb nahm Bonnier vor Kurzem ein Darlehen bei der Europäischen Investitionsbank in Höhe von 100 Millionen Euro auf, um moderne digitale Plattformen und skandinavische Inhalte zu entwickeln. „Unser Geschäft sind Journalismus, Know-how und richtig gute Stories. Stories, die Verbraucher jeder Art anlocken“, erklärt Carl-Johan Bonnier, Chairman des Verwaltungsrats des Unternehmens. „Daran wird sich auch nichts ändern. Es ändert sich nur der Weg, über den wir den Verbraucher erreichen. Hier sind mobile Plattformen auf dem Vormarsch. Dies bringt Herausforderungen, aber auch große Chancen mit sich.“
Für das Darlehen besteht eine Garantie des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), der Teil des Investitionsplans für Europa ist. Der Fonds finanziert Projekte in vorrangigen Bereichen, insbesondere Investitionen in Innovationen.
Digitale Medien mit mehr Lokalkolorit
„Immer mehr Menschen sprechen Englisch. Deshalb haben die Skandinavier kein Problem damit, sich international produzierte Filme in der Originalfassung anzuschauen“, erläutert Anders Bohlin, stellvertretender volkswirtschaftlicher Berater in der Abteilung Digitale Wirtschaft der Direktion Projekte der EIB. „Die Menschen möchten aber weiterhin auch einheimische Talente und nicht nur Hollywood-Stars sehen. Und Sendungen, die vor einheimischer Kulisse gedreht wurden. Einfach mehr Natur, vielleicht auch mehr Schnee – die raue Landschaft eben.“
Anders Bohlin stammt aus Sundsvall, einer Kleinstadt an der schwedischen Ostseeküste, und meint, dass sich am Lichteinfall ganz einfach sagen lässt, ob ein Krimi in Schweden gedreht wurde oder nicht.
In Schweden produzierte Fernsehsendungen haben jüngst internationale Erfolge gefeiert. Nicht nur die Schweden selbst haben also eine Schwäche für diese kreativen Produktionen, die potenzielle Exportschlager sind. Die von der Bonnier-Gruppe produzierte Krimiserie „Beck“ – im Stil des „Nordic Noir“ – wird auf BBC in Großbritannien ausgestrahlt und ist auch in Deutschland sehr beliebt.
Mit den digitalen Medien entfernt sich Bonnier weit von seinen Wurzeln. Das Unternehmen wurde vor 200 Jahren als Buchverlag gegründet. Seine Autorenliste war beeindruckend und umfasste die Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf und den Dramatiker August Strindberg. Die Einnahmen aus dem Print-Geschäft, insbesondere aus der Printwerbung, sinken. Daher müssen Medienunternehmen mehr Einnahmen aus dem digitalen Geschäft erwirtschaften. Bonnier strebt bis 2020 einen Umsatzanteil von 50 Prozent aus dem Digitalgeschäft an. Die Prognose für dieses Jahr lag bei 20 Prozent. Dabei geht es um Hörbücher und E-Books, digitale Nachrichten und Zeitschriften, Online-Sendungen und -Videos sowie um E-Learning- und sonstige Online-Dienstleistungen.
Bonnier bleibt gelassen
Überall wird der Zugang zu digitalen Inhalten immer leichter. Deshalb gewinnen globale Medienproduzenten, die ihren Größenvorteil ausspielen, auch immer mehr lokale Zuschauer, die bislang auf die Programmauswahl ihres Fernsehgerätes beschränkt waren. So kündigte Netflix in dieser Woche an, einheimische Sendungen in Polen produzieren zu wollen. In der Folge werden sich einige lokale Medienunternehmen auf andere Gebiete wie z. B. Online-Kleinanzeigen verlegen. Bonnier setzt jedoch weiter auf das Mediengeschäft, das es immer noch für lukrativ hält, vorausgesetzt, die Kunden bekommen das, was sie möchten – auf der Plattform, die sie bevorzugen.