Die EIB verfolgt beim Thema Energieversorgungssicherheit einen breiteren Ansatz
Von Jonathan Taylor
Vizepräsident
Europäische Investitionsbank
Das Thema Energieversorgungssicherheit wird oft aus geopolitischer Sicht betrachtet. Die derzeit im Bau befindliche, 110 Kilometer lange Gas-Pipeline in der litauischen Hafenstadt Klaipėda wird beispielsweise das LNG-Terminal im Hafen mit dem Gasnetz des Landes verbinden. Durch das Terminal und die Pipeline, die beide von der Europäischen Investitionsbank finanziert werden, können Litauen, Lettland und Estland durch das Meer versorgt werden und sind somit unabhängiger von Gas aus Russland. Bei der EIB ist die Energieversorgungssicherheit aber mehr als eine Frage der Geopolitik. Alles, was die Abhängigkeit von externen Energiequellen reduziert, führt automatisch zu mehr Sicherheit. Deshalb spielen für uns auch Energieeffizienzvorhaben oder die Entwicklung einheimischer erneuerbarer Energiequellen eine wichtige Rolle für die Energieversorgungssicherheit.
Seit 2011 hat die EIB rund 35 Milliarden Euro für Projekte bereitgestellt, die zur Energieversorgungssicherheit beitragen. Die meisten von ihnen wurden in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchgeführt. Sämtliche Investitionsvorhaben stützen sich auf drei Säulen: Wachstum, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Sicherheit ist ein unabdingbarer Faktor, da die EU in hohem Maße von importierter Energie abhängig ist. Um dies zu ändern, haben Investitionen in Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Energienetze und FEI im Bereich Energie für die EIB Vorrang. 2015 konnten dank unserer Projekte 3 400 GWh Energie pro Jahr eingespart werden. Jede einzelne eingesparte Gigawattstunde bringt die Versorgungssicherheit ein Stück weiter.
Finanzierung neuer Technologien
Die Finanzierungen der EIB im Bereich der Innovation gehen Hand in Hand mit ihrer Versorgungssicherheitsstrategie. Als 2008 die weltweite Finanzkrise den Investoren jede Risikobereitschaft nahm, hätte dies zum Beispiel leicht das Ende der Offshore-Windindustrie bedeuten können. Doch die EIB sprang ein, als die privaten Investitionen versiegten: Sie stellte 300 Millionen Euro und damit die Hälfte der Gesamtkosten für das Projekt Belwind zur Verfügung, um den Bau eines der größten Windparks in Europa 46 Kilometer vor der belgischen Küste zu ermöglichen. Heute versorgt Belwind 160 000 belgische Haushalte mit Strom.
Das Abrücken von einer im großen Stil betriebenen CO2-intensiven Stromerzeugung hin zu einer dezentralisierten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen dürfte die Abhängigkeit von importiertem Öl und Gas verringern. Gemäß dem Energiefahrplan 2050 der EU wären die Länder den Preisschwankungen bei den fossilen Brennstoffen durch Dekarbonisierung viel weniger stark ausgesetzt. Die EIB hat rund zwei Drittel der gesamten Offshore-Windkraftleistung in Europa mitfinanziert und ist so bei diesem Übergang ganz vorne mit dabei. Im Mai stellte die EIB ein Darlehen von 525 Millionen Pfund Sterling für das insgesamt 2,7 Milliarden Pfund Sterling teure Windparkprojekt Beatrice vor der Küste Schottlands zur Verfügung. Es handelt sich um die bisher umfangreichste Finanzierung der Bank für einen Offshore-Windpark.
Ein derart großes Projekt sorgt für Schlagzeilen. Unsere Aufmerksamkeit liegt aber ebenso auf kleineren Projekten, die sich spürbar auf das Leben der Europäer auswirken. In Bukarest haben wir in den vergangenen sechs Jahren die energieeffiziente Sanierung von rund 65 000 Wohnungen finanziert. Damit wurden insgesamt 460 Millionen Euro investiert und Energieeinsparungen von mehr als 500 GWh pro Jahr erreicht. Diese Projekte haben noch einen weiteren wichtigen Vorteil – die Bewohner der sanierten Gebäude dürfen sich über deutlich niedrigere Stromrechnungen freuen. Man kann noch so viele Pipelines bauen – wenn die Leute sich den Strom von einer weit entfernten Stromquelle nicht leisten können, ist das Ziel der Energieversorgungssicherheit trotzdem immer noch nicht erreicht.
Die Investitionsoffensive für Europa und ihr Beitrag zur Energieversorgungssicherheit
Innovative Finanzierungen sind das A und O. Dafür hält die EIB einen neuen Trumpf in der Hand: die Garantie des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), der Teil der Investitionsoffensive für Europa ist. Im Juni unterzeichnete die EIB ein Darlehen über 40 Millionen Euro für drei Onshore-Windparks in Österreich. Durch den EFSI kann die EIB einen größeren Teil der Projektkosten als normalerweise finanzieren (mehr als 70 Prozent der Kosten für den Ausbau des Energieparks Bruck). Ohne den EFSI hätte der hohe Fremdkapitalanteil des Projekts eine Finanzierung durch die EIB unmöglich gemacht. Nun sind wir maßgeblich an einem Projekt beteiligt, das zwei österreichische Regionen mit 39 MW versorgt und ihnen damit zu mehr Energieversorgungssicherheit verhilft.
Im Dezember vergab die EIB ein Darlehen von 100 Millionen Euro mit EFSI-Garantie an Énergies POSIT’IF. Das halbstaatliche Unternehmen saniert veraltete Wohnkomplexe im Großraum Paris. Da es eine Marktlücke bei Bankfinanzierungen für die Renovierung von Eigentumswohnungen in Wohnkomplexen schließt, waren die Voraussetzungen für ein EFSI-Darlehen erfüllt. Zuvor mussten die Mitarbeiter von Énergies POSIT’IF mit Geschäftsbanken – die ohnehin nicht groß daran interessiert waren, in diesem Sektor Darlehen zu vergeben – für jeden einzelnen Eigentümer eines Wohnkomplexes einen separaten Darlehensvertrag aushandeln.
Jetzt kann das Unternehmen den Eigentümern schnell und unkompliziert ein zinsgünstiges Darlehen anbieten und so mehr Wohnungen in kürzerer Zeit sanieren. Im Großraum Paris ist das besonders wichtig, da hier Wohnkomplexe mit Eigentumswohnungen sowie Sozialwohnungen drei Viertel aller Wohngebäude ausmachen. Pariser Wohnungen, die vor der Ölkrise in den 1960er- und 1970er-Jahren gebaut wurden, als Energieeffizienz noch kein Thema war, haben sehr hohe Wärmeverluste. Durch seine Sanierungsmaßnahmen kann Énergies POSIT’IF den Energieverbrauch dieser Gebäude um bis zu 75 Prozent senken.
Dabei ist die EIB mehr als bloß ein Geldgeber. Die Bank ermöglicht Projekte, die anderenfalls vielleicht gar nicht finanziert worden wären. Sie trägt zu einer rascheren Umsetzung von Projekten bei, sodass die Stromrechnungen schneller niedriger ausfallen. Außerdem optimieren wir laufend unsere Methode für die Kosten-Nutzen-Analyse von Versorgungssicherheitsprojekten, da wir sicher sein möchten, dass die Verbraucher im Endeffekt tatsächlich davon profitieren. Unter dem Strich geht es uns immer um den Nutzen für die Bürger der EU.
Dieser Artikel wurde von der EIB zur Veröffentlichung in einer Ausgabe von The European Files verfasst, in der es um das Thema Energieversorgungssicherheit geht.