Das Bremer Unternehmen OHB entwickelt einen leichten, elektrisch angetriebenen Satelliten, der in der kommerziellen Anwendung billiger ist als die bisher eingesetzten Modelle mit chemischem Antrieb.
Bei Weltraummissionen denken Sie wahrscheinlich automatisch an die NASA, an Sojus oder Neil Armstrong. Dabei arbeitet gerade ein relativ kleiner Familienbetrieb in Bremen an einer Entwicklung für die Raumfahrtindustrie, die sich erheblich auf unsere Zukunft auswirken könnte.
OHB System entwickelt einen Satelliten, der elektrisch betrieben wird, während bislang noch chemische Antriebe verbreitet sind, die sehr viel Treibstoff benötigen. Das Unternehmen ist zuversichtlich, dass das neue Satellitenmodell Telekommunikationsausrüstung zu viel geringeren Kosten ins Weltall bringen kann als die bisher eingesetzten Satelliten. „Wir sprechen hier von einer Revolution in der Satellitentechnologie“, so Andreas Lindenthal, COO bei OHB. „Diese verdanken wir neuartigen, mittlerweile ausgereiften Elektroantrieben.“
Eine Umlaufbahn für elektrische Satelliten
Satelliten transportieren Ausrüstung unterschiedlicher Art, zum Beispiel zu Beobachtungs- oder Telekommunikationszwecken. Bevor die Satelliten jedoch Informationen liefern können, müssen sie zunächst einmal in die richtige Umlaufbahn gelangen. Hier kommen die Antriebssysteme ins Spiel.
Der Satellit löst sich von der Rakete, die ihn ins Weltall gebracht hat. Danach muss er per eigenem Antrieb seine Umlaufbahn finden – eine Aufgabe, die sich sehr knifflig gestalten kann. Bisher handelte es sich dabei um einen chemischen Antrieb, für den sehr viel Treibstoff benötigt wurde und der auf den Satelliten den meisten Platz einnahm.
OHB technicians assemble one of its satellites
Mehr Platz für Nutzlast auf elektronischen Satelliten
2015 brachte Boeing den ersten Satelliten mit Elektroantrieb heraus. Der Elektroantrieb hat jedoch viel weniger Schubkraft, sodass der Satellit länger braucht, um in Position zu kommen. OHB sieht die Lösung des Problems in einer kürzeren Bauzeit, die den höheren Zeitaufwand des elektronisch angetriebenen Modells ausgleicht.
Im Endeffekt erhält man einen Satelliten, der keinen chemischen Treibstoff benötigt und deshalb zum Beispiel mit viel mehr Telekommunikationsausrüstung beladen werden kann. Für kommerzielle Satellitenbetreiber ist diese Lösung folglich viel effizienter. „Für denselben Preis kann der Satellit das Zweieinhalbfache an Nutzlast aufnehmen“, so Lindenthal. „Der Elektroantrieb steigert die Effizienz immens.“
Mittel aus der Investitionsoffensive für innovative Satelliten mit Elektroantrieb
Die Kombination aus einem innovativen Satellitenmodell und der strategischen Bedeutung eines europäischen Gegengewichts zu Boeing überzeugte die Europäische Investitionsbank, OHB ein Darlehen von 30 Millionen Euro zu geben. Für das am 19. Dezember unterzeichnete Darlehen wird eine Garantie des Europäischen Fonds für strategische Investitionen, der Teil der Investitionsoffensive für Europa ist, bereitgestellt. „Der von OHB entwickelte Satellit hat für die europäische Raumfahrtindustrie große Bedeutung“, so Sandra Schmidt, die für das Darlehen zuständige Kreditreferentin der EIB. „Er wird Produkte ins Weltall bringen, die unser aller Leben betreffen.“
OHB ist mit einem Umsatz von 700 Millionen Euro im Jahr 2015 deutlich kleiner als die zwei größten Raumfahrttechnikunternehmen Europas. Airbus Defence and Space erzielte 2015 einen Umsatz von 13 Milliarden Euro. Der Umsatz von Thales Alenia Space betrug 6,3 Milliarden Euro.
Ein Familienbetrieb im Weltraum
OHB befindet sich im Eigentum der Fuchs-Familie. Der aus Italien stammende Manfred Fuchs und seine deutsche Frau Christa kauften das Unternehmen in den 80er Jahren, als es noch Schiffsbauteile herstellte. Gemeinsam stellten sie dann die Weichen für die Raumfahrttechnik. Manfred Fuchs verstarb 2014. Christa Fuchs leitet bis heute den Aufsichtsrat. Ihr Sohn Marco ist der derzeitige Vorstandsvorsitzende.
Bei dem elektrischen Satelliten orientiert sich OHB an seinem SmallGEO-Satellit mit chemischem Antrieb. Doch der Name trügt: Mit 3,2 Tonnen ist er nicht wirklich klein. Die elektronische Version, die unter der Bezeichnung Electra läuft, ist Teil eines Programms, das von der Europäischen Weltraumorganisation mit Sitz in Paris gesponsert wird. Wenn OHB die Forschungs- und Entwicklungsphase abgeschlossen hat, wird es den Satelliten mit Ausrüstung des in Luxemburg ansässigen Satellitenbetreibers SES beladen.
Sobald er im Weltall ist, wird der elektrische Satellit von OHB mit Solarmodulen angetrieben. „Dies ist ein wichtiger Schritt für die Weltraumpolitik der EU“, meint Manuel Tarazona Cano, Ingenieur bei der EIB, dessen Schwerpunkt im Telekommunikationsbereich liegt. „Ziel ist es, Europa einen unabhängigen Zugang zum Weltraum zu verschaffen“.