Erstes Forum der EIB-Gruppe drängt angesichts der weltweiten Krisen auf schnelle und einfache Investitionen in saubere Technologien
Europa braucht schnell und auf kurzem Wege hohe Summen für den Ausbau sauberer Technologien. Nur so können wir unsere Klimaziele erreichen, die Energieversorgung sichern und verhindern, dass Wettbewerber in aller Welt uns die besten Ideen wegschnappen. Eine große Aufgabe! Aber die grüne Wende ist auch eine große Chance für Investoren.
Die Podiumsgäste auf dem ersten Forum der EIB-Gruppe umrissen ihre Antworten auf die globale „Polykrise“ des letzten Jahres durch den russischen Angriff, steigende Inflation und hohe Energiepreise. Für die meisten, die an den zwei Tagen in Luxemburg dabei waren, sind die großen Veränderungen, die die Krise erzwingt, eine Chance für einen Neustart der EU-Wirtschaft – eine Chance, sie resilienter und erfinderischer zu machen. Gäste aus Ländern außerhalb Europas schlossen sich dem positiven Ausblick an und riefen zu Partnerschaften mit dem Globalen Süden auf.
„Die Frage ist jetzt“, so EIB-Präsident Werner Hoyer in einer Eröffnungsrede: „Was ist zu tun, damit letztlich die gesamte Welt gestärkt aus dieser Polykrise hervorgeht?“
Das erste EIB-Forum brachte Führungsspitzen der Europäischen Kommission und der nationalen Regierungen sowie Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft zusammen. Unter dem Motto „Anpassung an eine Welt im Wandel“ ging es allenthalben um neue Denkansätze für die Antwort auf die Krisen.
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Europaweite Antwort auf Krisen
Valdis Dombrovskis, EU-Kommissar für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, skizzierte die Dimension der Herausforderungen für Europa: „Einerseits müssen wir unsere langfristigen Transformationen stemmen, wie die grüne und digitale Wende. Da spielt die EIB bereits eine wichtige Rolle und hat sich als Klimabank positioniert. Und nun kommt noch der Krieg in der Ukraine hinzu, wo wir massiv unterstützen müssen.“
Eine vielfache Forderung lautete, dass jegliche Krisenreaktion EU-weit greifen sollte. „Bislang sehen wir immer den gleichen Reflex in der Krise“, so Luxemburgs Finanzministerin Yuriko Backes. „Die Länder denken erstmal national und sichern sich ab. Und nach der Krise sehen wir dann, dass die Lösungen europäisch sind.“
Auf politischer Seite drängt in Europa vor allem die Vollendung der Kapitalmarktunion. Sie „wird dafür sorgen, dass wir wesentlich besser in der Lage sind, all die nötigen Investitionen in die Klima- und Energiewende zu finanzieren“, so Pablo Hernández de Cos, Präsident der Banco de España und Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank.
Ein neuer Bericht der Europäischen Investitionsbank, der auf dem Forum vorgestellt wurde, beleuchtet die Folgen der Krisen für die europäische Wirtschaft, die ohnehin schon Aufholbedarf gegenüber den Vereinigten Staaten und Asien hatte. Chefvolkswirtin Debora Revoltella drängte die politisch Verantwortlichen zu einer gesamteuropäischen Reaktion auf die Krise, weil „die Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene schon ziemlich ungleich sind“.
Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager pflichtete ihr bei: „Unsere roten Linien sind der Binnenmarkt und die Kohäsionsziele. Ein gut funktionierender Binnenmarkt ist viele Milliarden an Staatshilfe wert. Dieses Potenzial können wir nur nutzen, wenn wir die Kohäsion im Blick behalten.“
EIB-Forum fordert „einfache und schnelle“ Reaktion
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren sich die Teilnehmenden einig, dass der Motor für Wachstum auch die Lösung für die Klimakrise ist: „Worauf sich wohl alle in der Wirtschaft einigen können ist: Die Krise sollte keinesfalls als Ausrede dienen, unsere Klimaziele zu verwässern“, sagte Dmitri Papalexopoulos, Chairman der TITAN Cement Group. „Der Zug ist abgefahren. Es gibt kein Zurück mehr.“
Papalexopoulos fügte hinzu, dass die Europäische Union aus dem US Inflation Reduction Act lernen sollte, der Anreize für saubere Technologien schafft und Hilfen für US-Produkte vorsieht. „Das ist einfach und geht schnell“, so der Manager. „Wie kommen wir in Europa vom Kontrollieren zum Ermöglichen? Vom Sicherstellen, dass alles richtig läuft, zum Sicherstellen, dass es einfach ist und so schnell wie nötig geht.“
Eine Reihe von Start-ups und Wachstumsunternehmen klagten über Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Klimatechnologien in Europa. Xocean etwa – eine irische Firma, deren Meeresroboter Daten an Windparkbetreiber liefern. Oder Verkor aus Frankreich mit seinen Plänen zum Bau einer Gigafabrik, in der das Unternehmen Batterien für Elektrofahrzeuge fertigen will. Verkor-Chef Benoit Lemaignan brachte es auf den Punkt: „Tatsache ist: Die Geldgeber mit den großen, tiefen Taschen sitzen nicht in Europa.“
Christian Rood, Chef von LeydenJar aus Eindhoven, ebenfalls Batteriehersteller, konnte das nur bestätigen: Mit einem 300 000-Euro-Kredit vom niederländischen Staat fing die Firma seinerzeit an, während US-Wettbewerber mit fünf Millionen US-Dollar Risikokapital an den Start gingen.
„Der Mangel an Scale-ups in Europa hat gravierende Konsequenzen für die Unternehmen selbst“, erläuterte Ann Mettler, europäische Vizepräsidentin von Breakthrough Energy, einer von Bill Gates gegründeten Organisation, die Innovationen im Bereich nachhaltige Energie beschleunigen will. „Und das hat breitere Folgen für die Gesamtwirtschaft, weil kaum noch schlagkräftige große Firmen nachkommen.“
„Wir haben eine Menge wirklich guter Start-ups“, so Mettler, „aber das Problem mit den Scale-ups haben wir noch nicht geknackt.“
Mettler schloss sich Papalexopoulos’ Forderung nach einer so einfachen Reaktion wie dem US Inflation Reduction an und erntete den größten Applaus für ihren Appell: „Speed, Scale und Simplicity. Wir brauchen einen Complexity Reduction Act!“
Die auf der Konferenz vertretenen, allesamt EIB-geförderten Wachstumsunternehmen äußerten unisono, dass sie in Europa bleiben wollen – obwohl ihre Kunden in den USA sitzen. Diese strategische Autonomie, indem wir europäische Ideen in Europa halten, betonten mehrere Rednerinnen und Redner. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die EIB als „wichtiger denn je für ein souveränes Europa – ein geeintes Europa, das sein Schicksal selbst in der Hand hat.“
Wert für die Länder im Globalen Süden
Jutta Urpilainen, EU-Kommissarin für Internationale Partnerschaften, hob hervor, wie die europäischen Institutionen und Unternehmen mit Partnern im Globalen Süden zusammenarbeiten. Nämlich so, dass die Länder dort wirtschaftlich unabhängig bleiben. Demgegenüber hätten die Investitionen einiger Wettbewerber Europas einen gegenteiligen Effekt: „Alle sprechen über strategische Autonomie in Europa, aber unsere Partner wollen das auch“, erinnerte sie. „Sie wollen Resilienz und Unabhängigkeit. Und darin unterscheidet sich unser Angebot von dem, was andere bieten.“
„China schafft Abhängigkeiten“, so Urpilainen. „Das ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen auf Länderebene Wert schaffen.“
Das Global-Gateway-Programm der EU für nachhaltige Investitionen in aller Welt fördert mittlerweile 80 Flaggschiffprojekte, fügte die Kommissarin hinzu.
„Die EU geht bei der Global-Gateway-Initiative sehr strategisch vor“, lobte Oulimata Sarr, die senegalesische Ministerin für Wirtschaft, Planung und Zusammenarbeit. „Wir glauben, die Zukunft ist grün, und wir können da nicht außen vor bleiben.“
Mit Blick auf das Motto des Forums erklärte Sarr, wie ihr Land auf den Veränderungsbedarf reagiert: „Ernährungssouveränität steht für uns als Regierung jetzt ganz obenan. Früher bekamen wir Getreide und Dünger von der Ukraine und Russland. Jetzt haben wir Gas und Kalium und wollen selbst Dünger herstellen.“
„Jede Krise“, so Sarr, „ist eine Chance für Länder, sich neu zu erfinden.“