Mit einem neuen Forschungsschiff wollen griechische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die klimabedrohten Ökosysteme des Mittelmeers untersuchen, über die wir überraschend wenig wissen
Am Hellenischen Zentrum für Meeresforschung (HCMR) ist man sich einig: Das Mittelmeer, an dessen Küsten mehr als 500 Millionen Menschen leben, birgt noch viele Geheimnisse.
„Das Mittelmeer liegt zwischen drei Kontinenten. Manchmal bezeichnen wir es als Miniatur-Ozean“, erklärt Dr. Tanya Zervoudaki vom HCMR. „Es birgt so viele Lebensräume und eine enorme Artenvielfalt. Aber es leidet auch unter menschengemachten Stressfaktoren. Das Mittelmeer ist ein empfindliches Ökosystem und hält noch viel Unbekanntes für uns bereit.“
Mit Unterstützung der Europäischen Investitionsbank (EIB) baut das Hellenische Zentrum für Meeresforschung ein neues Schiff, das viel größer ist als sein Vorgänger, der seit 1985 in Dienst steht und nun ersetzt wird. Damit hat das Zentrum ganz neue Möglichkeiten – von der Erforschung der Klimafolgen bis zur Suche nach unbekannten Lebensformen in großer Tiefe.
Neues Schiff erforscht das Mittelmeer
Auf dem neuen Schiff haben bis zu 20 Besatzungsmitglieder und 30 Forschende Platz, mehr als das Doppelte seines Vorgängers Aegaeo. Mit rund 70 Metern Länge, einer Breite von etwa 15 Metern und fünf Decks bietet es über 200 Quadratmeter Labore, reichlich offene Deckflächen sowie hydrographische Winden, Krane und A-Rahmen für das Aus- und Einbringen von Forschungsgeräten.
Mit einem Darlehen von 57,5 Millionen Euro half die EIB im Juli 2020 Griechenland, das neue ozeanografische Forschungsschiff und eine neue Forschungsstation auf der Insel Antikythera zu finanzieren. Die Projekte dauern fünf bis sechs Jahre.
Dr. Dimitris Sakellariou ist Forschungsdirektor für Struktur-/Meeresgeologie und Unterwasserarchäologie des Zentrums. Über die Neuanschaffung sagt er: „Davon träume ich seit 15 Jahren. Das neue Schiff können wir mit viel moderneren, schwereren Geräten und Instrumenten beladen.“
Stabiles Forschungsschiff für neue Experimente
Das Schiff ist um einiges größer als Aegaeo und damit auch stabiler. Dadurch können an Bord Experimente durchgeführt werden, die bisher nicht möglich waren, etwa die DNA-Extraktion zur Bewertung der Artenvielfalt. Es ist außerdem mit Tauchfahrzeugen ausgestattet, die die Tiefen des Mittelmeers und wenig bekannte Lebensformen erforschen sollen, wie sie in der Nähe aktiver Unterwasservulkane vorkommen.
„Wir können nun zu Mikrobengemeinschaften vordringen, die bisher unerreichbar waren“, erklärt Sakellariou. „Darüber freuen sich Biologinnen und Wissenschaftler, die sich mit Genomik und Genetik befassen. Es gibt so viele Bereiche, die noch darauf warten, erkundet zu werden.“
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Kritisch für die Aquakultur
Das Schiff ist auch enorm wichtig, um zu bewerten, was der Klimawandel im Mittelmeer anrichtet.
Die Temperatur an der Meeresoberfläche ist bereits um 0,4 Grad Celsius gestiegen. Zudem hat das zusätzlich im Wasser gelöste CO2 den pH-Wert um 0,1 gegenüber dem vorindustriellen Niveau gesenkt und damit eine Versauerung bewirkt. Auch invasive Arten, neue Bakterienformen und andere Krankheitserreger stehen im Mittelpunkt der Forschung.
Dr. Pantelis Katharios beschäftigt sich am HCMR mit Aquakultur. Für ihn ist das neue Forschungsschiff besonders wichtig, weil viel zu wenig darüber bekannt ist, wie sich die raschen Klimaveränderungen auf das Mittelmeer auswirken.
Er macht deutlich: „Wir müssen schnell auf Probleme reagieren können, die wir heute noch gar nicht kennen. Vor zwei oder drei Jahren tauchte ein bis dahin unbekannter Parasit auf, der fast den gesamten Bestand der Edlen Steckmuschel im Mittelmeer auslöschte. Die Muschel hilft aber, das Wasser sauber zu halten.“
„Wenn sie verschwindet, hat das gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem im Mittelmeer. Für solche Probleme haben wir jetzt das Schiff,“ schließt er.