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Faire Chancen bei der Wohnungssuche

Britisches Start-up bekämpft unbewusste Vorurteile auf dem Wohnungsmarkt

Von 22 August 2024
 

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Stellen Sie sich vor, Sie sind alleinerziehende Mutter, freiberuflicher Schriftsteller, Hundebesitzerin oder Migrant auf Wohnungssuche. Sie haben ein Einkommen und bezahlen stets Ihre Rechnungen. Und trotzdem wird Ihre Bewerbung immer wieder abgelehnt. Der Grund: Ihr Profil macht Vermietende nervös.

„Wir haben leider nicht alle die gleichen finanziellen Möglichkeiten“, sagt Sarah Wernér, Mitgründerin des Fintech-Unternehmens Husmus. „Über Erfolg und Misserfolg entscheidet oft unsere Kreditwürdigkeit – aber die beruht oft auf Vorurteilen und ist ungenau. Das kann böse Auswirkungen haben, zum Beispiel wenn jemand eine Wohnung sucht.“

Als Wernér 2019 ihr Elternhaus in England erbte, wurde sie plötzlich selbst Vermieterin. Das öffnete ihr die Augen und irritierte sie zugleich. Denn auch sie vermietete lieber an Menschen mit „guten“ Jobs, etwa Ärztinnen oder Anwälte.

 „Ich weiß, dass wir alle unbewusst voreingenommen sind, und trotzdem passierte es auch mir“, erinnert sie sich. „Ich dachte: ‚Was ist da los? Warum tust du das?‘ Und dann verstand ich: Es waren finanzielle Gründe. Wir Menschen handeln so, weil wir Angst haben, Geld zu verlieren.“

2021 gründete Sarah Wernér gemeinsam mit ihrem schwedischen Ehemann Mattias die Plattform Husmus (schwedisch für ‚Hausmaus‘). Ihr Ziel: zuverlässigen Wohnungssuchenden eine faire Chance auf ein Zuhause zu geben.

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Das wahre Gesicht

Wernér ist Datenwissenschaftlerin. Es musste doch noch einen besseren Weg geben, um herauszufinden, ob jemand ein guter Mieter ist, dachte sie.

„Schon die Kennzahlen an sich sind sehr verzerrt“, sagt sie. „Die Welt ist heute nicht mehr so wie vor 200 Jahren, als Banken anfingen, Dinge wie Kreditratings zu nutzen. Heute verdienen wir unseren Lebensunterhalt anders.“

Wernér wollte mit neuen Technologien personalisiertere Informationen gewinnen, zum Beispiel über die Mietgeschichte einer Person, um die Wohnungssuche gerechter zu machen.

Mithilfe von KI und maschinellem Lernen untersucht Husmus das finanzielle Verhalten Tausender Menschen in Echtzeit. „Wir sehen dein wahres Gesicht“, sagt Wernér. „Wer du wirklich bist, ohne Vorurteile, die das Urteil verfälschen.“

Husmus stand 2023 im Finale des Wettbewerbs für Soziale Innovation der Europäischen Investitionsbank. Damit zeichnet die Bank Unternehmen für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement aus.

Keine Kaution, keine Bürgschaft

Basierend auf seinen Bewertungen schlägt Husmus eine Mietbürgschaft vor, die an jede Lebenssituation angepasst ist. Ist diese unter Dach und Fach, kann der Mietvertrag unterschrieben werden. Hohe Kautionen gehören damit der Vergangenheit an. Schätzungsweise fünf Milliarden Pfund sind derzeit im Vereinigten Königreich als Mietkaution hinterlegt – Geld, das besser genutzt werden könnte.

„Ich kenne Leute, die ihren Kindern keine neuen Schuhe kaufen konnten, weil sie für die Kaution sparen mussten“, erzählt Wernér.

Auch die schwierige Suche nach Bürgen entfällt dank Husmus.

„Manchmal bekommt man nur dann einen Mietvertrag, wenn die Mutter, der Vater oder ein anderes Familienmitglied bereit sind, sich zu verbürgen. Aber was, wenn du keine Eltern mehr hast? Wenn du neu in einem Land bist? Es gibt so viele Gründe, warum jemand keine Bürgen findet. Auch das fällt unter das Thema Voreingenommenheit.“

Vorteile auch für Vermietende

Nicht nur Mieterinnen und Mieter profitieren von Husmus. Die KI-Risikobewertung hilft Vermietenden, die Berge von Bewerbungen erhalten.

„Niemand muss mehr die Unterlagen durchackern, um eine erste Auswahl zu treffen“, erklärt Wernér. „Wir schicken einfach eine Shortlist und fertig.“

Die Bewertungen von Husmus zeigen Details, die ein Kreditrating nicht darstellen kann. Das Unternehmen deckte sogar einen Identitätsbetrug auf. Eine Vermieterin schrieb: „Die Verhaltensbewertung ist eine super Idee. Ich habe schon an Menschen vermietet, die auf dem Papier hervorragend klangen, sich dann aber als wahre Vandalen entpuppten. Das waren Ärzte.“

Wer über Husmus vermietet, kann auch eine Versicherung abschließen, die vor Mietausfällen oder Schäden an der Wohnung schützt. Wernér meint, dies erleichtere es den Vermietenden, „andere Lebensstile großzügiger zu akzeptieren und weniger voreingenommen zu entscheiden.“

Eine Versicherung für alle

Das Modell von Husmus ist möglich, weil das Vereinigte Königreich und die EU jüngst grünes Licht für das „Open Banking“ gegeben haben. Das bedeutet, dass Kundinnen und Kunden ihre Finanzdaten selbst kontrollieren. Sie können sie mit Dritten teilen, etwa mit Fintech-Unternehmen, um deren Produkte und Leistungen zu nutzen.

Die EU und das Vereinigte Königreich haben neue Vorschriften erlassen, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen, die Finanzdienste brauchen, vor allem die Schwächsten. Die Hauptkunden von Husmus sind Versicherungsgesellschaften. Für sie ist es natürlich vorteilhaft, dass die Mieterinnen und Mieter bereits geprüft wurden.

„Die neuen Regeln sind genau zum richtigen Zeitpunkt für uns gekommen“, sagt Wernér. „Die Versicherungen verdienen damit sogar noch besser, weil sie schon vorher sehen, wer ihr Produkt kauft.“

Die Plattform von Husmus ist auf verschiedenen Immobilien-Portalen zu finden. Wenn sich jemand für eine Wohnung bewirbt, bittet Husmus um Zugriff auf die Finanzdaten, schickt sie durch den Algorithmus und liefert sofort eine Bewertung. Wer diese Hürde nimmt (und die meisten tun das), bekommt ein Rating und ein Versicherungsangebot. Husmus löscht die Daten dann sofort wieder, sodass es keine Probleme mit dem Datenschutz gibt.

Aber bitte sozial

In weniger als drei Jahren hat Husmus mehr als 12 000 Menschen dabei geholfen, ein Zuhause zu finden. Etwa 26 Prozent davon gehören „finanziell ausgegrenzten“ Gruppen an. Sie arbeiten zum Beispiel außerhalb der üblichen Zeiten, haben eine schlechte Bonität oder erhalten staatliche Unterstützung.

2024 will das Unternehmen etwa 50 000 Menschen helfen – durch seine Partnerschaften hat es immerhin Zugang zu mehr als einer Million Menschen. Außerdem will es in die Gewinnzone kommen.

Bisher gibt es das Angebot von Husmus nur im Vereinigten Königreich, aber bis 2026 will das Unternehmen nach Deutschland, Frankreich und in die Niederlande expandieren. Außerdem möchte es neben dem Versicherungsgeschäft auch im Bankensektor aktiv werden mit KI-gestützten Entscheidungen über Kredite und Hypotheken.

Husmus‘ Modell könnte in vielen Sektoren eingesetzt werden, wo unbewusste Vorurteile am Werk sind, etwa bei der Jobsuche.

„Vorerst konzentrieren wir uns weiter darauf, den Menschen zu helfen, eine Wohnung zu finden“, so Wernér. „Aber wer weiß, wohin unsere Träume und unsere Leidenschaft uns in fünf bis zehn Jahren tragen. Solange wir ein Unternehmen mit sozialer Wirkung bleiben, bin ich zufrieden.“