Zurzeit werden in europäischen Haushalten Millionen intelligente Strom- und Gaszähler eingebaut
Wenn Janet Thickpenny Lust auf eine Tasse Kaffee hatte, stellte sie einfach ihren Wasserkocher an. Oft war sie jedoch mit etwas anderem beschäftigt, während das Wasser kochte. Bis sie an den Kaffee dachte, war das Wasser schon wieder abgekühlt und sie musste das Gerät erneut einschalten.
Seit in ihrem Haus in Barry, einer Küstenstadt in Wales, ein intelligenter Zähler eingebaut wurde, ist mit dieser Art von Energieverschwendung Schluss. Der intelligente Zähler mit seinem Haushaltsdisplay zeigt ihr nun an, wie sich das auf ihre Energierechnung auswirkt. Diese Informationen helfen ihr, die Kosten besser im Blick zu behalten. „Sie werden überrascht sein, wie viel Strom ein Wasserkocher verbraucht“, sagt sie.
Zurzeit werden in europäischen Haushalten viele Millionen intelligente Strom- und Gaszähler eingebaut. In Großbritannien soll nach den Plänen der Regierung jeder Haushalt bis 2020 mit intelligenten Zählern ausgestattet sein. Für eine flächendeckende Einführung werden 53 Millionen neue Strom- und Gaszähler benötigt, was Investitionen in Höhe von schätzungsweise 10 Milliarden Pfund Sterling erfordert. Intelligente Stromzähler in Großbritannien messen in Echtzeit den Strom- oder Gasverbrauch, was wiederum einen Anreiz schafft, weniger zu verbrauchen. Das hilft Verbrauchern, die ihren Energieverbrauch und potenziell auch ihre CO2-Emissionen verringern möchten.
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Das größte Darlehen unter dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) gewährte die Europäische Investitionsbank im vergangenen Jahr für die Finanzierung intelligenter Zähler. Mithilfe des EFSI wird die Europäische Investitionsbank ein Vorhaben zur Installation intelligenter Stromzähler mit 500 Millionen Euro unterstützen. Das Projekt mit Gesamtkosten von 1,4 Milliarden Euro wird von Calvin Capital verwaltet, einem britischen Unternehmen, das für Energieversorger die Installation neuer Zähler finanziert und verwaltet.Insgesamt sollen durch den EFSI bis 2018 zusätzliche Investitionen von 315 Milliarden Euro ermöglicht werden. Das Anfangskapital stellen die EIB und die Europäische Kommission bereit.
Als Teil des Investitionsplans für Europa soll der EFSI unter anderem dafür sorgen, dass die EIB innovative Projekte finanziert. Dadurch zeigt die Bank, dass sie ein Vorhaben für tragfähig hält, was private Investoren dazu ermutigt, sich ebenfalls zu beteiligen. Beim Darlehen für intelligente Zähler musste die EIB einen Punkt berücksichtigen, der für den britischen Energiemarkt typisch ist, es jedoch schwierig machte, die Konditionen der Operation festzulegen.
Wenn ein britischer Energieversorger in einem Haushalt einen intelligenten Zähler einbaut, ist der Verbraucher trotzdem nicht an ihn gebunden. Der Kunde kann nach dem Einbau eines intelligenten Zählers jederzeit beschließen, zu einem anderen Energieversorger zu wechseln. In diesem Fall wird es für den ursprünglichen Versorger möglicherweise schwierig, die in den Zähler investierten Mittel zurückzuerhalten.
Calvin Capital ist darauf eingestellt, dass Kunden unter Umständen ihren Energieversorger wechseln, da dieses Phänomen bekannt ist. Schließlich hat Calvin seit 2002 den Kauf und Einbau von über sechs Millionen Zählern finanziert, davon über eine Million intelligente Zähler. Allein im Rahmen der jetzigen EFSI-Operation werden weitere sieben Millionen intelligente Zähler finanziert.
Bei der Operation mit der EIB entschied sich das Unternehmen für ein Geschäftsmodell, das den Effekt des Anbieterwechsels außen vor lässt. Während der Versorger früher bei einem Wechsel den Zähler zusammen mit dem Kunden verlor, ist er nun nicht mehr selbst Eigentümer der Zähler, sondern Calvin. Mit Unterstützung der EIB bietet das Unternehmen mit Sitz in Manchester eine Lösung an, die funktioniert – unabhängig vom gewählten Anbieter.
Alles passt zusammen
Mit dem EFSI-Darlehen zeigt die EIB, dass sie das Geschäftsmodell von Calvin unterstützt. So will sie den Sektor auch für andere Investoren attraktiv machen und einen Beitrag zur Modernisierung der Energieinfrastruktur leisten.
Durch die Garantie des EFSI konnte die EIB einen höheren Darlehensbetrag vergeben, als es ihr im Rahmen ihrer regulären Tätigkeit möglich gewesen wäre.
„Es handelt sich um eine große Operation, aber letztlich stärkt unser Engagement das Vertrauen der Marktteilnehmer in das Vorhaben und gewährleistet die Wirtschaftlichkeit des Projekts“, erklärt Peter Jacobs, Leiter der Abteilung Projektfinanzierungen der EIB.
Die britische Regierung ist davon überzeugt, dass intelligente Zähler sowohl für Kunden als auch für Gas- und Stromanbieter große Vorteile mit sich bringen:
- Die Verbraucher werden genauere Abrechnungen erhalten und in der Lage sein, ihren Verbrauch zu überwachen und zu senken.
- Die Versorgungsunternehmen müssen die Zähler nicht mehr von ihren Mitarbeitern ablesen lassen und sparen auf diese Weise Betriebskosten. Die Kunden wiederum brauchen keinen Termin zu vereinbaren und zu Hause zu bleiben, um auf die Ableser zu warten.
- Die Belastung der Callcenter durch Kunden, die ihre Rechnungen anfechten, wird sich verringern, da der laufende Verbrauch bequem auf dem Haushaltsdisplay abgelesen werden kann und die Fakturierung am Ende des Monats immer präzise sein wird.
Ein erstes Vorbild
Janet Thickpennys Töchter achten jedenfalls seit dem Einbau des intelligenten Zählers deutlich mehr auf ihren Energieverbrauch. „Mit einem Signalton macht uns der Zähler darauf aufmerksam, dass wir mehr Energie als üblich verbrauchen“, erläutert Thickpenny. „Dann flitzt meine jüngste Tochter durchs Haus, um die Stecker aus den Steckdosen zu ziehen.“
Die flächendeckende Einführung intelligenter Zähler in Großbritannien erfordert noch viel Arbeit – und umfangreiche Investitionen. Genau darin besteht eine Aufgabe des EFSI: Er soll die notwendige Dynamik schaffen, um neue Entwicklungen in strategischen Wirtschaftssektoren voranzutreiben.
Und das scheint zu gelingen. Seit die EIB das Darlehen an Calvin vergeben und im vergangenen Jahr weitere Verträge für die Finanzierung von intelligenten Zählern in der gesamten Europäischen Union unterzeichnet habe, sei er von anderen britischen Unternehmen kontaktiert worden, die an ähnlichen Geschäften interessiert seien, so Peter Jacobs von der EIB.
„Nun gibt es ein erstes Vorbild“, betont Jacobs. „Alle, die ein vergleichbares Vorhaben ins Auge fassen, wissen, dass sie auf die Unterstützung der EIB zählen können. Und das Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns ist groß.“