Europa erholt sich, muss aber mehr in kleine Unternehmen und Infrastruktur investieren. Dies stellt die EIB in ihrem Investitionsbericht fest. Lesen Sie, was aus Sicht unserer Volkswirte zu tun ist.

Gute Straßen, Brücken und Abwasserkanäle sowie Strom- und Kommunikationsnetze sind notwendig, damit Wirtschaft und Unternehmen florieren können. Aber wir brauchen auch eine solide soziale Infrastruktur – etwa gute Bildungs- und Gesundheitssysteme.

Doch gerade in diesen Bereichen investiert Europa seit der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt zu wenig. Die jährliche Investitionsumfrage der EIB hat ergeben, dass vor allem in die Infrastruktur viel mehr Geld fließen muss, wenn der gegenwärtige Aufschwung von Dauer sein soll.

„Die Unternehmen investieren wieder mehr; das ist gut“, sagt Debora Revoltella, die den Bereich Volkswirtschaftliche Analysen bei der EIB leitet. „Die schlechte Nachricht ist, dass wir so lange zu wenig investiert haben. Woanders auf der Welt sind uns die Unternehmen da voraus. Wenn wir zögern und nicht bald aufholen, hat das langfristige Folgen. Wir müssen Gas geben, und zwar schnell.“

Europas Wirtschaft ist auf dem Weg der Besserung. Die Investitionen steigen um 3,2 Prozent und damit stärker als vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise im Jahr 2009. Damals lag die Wachstumsrate bei 2,75 Prozent. Aber die Infrastrukturinvestitionen sind auf 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU gesunken – von 2,2 Prozent im Jahr 2009. Das beeinträchtigt laut dem Bericht der EIB die langfristig mögliche Wirtschaftsentwicklung.

  

Vier Aufgaben für Europa

Neben der Infrastruktur gibt es noch vier weitere Felder, auf denen Europa handeln muss:

  •  Investitionen in immaterielle Werte wie Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Qualifikationen
  • Zugang zu Finanzierungen
  • Geschäftsumfeld
  • Klimaschutz

„Viele Unternehmen, die von der Finanzkrise betroffen waren, kommen nur schwer an Kredite“, erklärt EIB-Volkswirt Philipp-Bastian Brutscher. „Für Unternehmen in Griechenland ist es viel schwieriger, ein Projekt zu finanzieren, als für Unternehmen in Österreich. Und für Maschinen bekommen Sie leichter Kredite als für alles, was man nicht anfassen kann, z. B. Investitionen in das Internet. Da wird es dann schwieriger.“


Barriers to Investment in the EU (2017) graphic

Europa muss die Gunst der Stunde nutzen und notwendige Strukturinvestitionen angehen. Dazu schlägt die EIB in ihrem Investitionsbericht gezielte Maßnahmen vor:

  • Priorisierung der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen. Dabei ist es wichtig, besser zu planen und Alternativen auszuloten.
  • Stärkere Konzentration auf Innovation und Qualifikation. Hier fällt die EU hinter andere vergleichbare Volkswirtschaften zurück.
  • Mehr Geld für den Klimaschutz, um die Umweltziele zu erreichen.
  • Größere Vielfalt in der Unternehmensfinanzierung. Wir brauchen eine stärkere Beteiligungsfinanzierung und Erleichterungen für kleine und innovative Unternehmen, z. B. Kreditgarantien.

Revoltella hofft, dass Volkswirte und politisch Verantwortliche das Thema Investitionen dank der Ergebnisse des EIB-Berichts nun im Auge behalten.

„Es wird wieder mehr investiert, Europa befindet sich im Aufschwung“, sagt sie. „Die Frage ist aber: Tun wir genug? Und die Antwort ist: Nein!“
Did firms invest too much, too little or the right amounts in the last three years? (graphic)

Umfrage zur Investitionstätigkeit

Die EIB hat mithilfe Dutzender Wissenschaftler, Fachleute und Vertretern der Politik 12 500 Unternehmen und 500 große Kommunen in ganz Europa befragt, um herauszufinden, was deren Investitionstätigkeit beeinflusst oder bremst. Ein Hauptproblem zeigt sich bei innovativen kleinen Unternehmen:

„Den kleinen Unternehmen in Europa fehlt es an Geld, um ihr Wachstum zu finanzieren“, sagt Atanas Kolev, der die Umfrage als Experte bei der EIB mit betreute. „Die Bedingungen für diese Unternehmen sind sehr schwierig. In vielen europäischen Ländern gibt es zu wenige junge, hochinnovative Unternehmen. Wir haben einfach keine Googles und Amazons.“

Die EIB veröffentlicht den Investitionsbericht heute anlässlich ihrer Jahreskonferenz zu Wirtschaftsfragen. Auf der Konferenz kommen Vertreter der Politik, Ökonomen und führende Marktteilnehmer zusammen, um die drängendsten Fragen zum Thema Investitionen zu erörtern: Wie können wir den Finanzsektor stärken? Wie können wir dafür sorgen, dass innovative Unternehmen an Finanzierungsmittel kommen? Und wie können wir den Fachkräftemangel beseitigen, der das Wachstum im Privatsektor bremst?