Énergies POSIT’IF saniert Tausende Eigentumswohnungen im Großraum Paris. Der Investitionsplan für Europa hilft dem Unternehmen dabei.
Hatten Sie auch schon einmal Nachbarn, die sich nicht einigen konnten? José Lopez kennt dieses Problem. Er muss rund 3 600 solcher Nachbarn dazu bewegen, an einem Strang zu ziehen.
José Lopez leitet das öffentlich-private Unternehmen Énergies POSIT’IF, das Wohnkomplexe mit Eigentumswohnungen im Großraum Paris energieeffizient sanieren will. Dies ist ein schwieriges Unterfangen, denn José und sein Team müssen jeden einzelnen Wohnungseigentümer davon überzeugen, dem Plan zuzustimmen und sich an den Sanierungskosten zu beteiligen.
José Lopez, CEO von Énergies POSIT'IF Doch das Unternehmen steht nicht alleine da. Die Europäische Investitionsbank hilft mit einem Darlehen von 100 Millionen Euro, das sie im Rahmen des Investitionsplans für Europa bereitstellt. Dank dieses Darlehens bleibt es Énergies POSIT’IF erspart, Geschäftsbanken zu suchen, die für jeden einzelnen Miteigentümer der Wohngebäude einen Finanzierungsplan erstellen. Mit dem Darlehen der EIB kann das Unternehmen den Eigentümern nunmehr selbst eine Finanzierung anbieten.
„Bislang konnten wir keine Finanzierungen für die Sanierung von Eigentumswohnungen zur Verfügung stellen“, so Lopez. „Unser Geschäftsmodell war noch nicht vollständig ausgereift. Jetzt können wir den Eigentümern das Komplettpaket anbieten. Unsere Arbeit wird dadurch ungemein erleichtert und wir können in einem sehr kurzen Zeitraum mehr Energieeffizienzmaßnahmen durchführen."
Im Großraum Paris ist das besonders wichtig, da hier Wohnkomplexe mit Eigentumswohnungen sowie Sozialwohnungen drei Viertel aller Wohngebäude ausmachen. Wohnungen, die in den Sechzigern und Siebzigern gebaut wurden – bevor die Ölkrisen den Impuls zur Verbesserung der Energieeffizienz gaben – lassen einfach zu viel Wärme entweichen. Durch seine Sanierungsmaßnahmen kann Énergies POSIT’IF den Energieverbrauch dieser Gebäude um 40 bis 75 Prozent senken.
Das Darlehen der EIB ermöglicht es dem Unternehmen ein Geschäftsmodell umzusetzen, das folgende Komponenten umfasst:
• Beurteilung des Energiesparpotenzials eines Gebäudes und Erstellung eines Arbeitsplans in Absprache mit Bauunternehmen
• Erstellung eines Finanzierungsplans für das Gebäude; dieser Plan kann die Vorfinanzierung von Energieeffizienzzuschüssen vorsehen, die die Wohnungseigentümer nach Abschluss der Sanierungsarbeiten erwarten können
• Durchführung und Überwachung der Sanierungsarbeiten
Thermische Hülle für höhere Energieeffizienz
Die Sanierungsarbeiten umfassen die üblichen Maßnahmen – eine bessere Wärmedämmung, neue Fenster, moderne Heizungs- und Lüftungsanlagen. Doch das ist noch nicht alles: Énergies POSIT’IF versieht die bestehenden Gebäude mit einer „zweiten Haut“. Diese sogenannte „thermische Hülle“ dient der zusätzlichen Wärmedämmung, ist im Wesentlichen bis zu 20 cm dick und erstreckt sich über die gesamte Hausfassade. „Wir ziehen dem Gebäude sozusagen einen Pullover an“, erklärt Lopez.
Dank des EIB-Darlehens bleiben dem Unternehmen die zeitaufwendigen Verhandlungen mit Geschäftsbanken erspart. Es muss nicht für jeden einzelnen Miteigentümer Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Denn Arbeit hat das Unternehmen reichlich. In den vergangenen drei Jahren hat sich Énergies POSIT’IF der Sanierung von vier Gebäuden (zwei unmittelbar in Paris und zwei in der näheren Umgebung) mit insgesamt 1 500 Wohnungen gewidmet.
Banken waren nicht sonderlich daran interessiert, hierfür Kredite bereitzustellen. „Es gab eine große Diskrepanz zwischen dem, was die Banken anbieten und dem, was die Leute tun wollen. Der Markt hat hier leider versagt“, so EIB-Kreditreferent Jérémie Hoffsaes, der die Finanzierung mit Énergies POSIT’IF aushandelte. „Mit diesem Darlehen bietet Énergies POSIT’IF alles aus einer Hand.“
Dies ist ein ganz besonderer Moment für José Lopez, der im zentralfranzösischen Clermont-Ferrand als Sohn spanischer Eltern geboren wurde. Der studierte Ökonom arbeitete zunächst für verschiedene nationale Behörden und später für die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Russland, Bulgarien und in der Ukraine. Bevor er 2013 sein Unternehmen Énergies POSIT’IF gründete, beriet er zehn Jahre lang Entwicklungsländer und die französischen Regionen in Fragen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes.
„Wir haben bewiesen, dass wir Wohnungseigentümer, Architekten und Bauunternehmen für Energieeffizienz sensibilisieren können“, so Lopez weiter. „Wir tragen in hohem Maße dazu bei, dass mehr Energieeffizienzmaßnahmen durchgeführt werden.“
Energieeffizienz in Frankreich auf dem Vormarsch
Die Energieeffizienz dürfte nun neue Impulse erhalten. Énergies POSIT’IF geht davon aus, dass die Miteigentümer in sieben weiteren Gebäuden in den kommenden sechs Monaten darüber abstimmen werden, ob die Sanierungspläne des Unternehmens fortgeführt werden. Angesichts des Darlehens der EIB ist Lopez nunmehr zuversichtlich, dass er die Sanierung der 600 Wohnungen in diesen Gebäuden bald in Angriff nehmen kann.
In der Zwischenzeit widmet sich das Unternehmen der Planung von Projekten, die zwölf weitere Wohnkomplexe mit 1 500 Wohnungen betreffen. Die Miteigentümer dieser Gebäude dürften bis Ende des Jahres eine Entscheidung treffen.
„Diese Projekte können nur mit entsprechendem Know-how umgesetzt werden. Außerdem müssen die Arbeiten in zahlreichen relativ kleinen Gebäuden gebündelt werden, damit die Vorhaben wirtschaftlich tragfähig sind“, sagt Reinhard Six, leitender Ingenieur in der Abteilung Energieeffizienz und kleine Energieprojekte in der EIB-Direktion Projekte. „All dies kann Énergies POSIT’IF leisten.“
Das Unternehmen befindet sich überwiegend im Eigentum des Regionalrats der Île-de-France, der Stadt Paris und diverser Gebietskörperschaften. Auch Banken sind beteiligt, darunter die Caisse d’Epargne Île-de-France und die Caisse des Dépôts. Der Großraum Paris bietet mit seinem hohen Anteil an solchen Wohnkomplexen ein besonders geeignetes Terrain für Energieeffizienzmaßnahmen. Doch ist José Lopez der Ansicht, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens in ganz Frankreich angewendet werden sollte.
Diese Ansicht teilt offensichtlich auch die EIB. Die Bank ist derzeit nämlich damit beschäftigt, in drei französischen Regionen ähnliche Energieeffizienzinitiativen auf den Weg zu bringen.