Das indische Start-up rePurpose verkauft Plastikgutschriften, um die Müllflut einzudämmen und Jobs für Arme zu schaffen
Ein Besuch in Deonar öffnete dem Gründerteam von rePurpose Global die Augen: Auf einer der größten Abfalldeponien der Welt im indischen Mumbai erkannten sie das ganze Ausmaß des Problems.
„Da gingen wir über Berge von Plastik, auf denen Müllsammler alles aufklaubten, was ihnen irgendwie verwertbar erschien, und hinter uns ragte die glitzernde Skyline des indischen Finanzzentrums in den Himmel“, erinnert sich Peter Wang Hjemdahl, Gründer von rePurpose Global.
Im selben Blickfeld sahen sie die Glastürme mit den Büroangestellten, die den Abfall produzierten, und die Menschen, die davon notdürftig zu leben versuchten. „Dieser Kontrast spornte uns an, etwas zu tun“, sagt Peter.
Peter und seine Mitbegründer, Svanika Balasubramanian und Aditya Siroya, studierten an der Wharton School of Business der University of Pennsylvania. In einem der Seminare mussten sie eine spannende Frage bearbeiten: Wie verdoppelt man das Einkommen von zehn Millionen Menschen, die in den Großstadt-Slums der Welt in extremer Armut leben?
„Unsere Neugier war geweckt. Schnell fanden wir heraus, dass Müllsammeln einer der häufigsten Jobs für Arme in Städten ist“, erzählt Peter. „Jeden Tag recyceln Hunderte Millionen informelle Arbeiterinnen und Arbeiter im Hintergrund Müll.“
Hinzu kommt: Die schieren Mengen des Mülls übersteigen jede Vorstellungskraft und richten Schaden in vielerlei Hinsicht an. Ein Artikel des National Geographic von 2018 rüttelte auf: Die Erde muss mit 9,2 Milliarden Tonnen Plastik fertig werden.
„Über 6,9 Milliarden Tonnen werden zu Abfall, davon landen 6,3 Milliarden Tonnen aber nie in der Recyclingtonne. Das stellten Forschende 2017 fassungslos fest.“
CO2-Ausgleich als Vorbild
Das Trio wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und gründete rePurpose Global, ein gewinnorientiertes Unternehmen. rePurpose orientiert sich an der Idee des CO2-Ausgleichs – Emissionen an einer Stelle werden durch Einfangen und Speichern von Kohlenstoff an einer anderen Stelle ausgeglichen. So beschafft es Geld für Recyclinganlagen an Orten wie Deonar. 2018 gewannen sie mit dieser Idee den President’s Innovation Prize der University of Pennsylvania. Der mit 200 000 US-Dollar dotierte Preis bildete den Grundstock für ihr eigenes Sozialunternehmen.
Zwischen dem wachsenden Wunsch nach einem nachhaltigen Konsum und der massiven Menge an Plastikmüll in der Umwelt sieht Peter eine klaffende Lücke. rePurpose Global will diese Lücke schließen. Dazu bietet es Unternehmen die Möglichkeit, für die Beseitigung des Mülls zu zahlen und so „plastikneutral“ zu werden. Eine Plastikgutschrift von rePurpose Global für 50 US-Cent entspricht einem Kilogramm Plastik, das aus der Umwelt beseitigt wird – ein Kilo Abfall, das sonst auf einer Deponie oder im Meer gelandet oder verbrannt worden wäre.
Unternehmen und Privatpersonen tragen so zu Lösungen bei und werden gleichzeitig animiert, ihren Plastikverbrauch zu reduzieren. Das System funktioniert, weil die Erfolge wirklich messbar sind, meint Peter und ergänzt:
„Wir wollen nichts finanzieren, was es schon gibt. Wir wollen Bestehendes aufbrechen und neue Infrastruktur und Systeme schaffen, die den Status Quo verbessern.“
In nur drei Jahren, zwei davon in der Pandemie, begeisterte rePurpose Global 200 Firmen von der Idee der „Plastikneutralität“, darunter große Fortune-500-Unternehmen wie Google, Colgate und Credit Suisse.
Eine Welt ohne Plastik
Mit seinen Einnahmen unterstützt rePurpose Global „14 Projekte, die die Umwelt jedes Jahr von 14 Millionen Pfund Plastikmüll befreien“, erzählt Peter. rePurpose Global finanziert den Kauf von Lastwagen und Sortieranlagen und schafft menschenwürdige Arbeitsbedingungen für über 10 000 Müllsammlerinnen und -sammler, unter anderem in Indonesien, Kenia und Kolumbien. Das Start-up vergibt außerdem Finanzierungen für Forschung und Innovationen, die Kunststoff irgendwann vollständig ersetzen könnten.
rePurpose Global gehörte im Jahr 2021 zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Mit diesem Wettbewerb fördert die Europäische Investitionsbank Lösungen für Umwelt- und Sozialprobleme. rePurpose Global will das in seinen Projekten gesammelte Plastik möglichst effizient und schonend entsorgen. Manches davon wird recycelt, aber meistens handelt es sich um Kunststoffe schlechterer Qualität, wie etwa Bonbonpapier, Plastikfolien und Tüten. Einiges wird als Brennstoff verwendet, anderes wird in seine Bestandteile zerlegt, um wiederverwendet zu werden, etwa in Beton.
Für Peter, seine Mitgründer und Teammitglieder liegt der springende Punkt aber im Umgang der Menschen mit Plastik.
„Bei Plastik kommen so viele Faktoren ins Spiel“, sagt er. „Es geht nicht nur darum, Schildkröten oder andere Meerestiere zu retten. Plastik hat auch viel mit extremer Armut zu tun. Deshalb suchen wir eine Lösung für das Plastikproblem, die alle Facetten abdeckt.“