Wiederaufbau in Georgien nach verheerenden Überschwemmungen und neue Infrastruktur für einen besseren Handel
Am späten Abend des 13. Juni 2015 fuhr Ilia Darchiashvili bei wolkenbruchartigem Regen durch das Stadtzentrum von Tiflis. Auf der Schnellstraße Chabua-Amirejibi näherte er sich einer Brücke über die Vere, einen Nebenfluss der größeren Kura, und geriet in einen Stau. Ilia Darchiashvili wendete seinen Toyota und fuhr zu einer anderen Brücke, an der kein Stau war. Zu Hause angekommen, ging er zu Bett. „Es gab nur heftige Regenfälle und einen Verkehrsstau. Nichts deutete darauf hin, dass irgendetwas passieren würde“, erinnert er sich.
„Dann geschah es.“
Am nächsten Morgen waren eine Million Kubikmeter Schlamm in die Vere geflossen, die sich daraufhin an zwei Stellen staute. Der Fluss trat über die Ufer und überflutete das Zentrum der georgischen Hauptstadt. 19 Menschen starben und 22 000 der 1,1 Millionen Einwohner von Tiflis waren ohne Strom. Jaguare und Nilpferde entkamen aus dem Zoo und streunten durch die Straßen. Ein Mann wurde von einem Tiger zerfleischt.
Ilia Darchiashvili war zu dieser Zeit Manager des georgischen Fonds für Kommunalentwicklung und organisierte zusammen mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung von Tiflis und anderen staatlichen Stellen ein Hilfsprogramm für die Opfer der Katastrophe.
„Unser oberstes Ziel war es, die Sicherheit für die Menschen zu gewährleisten,” erklärt der 35-Jährige, der jetzt stellvertretender Minister für Regionalentwicklung und Infrastruktur des Landes ist. „Im Anschluss daran haben wir unseren Schwerpunkt auf den Wiederaufbau gelegt. Parallel dazu haben wir uns auf die Suche nach zusätzlichen Finanzierungsmitteln gemacht.“
Wiederaufbau nach den Schlammlawinen
Eine der am schnellsten reagierenden Institutionen war die Europäische Investitionsbank, die ihre Finanzierungen in Georgien in den letzten Jahren ausgeweitet hatte. Im letzten Jahr eröffnete die EIB ein Regionalbüro in Tiflis. Bis Ende 2016 erwartet die Bank ein Finanzierungsvolumen von insgesamt rund einer Milliarde Euro in Georgien.
Als die EIB von der Katastrophe erfuhr, bereitete der für Georgien zuständige Kreditreferent in der Abteilung Öffentlicher Sektor bereits eine andere Finanzierung vor, die der Modernisierung der kommunalen Infrastruktur des Landes dienen sollte. Das Team arbeitete schnell eine zweite Fazilität aus, die für die Beseitigung der durch die Naturkatastrophe verursachten Schäden bestimmt sein sollte.
In der darauffolgenden Woche flogen EIB-Mitarbeiter nach Tiflis, um die Details auszuhandeln. Sie fanden eine Stadt vor, die noch immer von den Überschwemmungen und Schlammlawinen gezeichnet war. „Brücken und Straßen waren zerstört“, erinnert sich Georgia Koutsiana, die für die Operationen im öffentlichen Sektor zuständige Kreditreferentin der EIB. „Ein normaler Alltag war nicht mehr möglich.“
Finanzierung des Wiederaufbaus
Obwohl der Finanzierungsvertrag mit Georgien erst im Februar 2016 unterzeichnet wurde, leitete die Regierung in Erwartung eines weiteren EIB-Darlehens nach dem Abschluss der Verhandlungen den Wiederaufbau sofort in die Wege. Ingenieure der Direktion Projekte der Bank nahmen eine vorläufige Prüfung vor und genehmigten vorab eine Reihe verschiedener Wiederaufbauarbeiten.
Das Ergebnis ist ein Darlehen von 100 Millionen Euro in zwei Tranchen:
- 50 Millionen Euro für Hochwasserhilfe,
- 50 Millionen Euro für kommunale und Tourismusinfrastruktur.
Die meisten EIB-Darlehen decken höchstens die Hälfte der Projektkosten ab. Auf diese Weise will die Bank weitere Investoren zu einer Beteiligung bewegen und ihre eigenen Mittel effektiver einsetzen. Ihr „Gütesiegel“ für die betreffenden Projekte soll ein positives Signal aussenden. Im Falle der Georgien angebotenen Kreditfazilität für Soforthilfemaßnahmen wird die EIB die Projektkosten in voller Höhe finanzieren, da es sich um Maßnahmen im Anschluss an eine Naturkatastrophe handelt.
Investitionen in Georgien für jeden Bürger
Die Beteiligung der EIB am Wiederaufbau in Georgien hat vor Ort besondere Wirkung gezeigt. „Jeder Bürger unserer Hauptstadt war direkt von diesen Überschwemmungen betroffen,“ erklärte Minister Darchiashvili. „Die Soforthilfemittel der EIB haben zur Instandsetzung von Straßen und Infrastruktur beigetragen. Sie werden außerdem genutzt, um die Risiken einer Wiederholung der Katastrophe zu vermindern.“
Wie die Bank arbeitet auch Europa daran, die Beziehungen zu Georgien rasch zu intensivieren. 2014 unterzeichnete die EU ein Assoziierungsabkommen mit Georgien, das ein Viertel seines Handels mit europäischen Ländern betreibt. Das Abkommen sieht engere wirtschaftliche Beziehungen zwischen Europa und Georgien sowie Reformen der georgischen Wirtschaft vor.
Die Finanzierungen der EIB in Georgien spielen eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Ein wichtiges Ziel Georgiens ist es auch, ein regionales Handelszentrum zu werden. Dieses Bestreben basiert zu einem großen Teil auf der in jüngster Zeit erreichten politischen Stabilität.
Seit 2010 hat die EIB Darlehen im Umfang von insgesamt 700 Millionen Euro in Georgien bereitgestellt. Die Mittel haben einen konkreten Beitrag zu dieser Stabilität geleistet.
- Zurzeit finanziert die EIB mehrere Abschnitte einer Ost-West-Schnellstraße (E60), die von der georgischen Grenze zu Aserbaidschan im Osten des Landes bis Batumi, der Hafenstadt am Schwarzen Meer, verlaufen wird. „Die Schnellstraße wird ein wichtiger Teil einer neuen Seidenstraße sein“, erklärt die Kreditreferentin Georgia Koutsiana. Der letzte Abschnitt wird durch ein im Februar 2016 unterzeichnetes Darlehen von 49,5 Millionen Euro finanziert.
- Im Oktober 2015 hat die EIB ein Darlehen von 100 Millionen Euro zur Sanierung des Kanalisationsnetzes und zum Bau einer neuen Kläranlage in Kutaisi, der zweitgrößten Stadt des Landes, zur Unterzeichnung gebracht.
Finanzierungen für Georgien ... und in der gesamten Region
Das ist nur ein Teil der Infrastruktur, die Georgien benötigt, um seine wirtschaftlichen Ambitionen zu verwirklichen. Die EIB arbeitet auch an anderen notwendigen Projekten.
Problematisch ist beispielsweise die Abfertigung an der Grenze zu Armenien. Bei Warentransporten im Südkaukasus entfallen etwa 40 Prozent der Transportzeit auf die Grenzformalitäten. Auf der georgischen Seite wurden die Grenzstationen vor einigen Jahren modernisiert. Der Grenzübertritt von der armenischen Seite aus nimmt jedoch für LKW nach wie vor viel Zeit in Anspruch, da die Einrichtungen dort unzureichend sind. Unterstützt durch einen Finanzierungsbeitrag der EIB von 30 Millionen Euro wird Armenien in diesem Jahr eine moderne Grenzübergangsstelle eröffnen, die über eine ausreichende Kapazität verfügen wird, um auch in Spitzenverkehrszeiten eine effektive Abfertigung zu gewährleisten.
Mit Projekten dieser Art werden es künftig Handelsströme und nicht mehr die Fluten der Vere sein, die Georgien überschwemmen.