Multilaterale Investoren müssen zeigen, dass die Dekarbonisierung ein tragfähiges Geschäftsmodell ist. Dann kann die Energiewende gelingen
Die Europäische Kommission verfolgt mit ihrer langfristigen Strategie zur Treibhausgaseinsparung ein ehrgeiziges Ziel: Netto-Null bis 2050. Für alle, die im Spannungsfeld zwischen Politik und Finanzen arbeiten, stellt sich damit die Frage: Wie kommen wir dorthin?
Das Netto-Null-Ziel erfordert eine Transformation der Wirtschaft. Hier steht der Energiesektor im Mittelpunkt, denn er ist für 75 Prozent der Emissionen in der EU verantwortlich. Multilateralen Investoren wie der Europäischen Investitionsbank kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Deshalb überarbeiten wir unsere Energiefinanzierungsleitlinien. Der Fokus unserer Finanzierungen und unserer Beratung muss auf Investitionen liegen, die Emissionen senken und das Klima schützen. Wir müssen erneuerbare Energien und die Energieeffizienz stärken und in diesen Bereichen Arbeitsplätze schaffen. So stellen wir sicher, dass kein Teil der Gesellschaft und keine Region der Welt bei diesem Übergang zurückbleibt.
Wir haben bereits viel erreicht. In den Jahren 2013–2017 haben die von uns unterzeichneten Energieprojekte Emissionen von rund acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart – so viel wie 1,7 Millionen Autos in einem Jahr ausstoßen. In den letzten fünf Jahren vergab die EIB mehr als 50 Milliarden Euro für Projekte in den Bereichen Erneuerbare, Energieeffizienz und Netze. Dadurch wurden Solar- und Windkraft deutlich billiger. Weltweit werden die seit 2013 durch die EIB ermöglichten Erneuerbare-Energien-Projekte eine Erzeugungsleistung von 38 000 Megawatt schaffen. Das ist genug saubere Energie für 45 Millionen Haushalte.
Doch wir brauchen mehr.
Ohne Multilateralismus keine Energiewende
Für eine CO2-neutrale Wirtschaft bis 2050 müssen die Investitionen in Energiesysteme von aktuell 2 Prozent auf 2,8 Prozent des BIP steigen, so die Schätzungen der Europäischen Kommission in ihrer Strategie. Das bedeutet ab 2030 zusätzliche Investitionen von 175–290 Milliarden Euro pro Jahr (ohne den Verkehrssektor) – Beträge, die ein einzelnes EU-Land eindeutig überfordern. Deshalb müssen wir dieses strategische Ziel multilateral angehen, und die EIB wird hier als Investor eine zentrale Rolle spielen.
Die erforderlichen Investitionen sind nicht nur enorm, sie sind auch langfristiger Natur. Deshalb muss dahinter ein solider Partner wie die EIB stehen. Im Bereich der Stromnetze wird nach 2030 mit einem Anstieg des jährlichen Investitionsbedarfs um fast 70 Prozent gerechnet; die Ausgaben für die Stromerzeugung dürften sich verdoppeln.
Bei alldem darf nicht vergessen werden, dass wir stets auch auf die Bedürfnisse und Interessen der Menschen achten müssen. Deshalb wurde die Idee eines „gerechten Übergangs“ auf der COP 24 so umfassend diskutiert. Und deshalb geht die Kommission in ihrer langfristigen Strategie auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Energiewende ein – gerade für Regionen, in denen viele Menschen in der Gewinnung fossiler Brennstoffe, in energieintensiven Branchen und in der konventionellen Automobilherstellung arbeiten. Wenn die Dekarbonisierung in Europa und weltweit erfolgreich sein soll, dann müssen die sozialen Auswirkungen bei der Planung berücksichtigt werden.
Die Bank der EU und die Energiewende
Die EIB kann bei diesem Prozess für wichtige Impulse sorgen. Sie kann Marktschwächen ausgleichen und anderen Finanzinstituten helfen, nachhaltige Tätigkeiten zu ermitteln. Bereits heute suchen wir gemeinsam mit Geschäftsbanken im Rahmen unserer Darlehen nach Möglichkeiten für Klimamaßnahmen. Dies kann auf andere Partner und andere nachhaltige Tätigkeiten über den Klimaschutz hinaus ausgeweitet werden. Denkbar ist auch eine stärkere Zusammenarbeit mit nationalen Förderbanken bei der Ermittlung grüner Investitionen oder der Bewertung und Steuerung negativer Folgen und Risiken. Hier kann unser umfangreiches Angebot an Beratung und technischer Hilfe von großem Nutzen sein.
Unser Ziel ist es, den Weg hin zur Emissionsneutralität finanziell möglich zu machen. Dabei warten viele Aufgaben auf uns. Die EIB muss vor allem zeigen, dass die Dekarbonisierung ein tragfähiges Geschäftsmodell ist. Genau das haben wir uns vorgenommen.
Ursprünglich veröffentlicht in „Views: The Eurofi Magazine“