In Cagliari auf Sardinien bewahrt ein Unternehmen mit kostenlosen Führungen zu über 30 Denkmälern das örtliche Kulturerbe

Die Geschichte der Krypta Santa Restituta in Cagliari auf Sardinien reicht zurück bis in vorchristliche Zeiten. Über die Jahrhunderte diente sie als Kalksteinbruch, als religiöser Ort der Phönizier, als christliche Gebetsstätte und im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzraum. Heute ist die Krypta eines der bedeutendsten Denkmäler der Stadt. Doch bis Anfang der 1990er-Jahre war sie für die Öffentlichkeit geschlossen. Dann hatte die sardische Vereinigung Ipogeo die Idee, sie einmal im Jahr für kostenlose Führungen zu öffnen.

Massimiliano Messina ist einer von fünf Studierenden, die Ipogeo 1993 gründeten. Ihre Idee war, das reiche Kulturerbe von Cagliari „bei den jungen Menschen von heute und morgen“ bekannt zu machen. 

Aus einem bescheidenen Anfang mit kostenlosen Führungen in der Krypta Santa Restituta wurde bald ein jährliches Event: Monumenti Aperti – offene Denkmäler. Los ging es an einem Wochenende im Frühjahr 1997. Freiwillige von örtlichen Schulen und Vereinen boten Führungen zu 30 Denkmälern in Cagliari an, für Touristen und Einheimische.

Marco Cabitza zählte als damals 16-jähriger Schüler zu den ersten Freiwilligen bei Monumenti Aperti. Später machte er sein Steckenpferd zum Beruf und kümmert sich heute als Projekt- und Bildungsmanager um die Veranstaltung.

„Kulturerbe hat etwas Magisches“, sagt Cabitza. „Weil es Brücken baut zwischen Menschen und Gemeinschaften und von der Vergangenheit in die Zukunft. Es spielt eine grundlegende Rolle für unsere europäische Identität und gibt Impulse für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.“

Fabrizio Frongia, ebenfalls aus Cagliari, gründete 1993 die Kulturvereinigung Imago Mundi, die seit 1999 Monumenti Aperti organisiert. Für ihn ist „Kulturerbe ein Mittel, die eigene Identität zu bewahren. Und mit jungen Menschen, die die Geschichte eines Denkmals kennen, haben Sie starke Botschafter für Ihre Stadt.“

Monumenti Aperti gehörte 2023 zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Damit zeichnet das EIB-Institut jedes Jahr Unternehmen für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement aus. Die Vereinigung hofft, mit der Anerkennung auch den Schritt in andere Länder zu schaffen.

Ein alljährliches Kulturfest

Monumenti Aperti läuft jedes Jahr rund acht Wochen lang, normalerweise von Mai bis Juni. Dutzende Städte und Gemeinden öffnen in dieser Zeit ihre Denkmäler (von denen viele sonst nicht zugänglich sind) für ein Wochenende, und zwar kostenlos.

In den Jahrzehnten seit der Erstauflage ist Monumenti Aperti dank jährlicher Zuschüsse von Kommunen, Regionalverwaltungen, Firmen und privaten Spendern beeindruckend gewachsen. 2023 waren es rund 20 000 Freiwillige – größtenteils Studierende –, die 200 000 Gäste durch 750 Denkmäler führten. 62 italienische Gemeinden nahmen an dem Projekt teil. Die meisten davon auf Sardinien, aber mittlerweile machen auch Orte in fünf anderen italienischen Regionen mit.

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© Ipogeo

Die Bandbreite der Denkmäler reicht vom spanischen Gefängnis „Sa Bovida“ in Aritzo über das Gigantengrab aus der Bronzezeit in Triei bis zu den Überresten einer mittelalterlichen Burg in Chiaramonte. Auch immaterielles Kulturerbe wird bei Monumenti Aperti gezeigt, etwa der polyphone Gesang „Canto a Tenore“.

Für Frongia ist das jedes Jahr ein großes Fest. „Und zum Abschluss feiern wir alle zusammen mit den alten und neuen Freiwilligen.“

Kulturen und Traditionen verbinden

Wenn eine Stadt oder Gemeinde neu hinzukommt, gibt sie Imago Mundi zunächst eine Liste ihrer Denkmäler. Die Organisation startet dann einen Aufruf an die örtlichen Schulen und Vereine, sich als Paten für die Kulturstätten zu melden. „Die Paten kümmern sich um die Denkmäler. Sie nehmen sich ihrer an und befassen sich mit ihrer Geschichte“, erklärt Cabitza. Lehrkräfte werden geschult und bringen ihren Schülerinnen und Schülern bei, wie man eine Führung leitet.

Monumenti Aperti bietet auch Führungen für Menschen mit Behinderung und für Migranten an, die als Freiwillige dann Führungen in ihrer Sprache anbieten können. „Nach zwei oder drei Jahren lernen sie Italienisch“, so Frongia, „und können die Geschichte der Denkmäler auch in unserer Sprache erzählen. Das ist ein guter Weg, Traditionen und Kulturen zu verbinden und neue Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen.“ Letztes Jahr beispielsweise erklärte eine Gruppe afghanischer Flüchtlinge sardinischen Besuchern die Geschichte des alten Schlachthauses von Cagliari, auf Italienisch.

Einige europäische Studierende, die ihr Erasmus-Jahr in Italien verbringen, geben ebenfalls Führungen in ihrer Muttersprache. Über Erasmus hat Imago Mundi auch mit Führungen von Studierenden in Belgien und Spanien experimentiert.

Ein Multiplikatoreffekt

Cabitza ist nicht der Einzige, den Monumenti Aperti dazu animierte, Tourismus und Kulturerbe zu studieren. Die Initiative hat einen Multiplikatoreffekt. Durch sie entstehen neue Jobs, Unternehmen und Vereinigungen. „Zum Beispiel“, sagt Cabitza, „werden einige Denkmäler, die bei der ersten Auflage 1997 geöffnet wurden, heute von Kulturunternehmen verwaltet, und die Angestellten haben einen regulären Arbeitsvertrag.

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© Ipogeo

Italien hat weltweit die größte Anzahl von UNESCO-Welterbestätten. Sein Kulturerbe ist so umfangreich, dass weniger bekannte Schätze leicht übersehen werden. Mehrere Denkmäler, die fast vergessen waren, bevor man sie durch Monumenti Aperti „wiederentdeckte“, wurden mittlerweile konserviert oder restauriert.

Die UNESCO verweist darauf, dass Kultur die Identität und den Zusammenhalt von Gemeinschaften stärkt. Sie sei „eine der wirkmächtigsten Ressourcen, um Gesellschaften zu transformieren und Ideen zu erneuern“. Dank Monumenti Aperti helfen Tausende junger Menschen, die Zukunft zu gestalten, indem sie bewahren, was frühere Generationen hinterlassen haben.