Mädchen und Frauen haben immer noch schlechtere Bildungschancen und sind in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. Wie kommen wir in Sachen Gendergerechtigkeit weiter voran?
Von Neha Karki und Chika Russell
Gleichstellung: Seit Jahrzehnten kämpfen wir dafür. Aber trotz beachtlicher Erfolge treten wir insgesamt auf der Stelle.
Die aktuellen Probleme treffen Frauen und Mädchen ungleich härter. Ob Armut, Zugang zu Bildung oder Macht, über unsere Zukunft zu entscheiden – in allen Bereichen stehen sie durchweg hintenan.
Dabei stoßen Frauen und Mädchen tagtäglich den Wandel an, zu Hause, in ihrem Umfeld und in der Gesellschaft insgesamt. Oft sind sie ganz vorne mit dabei, wenn es um Klimaschutz, eine bessere Gesundheitsversorgung und mehr finanzielle Teilhabe geht.
Kurzum: Frauen und Mädchen verändern die Welt.
Doch wie kommen wir in Sachen Gleichstellung weiter voran?
Gegenwärtig kämpfen wir an vielen Fronten, etwa in Wirtschaft, Politik und Gesundheitswesen. Aber wir dürfen die Bereiche nicht isoliert betrachten. Nur dann kommen wir zu Lösungen, die viel mehr sind als die Summe ihrer Einzelteile.
Gendergerechtigkeit und Fortschritte auf dem Weg dorthin betreffen alle Aspekte unseres Lebens, wie sie ineinandergreifen und wie sie insgesamt unsere Erfahrungen prägen. Wir brauchen einen tiefen Wandel auf allen Ebenen. Das müssen wir von mehreren Seiten anpacken, denn letztlich hängt alles zusammen und voneinander ab: Bildung, Entscheidungsmacht, wirtschaftliche Selbstbestimmung und Unabhängigkeit.
Gendergerechte Bildungschancen schaffen
Bildung ist das A und O, das kann man gar nicht genug betonen.
Und da sind Frauen und Mädchen massiv benachteiligt. Immerhin rückt das Thema seit einigen Jahren für die Politik stärker in den Fokus. Wir müssen die Mädchen von heute fördern, damit sie als Frauen von morgen ihr volles Potenzial entfalten. Also müssen wir ihr Selbstvertrauen und ihren Ehrgeiz stärken, für welchen Lebensweg sie sich auch entscheiden. Das gilt besonders für jene, die am Rande der Gesellschaft stehen. Bildung kann ihnen die Kraft und die Mittel geben, soziale Barrieren zu hinterfragen und einzureißen.
Wenn die Verantwortlichen in unseren Ländern es ernst meinen mit dem Vorrang für Bildung, dann müssen sie dafür sorgen, dass Bildung für alle bezahlbar und zugänglich ist. Staat und Zivilgesellschaft spielen da eine unterschiedliche, aber gleichermaßen wichtige Rolle.
Mehr Frauen-Power in Politik und Wirtschaft birgt BIP-Potenzial von 20 Prozent
Wir brauchen eine ausgewogene Vertretung auch da, wo in Wirtschaft und Politik die Entscheidungen fallen.
Laut den Vereinten Nationen stellen Frauen weltweit nur 25,5 Prozent der Abgeordneten in den Parlamenten. Daten der Weltbank zufolge wäre das Pro-Kopf-BIP fast 20 Prozent höher, wenn Frauen in gleichem Maße berufstätig wären wie Männer.
Geht es um Dinge wie Mobilität, Elternschaft, Vermögen, Heirat, Unternehmensgründung und Rente, haben Frauen weltweit noch immer nur drei Viertel der Anrechte von Männern. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation verdienen Frauen im Schnitt weiterhin rund 20 Prozent weniger als Männer.
Nur ein Viertel aller Start-ups stehen im Eigentum oder unter der Leitung von Frauen. Gleichzeitig sind es vor allem die Frauen, die die Familie versorgen und somit auch über das Haushaltsgeld verfügen.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Frage ist nur: Hören wir hin?
Gleiche Teilhabechancen in Politik und Wirtschaft sind nirgendwo in Sicht – trotz der transformativen Wirkung, die dies auf unser aller Leben hätte. Wir brauchen eine breite Vielfalt an Meinungen und Erfahrungen, die in die politische Agenda einfließen. Männer und Frauen jeden Alters, jeder Herkunft und jeder ethnischen Zugehörigkeit müssen die Chance haben, ihre Talente mit uns allen zu teilen.
Frauen gründen mehr Geschäfte als Männer, aber bei 68 Prozent hapert es am nötigen Geld
Eine ausgewogene Vertretung könnte auch Fortschritte bei der wirtschaftlichen Teilhabe und Eigenständigkeit von Frauen bringen.
Konzepte und Geschäftsprojekte von Frauen bieten oft lokale Lösungen für lokale Probleme. Zum Teil, weil sie genau wissen, was vor Ort gebraucht wird, ihre Unternehmen eher klein sind und sie in relevanten Branchen wie Handel und Dienstleistungen agieren.
Ja, der globale Wandel scheint oft weit weg und außer Reichweite, aber vor Ort können Frauen und Mädchen mit Eigeninitiative viel bewirken.
In den letzten Jahren haben Frauen im Schnitt etwas häufiger Geschäfte gegründet als Männer, aber noch immer hapert es an den nötigen Krediten. Die Weltbank hat in ihrer Global Findex Database 2021 eine Finanzierungslücke für formelle frauengeführte kleinste, kleine und mittlere Unternehmen von 1,7 Billionen US-Dollar ermittelt. Und über 68 Prozent der kleinen Unternehmen in Frauenhand haben keinen oder nur unzureichend Zugang zu Finanzdienstleistungen.
Vereinfacht gesagt: Das System und seine derzeitigen Strukturen passen besser für Männer als für Frauen.
Regierungen und multilaterale Akteure müssen helfen, diese Mängel zu beseitigen. Wir brauchen niederschwellige Investitionsprogramme für Frauen. Solche Programme müssen ihnen auch klare Anreize bieten und Bewegungen unterstützen, die dies bereits tun. Das Gleiche gilt für junge Menschen: Lösungen für sie müssen ganz oben auf die politische Agenda rücken.
Bildung und eine gezielte Förderung würden auch mehr Frauen in Leitungspositionen bringen. Das brächte ausgewogenere Entscheidungsstrukturen, die verhindern, dass Männer in Machtpositionen Frauen ausbeuten. Denn das passiert noch allzu oft überall auf der Welt.
Die wertvollen Erfahrungen von Frauen
Ein pragmatischer, aber ehrgeiziger Ansatz zu den drei genannten Überlegungen würde gewiss helfen, die Erfahrungswelt von Frauen und Mädchen positiv zu verändern.
Und sind unsere Erfahrungen nicht unser größter Reichtum? Wir treffen Menschen, die Frauen fördern, ihr Wissen teilen und viel Zeit und Kraft dafür aufwenden. Wir treffen aber auch solche, die – aus welchen Gründen auch immer – Frauen Steine in den Weg rollen.
Beides kann uns stark machen. Wenn wir an uns selbst wachsen und an denen, die uns dabei helfen. Und wenn wir jenen trotzen, die sich uns in den Weg stellen.
Bei alldem sollten wir wissen, dass es ok ist, um Hilfe zu bitten. Jeder Mensch braucht Hilfe. Leider lenkt Diskriminierung nach Geschlecht und Alter unseren Blick oft mehr auf unsere Misserfolge denn auf unsere Erfolge. Was hilft ist: innehalten, reflektieren, lernen und weiter dranbleiben. Wer um Hilfe bittet, zeigt keine Schwäche, sondern Stärke. Denn nur zusammen können wir Großes erreichen.
Mädchen und Frauen verändern schon jetzt die Welt. Wenn wir die Blockaden im System ausräumen, ist nach oben hin alles möglich.
Neha Karki ist Jugendvertreterin aus Nepal bei Plan International.
Chika Russell ist die Firmenchefin von CHIKA’S Foods. Ihr Unternehmen bietet afrikanische Snacks aus handwerklicher Produktion an.
Der ursprüngliche Artikel wurde auf Devex.com veröffentlicht.