Mikroalgen als Ersatz für chemische Düngemittel und Pestizide, für eine bessere Bodengesundheit und eine höhere Nährstoffqualität von Lebensmitteln
Vor fünfzehn Jahren wollte Augusto Rodríguez-Villa – bereits erfolgreicher Unternehmer – eine neue Firma gründen.
Er erfuhr, welches enorme Potenzial Mikroalgen haben. Und dass es nicht genutzt wird, weil fundiertes, gebündeltes Wissen fehlt. Zusammen mit dem Algenexperten Miguel García Guerrero gründete er 2007 AlgaEnergy.
Das Unternehmen züchtet Mikroalgen und verarbeitet sie weiter zu einer biochemischen Verbindung, die chemische Düngemittel und Pestizide für Nutzpflanzen ersetzt, dabei die Erträge steigert und den Klimawandel bekämpft.
AlgaEnergy stellt keine Düngemittel her, sondern Biostimulanzien. Durch sie nehmen Pflanzen mehr Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor auf und werden widerstandsfähiger gegenüber Dürren und abiotischen Stressfaktoren. Außerdem verbessern Biostimulanzien die Bodengesundheit und die Nährstoffqualität unserer Lebensmittel, die im Laufe der Zeit abgenommen hat.
Anders als gentechnisch veränderte Organismen, die die DNA der Pflanzen verändern, maximieren Biostimulanzien ihr genetisches Potenzial.
Mikroalgen in der Landwirtschaft
Mikroskopisch kleine Algen produzieren mindestens die Hälfte des Sauerstoffs, den wir atmen. „Vor drei Milliarden Jahren begannen Mikroalgen auf der Erde Sauerstoff zu produzieren“, erklärt Carlos Rodríguez-Villa Förster, Sohn von Augusto Rodríguez-Villa und Geschäftsführer von AlgaEnergy in Spanien. „Damit schufen sie die Voraussetzung für alles pflanzliche Leben.“
Mikroalgen – auch bekannt als Phytoplankton – sind einzellige Organismen, die überall in Meeren, Seen und Flüssen vorkommen. Sie sind eine nahezu unerschöpfliche Ressource und gehören zu den effizientesten Kohlenstoffspeichern der Welt. Mikroalgen machen aus Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid eine kohlenstoffreiche Biomasse.
In den ersten zehn Jahren nach seiner Gründung testete AlgaEnergy mehrere Technologien, verschiedene Arten von Mikroalgen und diverse Anwendungen.
Die Gründer überlegten, in den Energiesektor einzusteigen. Doch schon bald war klar, dass es Jahre dauern würde, das Potenzial von Mikroalgen als Biokraftstoff zu erschließen. Deshalb nahmen sie stattdessen eine Branche ins Visier, die in relativ kurzer Zeit Erfolg versprach – die Landwirtschaft.
Beim Wettbewerb für Soziale Innovation des EIB-Instituts gewann AlgaEnergy 2022 in der Sonderkategorie „blaue und grüne Wirtschaft“ den zweiten Preis. Der Wettbewerb zeichnet Unternehmen aus, die einen besonderen Beitrag für Gesellschaft und Umwelt leisten.
Natürlicher Dünger
Chemische Düngemittel schaden dem Boden und verunreinigen das Grundwasser. Außerdem sind sie eine Emissionsquelle für das Treibhausgas Lachgas (N2O), das 265-mal so klimaschädlich ist wie CO2.
Auch Pestizide setzen dem Boden und der Wasserqualität zu und sind eine tödliche Gefahr für Vögel und nützliche Insekten.
„Unsere Mikroalgen sollen möglichst schnell wachsen und eine Zellkonzentration erreichen, wie sie in der Natur wahrscheinlich nicht vorkommt“, erklärt Carlos. Mikroalgen brauchen keine Ackerfläche. Nur Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser. Aber ihr Anbau ist eine Kunst.
„Das ist etwas anderes, als Schrauben herzustellen. Algen sind lebende Organismen, die auf veränderte Bedingungen reagieren. Mit derselben Algenart und Technologie erhält man an einem Standort mit anderen Bedingungen unterschiedliche Ergebnisse.“
Als Vorreiter in Sachen Algenzucht verfügt AlgaEnergy über einen großen Wettbewerbsvorteil, und es ist das erste Unternehmen seiner Branche mit B Corp-Zertifizierung. Sein nachhaltiges Verfahren mit kontrollierten Anbaubedingungen in puncto pH-Wert, Temperatur und Nährstoffbilanz setzt bei den Mikroalgen die Photosynthese in Gang.
Das Unternehmen arbeitete zunächst vier Jahre lang in einer Pilotanlage und baute dann im sonnenverwöhnten Südspanien eine großtechnische Anlage. Gleich nebenan steht ein Kombikraftwerk, dessen Schornstein das notwendige CO2 liefert. Der Wasserverbrauch ist dank Recycling minimal.
20 Prozent weniger chemische Düngemittel
Derzeit beliefert AlgaEnergy weltweit rund vier Millionen landwirtschaftliche Betriebe – von großen in Brasilien bis hin zu ganz kleinen in Indien. Und ihre Zahl verdoppelt sich jedes Jahr.
Mit den Produkten von AlgaEnergy brauchen sie bis zu 20 Prozent weniger chemische Düngemittel und ernten trotzdem mehr, erzählt Carlos. Doch obwohl sich landwirtschaftliche Betriebe heutzutage allen möglichen Herausforderungen stellen, sind sie bei Neuerungen eher vorsichtig. Schließlich hängt ihr Einkommen von den Ergebnissen ab.
Carlos hätte gern, dass sie die Produkte von AlgaEnergy als Investition statt als Mehrkosten betrachten – ein Argument, das besonders zieht, seit die Preise für Düngemittel infolge des Ukrainekriegs explodiert sind. Er rät den Landwirten, es schrittweise anzugehen.
„Wer 20 Hektar hat, sollte unser Produkt ein Jahr lang auf einem Hektar ausprobieren und den Ertrag mit dem der anderen 19 Hektar vergleichen. Im Jahr darauf versucht man es dann mit 5 Hektar, und wenn es funktioniert, auf der gesamten Anbaufläche. Die Weltbevölkerung nimmt weiter zu. Da muss die Lebensmittelproduktion mitziehen, und zwar ohne die Umwelt noch mehr zu belasten. Mit unseren Mikroalgen gehen wir zurück zum Ursprung des Lebens und finden da Lösungen für die Zukunft.“