EU-Programm hilft Bauern in Moldau, ihren Gemüseanbau zu modernisieren, in die EU zu exportieren und die Coronafolgen zu bewältigen
In Moldau wird traditionell vor allem Obst angebaut. Die Geschäftsführer von Sandunelu and Europlant sahen hier ihre Chance: Warum nicht auch Gemüse? Was ihnen fehlte, war die Finanzierung. Als Gelder aus dem Programm „Fruit Garden of Moldova“ flossen, konnten sie expandieren – und kommen jetzt besser aus der Coronakrise.
Produktionserweiterungen und Maschinen, um große Mengen von Gemüse zu waschen, zu sortieren, zu verpacken, zu etikettieren und zu lagern, kosten viel Geld. Für einen Kredit fehlen kleinen Betrieben aber die Sicherheiten. Den Kleinerzeugern Sandunelu und Europlant kam ein Programm der EIB zur Hilfe: 120 Millionen Euro stehen über Partnerbanken für Betriebe in Moldau bereit.
Mit ihren neuen, modernen Verarbeitungsanlagen waren Sandunelu und Europlant gut gegen Corona gewappnet. Während der Pandemie waren die Straßenmärkte landesweit geschlossen, und die Verbraucher griffen eher zu abgepacktem Gemüse. Weil die beiden Firmen dank moderner Sortier- und Verpackungstechnik und genug Lagerkapazitäten die Nachfrage decken konnten, zog ihr Umsatz deutlich an. Und was bei den alten Anlagen unmöglich gewesen wäre: Die Arbeiterinnen und Arbeiter konnten den Sicherheitsabstand einhalten.
„‘Fruit Garden of Moldova‘ ist ein voller Erfolg“, erzählt Luca Ponzellini. Er gehört zum EIB-Team, das das Programm entwickelt hat und betreut.
Die moldauische Wirtschaft ist von der Landwirtschaft geprägt. Das Projekt „Fruit Garden of Moldova“ unterstützt kleine und mittlere Betriebe dabei, sich auf dem engen und hart umkämpften moldauischen Markt zu behaupten und mehr Abnehmer im Ausland zu finden. Die technische Hilfe der EIB geht noch weiter: Projektberater begleiten die Bauern und alle anderen Akteure in der Wertschöpfungskette – also alle, die an einem Produkt beteiligt sind – durch das gesamte Kreditantragsverfahren. Von der optimalen Präsentation ihrer Finanzdaten und Sicherheiten bis zur Aushandlung des Kredits mit der Bank. „Bei keinem anderen Projekt konnten wir mehr Investitionen kleiner Betriebe in Lebensmittel und Landwirtschaft anschieben“, erklärt Christoph Arndt. Er leitete das Beratungsteam für das Projekt. „Dieses Jahr wurden deutlich mehr Obst und Gemüse in die EU verkauft, trotz Pandemie und Dürre.“
Sandunelu baut Karotten, Zwiebeln und Rote Bete an. Der Betrieb erhielt von der Mobiasbanca 492 000 Euro, hinter denen die Europäische Investitionsbank steht, sowie Beratung der EIB bei der Vorbereitung des Kreditantrags. Bei Europlant wachsen Zwiebeln und Kartoffeln. Für den Bau eines Lagers nahe der moldauischen Hauptstadt Chișinău bekam der Betrieb über die ProCredit Bank 720 000 Euro von der EIB.
Ideen säen, Erfolg ernten – das Agrarprogramm EU-Moldau
Das Klima und die Böden in Moldau eignen sich ideal für den Obst- und Gemüseanbau. Das Land ist einer der zehn wichtigsten Apfelexporteure der Welt und berühmt für seine Weintrauben und Walnüsse. Weil es so lange vor allem auf Obst setzte, wurde Gemüse oft importiert.
Sandunelu und Europlant erkannten die Marktlücke für heimisches Gemüse. Mit ihren Produkten belieferten sie Supermärkte, Hotels, Gaststätten und Caterer. Doch die beiden Familienbetriebe bauten zu geringe Mengen an, um weiter zu wachsen. Sandunelu produzierte anfangs nur auf zwei Hektar Fläche – heute sind es 50.
„Die Erleuchtung kam auf einer Reise zu Erzeugern in der Ukraine. Dass Gemüseanbau rentabel sein kann, klang zuerst seltsam in unseren Ohren, aber dann wollten wir es wissen“, erzählt Ion Cojocaru, dessen Vater Sandunelu gegründet hat. Weil wir Zwiebeln, Karotten und Rote Bete in kleinen Mengen anbauten, bekamen wir bei den Supermarktketten nie einen Fuß in die Tür. Also vergrößerten wir nach und nach unsere Produktionsflächen.“
Mit größeren Mengen war es aber nicht getan: Wenn der Betrieb wachsen wollte, musste er auch moderner werden. Großabnehmer verlangen nach Güte und Größe sortierte Frischware, die gewaschen, abgewogen, verpackt, etikettiert und lieferbereit ist. Weil interessierte Abnehmer ganzjährig mit abgepacktem Gemüse beliefert werden wollen, müssen die Betriebe größere Lagerbestände vorhalten.
„Am Anfang haben wir das Gemüse von Hand verpackt, jeweils 1,5, 2 und 5 Kilo“, so Cojocaru. „Die Kosten waren natürlich viel zu hoch, deshalb suchten wir nach Alternativen.“
Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Sandunelu liefert heute fast 60 Prozent aller Zwiebeln und Karotten, die in Moldaus Supermärkten verkauft werden.
Was hat das Agrarprogramm für Moldau mit der Wirtschaftspolitik der EU zu tun?
Das Programm „Fruit Garden of Moldova“ fördert den moldauischen Gartenbausektor, der fast ausschließlich aus kleinen und mittleren Betrieben besteht. Die Europäische Union will damit den Handel und das Wirtschaftswachstum des Landes ankurbeln. Schwerpunkte sind Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. 2014 schlossen Moldau und die EU ein Assoziierungsabkommen. Es enthält ein vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen, das moldauischen Produkten und Dienstleistungen das Tor zum EU-Markt öffnet. Um alle EU-Standards zu erfüllen, setzt Moldau in den nächsten zehn Jahren Hunderte von EU-Richtlinien und ‑Verordnungen in sein eigenes Recht um. Die meisten Vorteile des Abkommens werden erst danach sichtbar sein. Doch schon zwischen 2014 und 2016 legte der Export moldauischer Gemüsekonserven in die EU um 455 Prozent zu, bei Obstkonserven und Nüssen um mehr als das Doppelte und bei Kastanien um fast das Dreifache. Von 2015 bis 2019 stieg der Anteil der moldauischen Ausfuhren in die EU von rund 50 auf 68 Prozent.
„Fruit Garden of Moldova“ entwickelt auch die Wertschöpfungskette des moldauischen Gartenbausektors weiter: Dieser steht im Mittelpunkt des 120-Millionen-Euro-Programms, das die Qualität von frischem und verarbeitetem Gemüse verbessern soll, vom Feld bis zum Verbraucher. Strukturell und konzeptuell knüpft das Programm an ein früheres EIB-Projekt zur Modernisierung des Weinbausektors in Moldau an.
Die Folge: mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten und weniger Abwanderung aus dem Land. Auch die Verbraucher gewinnen – durch sichere, hochwertigere landwirtschaftliche Produkte aus der Region und niedrigere Preise.
Agrarprogramm gegen die Coronakrise
Für Landwirtinnen und Landwirte in Moldau war 2020 ein sehr schwieriges Jahr: Zur extremen Dürre kam die Coronapandemie hinzu. Normalerweise fallen 552 Millimeter Niederschläge im Jahr, zwischen September 2019 und August 2020 waren es nur 218 Millimeter.
„Covid-19 hat eine schwere wirtschaftliche Schockwelle ausgelöst und gravierende negative Folgen für Landwirtschaft und Gartenbau in Moldau“, erklärt Sebastien Collot, EIB-Ingenieur in der Abteilung Bioökonomie.
Die Bauern hatten große Schwierigkeiten, ihre Produkte frisch auf den Markt zu bringen. Der Export und der Verkauf auf Straßenmärkten waren eingeschränkt. „Mit technischer Hilfe und dem Projektteam konnten die Teilnehmer des Programms schneller liefern und auf neue Produkte umstellen“, so Collot.
Die EU investiert in eine modernere Landwirtschaft in Moldau und damit in sichere und hochwertigere Lebensmittel. Und sie hilft dem Land bei der Anpassung an das EU-Handelsrecht – eine wichtige Voraussetzung für seine Integration in den Binnenmarkt. „Fruit Garden of Moldova“ finanziert Maschinen zur Verpackung und Etikettierung von Gemüse. Damit können moldauische Bauern die EU-Standards einhalten, neue Märkte erschließen und wettbewerbsfähiger werden.
Die Saat geht auf für Moldaus Gemüsebauern
Der Familienbetrieb Europlant wurde von Radu Grosu gegründet. Er erhielt nicht nur einen Kredit aus dem Programm „Fruit Garden of Moldova“, sondern auch eine Garantie der EIB für 50 Prozent des Betrags. Im InnovFin-Programm sichert diese Garantie Kredite an innovative kleine Unternehmen ab, und das ohne Extrakosten für den Kreditnehmer.
Der Betrieb arbeitet auch mit kleineren Erzeugern zusammen, die seine Verpackungsmaschinen benutzen. Die Verpackungsstation in Chișinău hat sich zu einem wichtigen Verteilungszentrum im Land gemausert – ein Katalysatoreffekt, der weit über die von die EIB finanzierten Betriebe hinausreicht.
Mit dem Pandemieausbruch kamen die Finanzierungen genau zum richtigen Zeitpunkt.