Über die italienische Telemedizin-Plattform Ultraspecialisti können Patientinnen und Patienten auch in der Coronakrise ärztlichen Rat einholen
Von Chris Welsch
Die mailändische Onkologin Vanesa Gregorc ist auf Lungenkrebs spezialisiert. Für sie ist es nichts Neues, dass ihre Patientinnen und Patienten aus allen Teilen Italiens kommen. Gleich nach einer schockierenden Diagnose mussten Erkrankte also viel Energie darauf verwenden, die entsprechende Hilfe zu bekommen.
Das war für Vanesa nicht der richtige Weg. 2015 gründete sie daher mit anderen Ultraspecialisti, eine Art „virtuelles Krankenhaus“.
Inzwischen hat sich das Projekt zu einer umfassenden Online-Plattform entwickelt, die 24 Fachgebiete abdeckt. Ein Netz aus Fachärztinnen und ‑ärzten bietet „Telemedizin“, ganz egal, wo genau in Italien jemand lebt. Die Patienten können über die Plattform medizinische Daten und Bilder, wie Röntgenaufnahmen und Scans, auf eine sichere Online-Datenbank hochladen. Beratungen finden per Videokonferenz statt. Das Erstgespräch kostet rund 240 Euro und ist somit weniger teuer und zeitaufwendig als ein persönlicher Termin bei einem Facharzt.
In Italien eröffnet Telemedizin neue Wege
Ultraspecialisti hat auch Programme entwickelt, um gemeinsam mit Pharmaunternehmen und Freiwilligenorganisationen seltene Krankheiten zu bekämpfen. Außerdem arbeitet die Plattform mit Universitäten in Mailand und Barcelona an Programmen für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz.
Das innovative soziale Unternehmen hatte gerade deswegen Erfolg, weil sich die Lage während der Coronakrise dramatisch zuspitzte: Krankenhäuser waren überfüllt, und Personen mit anderen Beschwerden wollten Orte mit höherem Infektionsrisiko meiden.
„Wir hatten von Anfang an ein klares Ziel: Weder zu große Entfernungen noch zu wenig Zeit sollten Patienten daran hindern, die bestmögliche Behandlung zu bekommen“, erläutert Vanesa. „Heute ist unsere Lösung aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.“
Mit Ultraspecialisti können Patientinnen und Patienten den Facharzt finden, der am besten auf ihre Probleme spezialisiert ist. Und das ist gar nicht so einfach. So ist eines der 24 abgedeckten Gebiete – die Onkologie – in 30 weitere Teilbereiche untergliedert. Vor der Coronakrise war die Allgemeinmedizin auf Ultraspecialisti überhaupt nicht vertreten.
Ausweitung des Telemedizin-Angebots
„Wir mussten unser Angebot erweitern“, stellt Vanesa fest. „Wir haben praktische Ärzte und Apotheken einbezogen und auch an die Krankenhäuser gedacht.“ Das Ultraspecialisti-Team brauchte nicht einmal eine Woche, um sein Netz um 50 Ärztinnen und Ärzte zu erweitern und auf die Krisensituation zu reagieren.
Ein erster Schritt war die Zusammenarbeit von Ultraspecialisti mit dem Mailänder Krankenhaus ASST Pavia. Inzwischen kooperiert die Plattform auch mit einem großen Klinikum in der sizilianischen Stadt Cefalú.
Zahlreiche ärztliche Fachkräfte sind unentgeltlich tätig, und auch Ultraspecialisti bietet in der Krise einige Dienstleistungen kostenlos oder billiger an.
„Nicht nur in unserer Region, sondern im ganzen Land zeigen sich alle solidarisch“, freut sich Vanesa.
Ultraspecialisti kam in die Endrunde des Wettbewerbs für Soziale Innovation, den das EIB-Institut jedes Jahr veranstaltet. Dieser Wettbewerb richtet sich an europäische Unternehmen, die sich für soziale, ethische oder ökologische Belange einsetzen.
Mit Blick auf die Zukunft will Ultraspecialisti rasch expandieren, mit weiteren Krankenhäusern und medizinischen Unternehmen zusammenarbeiten und für Patienten und Ärztinnen auch in schwierigen Zeiten sichere und effiziente Kontaktmöglichkeiten schaffen.
Vanesa fürchtet sich nicht vor dieser Herausforderung: „Wir glauben, dass wir noch viel mehr erreichen können.“