Die Kakaonachfrage steigt und bedroht die Wälder in den Anbauländern. Neue EU-Vorschriften sollen die „importierte Entwaldung“ stoppen, während die Bank der EU gemeinsam mit Côte d’Ivoire gerodete Flächen wieder aufforstet
Von Jane Feehan
Côte d’Ivoire ist der größte Kakaoproduzent weltweit. Als ich 2019 in das westafrikanische Land zog, sah ich mit eigenen Augen, dass die in Südamerika heimische Theobroma cacao dort ein wichtiges Standbein der Wirtschaft geworden ist. Kakao steht für über 40 Prozent des Exportumsatzes, seine Wertschöpfungskette gibt rund sechs Millionen Menschen im Land Arbeit.
Das Tragische ist nur: Durch den Kakaoboom hat Côte d’Ivoire in den letzten 25 Jahren alarmierende 60 Prozent seiner Waldflächen verloren. Wälder gibt es eigentlich nur noch in Nationalparks und Waldschutzgebieten, und selbst dort wurden bereits große Flächen dem Kakao geopfert. Dabei bestimmen Naturkapital und Naturerbe ganz wesentlich die nationale Identität des Landes: So ist der Elefant symbolisch allgegenwärtig, nur in der Wildnis trifft man das Wappentier heute kaum noch an. Die Entwaldung ist ein noch schlimmerer Umweltverlust, der weitreichende Auswirkungen auf alles hat – auf Bodenfruchtbarkeit, Bewirtschaftung von Wassereinzugsgebieten und Wasserqualität, Biodiversität, Kohlenstoffspeicher und vielfältige Güter und Dienstleistungen, die wir dem Wald verdanken und auf die viele arme Menschen in ländlichen Gegenden angewiesen sind.
Aber das könnte sich jetzt ändern. Wir stehen am Anfang eines Jahrzehnts, das die Wende bringen soll. Die Europäische Union hat zwei neue Rechtvorschriften vorgelegt, die Mitte des Jahres verabschiedet werden könnten. Den Anstoß dafür gaben der grüne Deal, die Dekade der Vereinten Nationen für die Wiederherstellung von Ökosystemen, besonders aber wachsende Sorgen über die Auswirkungen des Kakaoanbaus auf die Wälder und das Wohlergehen der Menschen – auch Kinder –, die entlang der Wertschöpfungskette arbeiten. Gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank wird das westafrikanische Land außerdem ein Aufforstungsprojekt finanzieren.
Kakao ist auf dem Vormarsch
Côte d’Ivoire zählt zu den am wenigsten entwickelten Ländern und liegt im UN-Index der menschlichen Entwicklung auf Platz 162 von 189; fast ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Kakao ist neben Cashews, Bananen und Kaffee heute die wichtigste Einnahmequelle des Landes.
Und der Kakaokonsum steigt – trotz der Pandemie und ihrer Folgen, wie einer geringeren Nachfrage nach Craft- und Luxusschokoladen sowie Störungen der Lieferketten durch die coronabedingten Einschränkungen. Längerfristig dürfte der globale Kakaobohnenmarkt von 2019 bis 2025 im Durchschnitt um jährlich 7,3 Prozent auf 16,32 Milliarden US-Dollar wachsen. Der Schokoladenmarkt hatte 2017 ein Einzelhandelsvolumen von 106,19 Milliarden US-Dollar, bis 2026 wird ein Anstieg auf 189,89 Milliarden US-Dollar erwartet. Rein wirtschaftlich gesehen ist das gut für Côte d’Ivoire, wo 42 Prozent des weltweit produzierten Kakaos herkommen.
Aber für die Wälder des Landes ist es hochgefährlich. Denn wenn es so weitergeht, sind in 20 Jahren alle natürlichen Wälder von Côte d’Ivoire verschwunden.
EU-Gelder und -Gesetze gegen importierte Entwaldung
Deshalb ist das erste der beiden EU-Gesetze so wichtig. Es betrifft die importierte Entwaldung. Mit der Einfuhr von Erzeugnissen wie Kakao, Palmöl, Fleisch, Mais und Soja trägt die EU indirekt etwa zehn Prozent zur weltweiten Entwaldung bei. Um zu verhindern, dass ihre beträchtliche Marktmacht weiterhin die Zerstörung von Wäldern in anderen Teilen der Welt vorantreibt, plant die EU neue Vorschriften zur Herkunft und Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen wie Kakao. Mit dem zweiten neuen Gesetz verankert die EU Nachhaltigkeit in ihrem Regelungsrahmen zur Corporate Governance. Dadurch sollen die Vorschriften zur sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen mehr Biss bekommen.
Die EU kann damit viel bewirken. Schließlich ist sie der größte Kakaoabnehmer von Côte d’Ivoire und importiert 67 Prozent der dort angebauten Kakaobohnen. Die Europäische Investitionsbank, Mitgliedstaaten und Entwicklungsagenturen der EU bündeln nun ihre Kräfte in einer Initiative von Team Europe für nachhaltigen Kakao in Côte d’Ivoire.
Auch die Regierung des Landes hat eine ehrgeizige Strategie entwickelt, um die Wälder zu schützen, zu sanieren und wiederaufzuforsten. Die sogenannte Stratégie de Préservation, de Réhabilitation et d’Extension des Forêts en Côte d’Ivoire ist ein umfassender Zehnjahresplan, der das Problem von allen Seiten angeht: mit neuen Baumschulen im ganzen Land, Aufklärung und Ausbildung, Agroforstwirtschaft, gezielten Saatgut-Sammelprogrammen für wilde und indigene Arten, Einbindung des Privatsektors, Sanierung, Neuanpflanzung und staatlichen Auflagen.
Nach ersten Sondierungsgesprächen prüft ein Team von Forst- und Finanzfachleuten der Europäischen Investitionsbank, wie die Bank die ivorische Regierung bestmöglich bei der Finanzierung und Umsetzung ihres ehrgeizigen Plans unterstützen kann. Wir haben bereits technische Hilfe für seine Vorprüfung und Prüfung mobilisiert. Unsere Finanzierung würde sich dann auf kapitalintensive Strukturinvestitionen wie Baumschulen, Infrastruktur, Ausrüstung, Aufforstung und Wiederaufforstung konzentrieren, aber auch Gelder für Studien, Bestandsaufnahmen und Waldbewirtschaftungspläne bereitstellen.
Langfristige Perspektive
Die Europäische Investitionsbank geht das Projekt langfristig an, wie es dem Zeitplan von Côte d’Ivoire entspricht. Wir stellen die Kakao-Wertschöpfungskette auf den Prüfstand und helfen dem Land mit unseren Investitionen, sich seine Absatzmärkte in der EU zu sichern. Außerdem unterstützen wir Côte d’Ivoire bei der Wiederherstellung seines Naturerbes. Einige Baumarten werden angepflanzt, um kurz- und mittelfristig lokalen Bedarf an Wald- und Holzprodukten zu decken und damit die übrigen Wälder zu entlasten. Andere kommen künftigen Generationen zugute: die spektakulären Giganten der dortigen Wälder, wie der mächtige Kapokbaum mit seinen massiven Brettwurzeln und weit ausladenden Ästen oder symbolträchtige Arten wie der Tiama und der Limbabaum, die hochwertiges Holz liefern, in der Wildnis aber selten geworden sind. Solche Bäume brauchen viele Jahrzehnte, bis sie ihre volle Größe erreichen, und stehen sinnbildlich für die Transformation, die nun im Gange ist. Die Wälder, die jetzt neu wachsen, sind ein Vermächtnis der Entwicklung, das uns alle überdauern wird.
Jane Feehan leitet das Regionalbüro der Europäischen Investitionsbank für Westafrika in Abidjan.