Microlux gibt sozial ausgegrenzten Menschen in Luxemburg eine Chance, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.
Der heißeste Tipp in Luxemburgs Gastronomieszene ist derzeit das Syriously, ein orientalisches Restaurant, das der syrische Flüchtling Mahmoud Al Fayyad in diesem Mai eröffnete. Nachdem er ein Jahr lang in einer Apotheke gearbeitet hatte, hörte er von dem einheimischen Mikrokreditunternehmen microlux. „Ich habe schon immer leidenschaftlich gern gekocht“, sagte er sich. „Warum soll ich es nicht einfach versuchen? Schließlich schlägt das Kochen eine Brücke zwischen den Kulturen.“
Im Syriously werden alle Gerichte von syrischen Flüchtlingsfrauen zubereitet. Das Restaurant bringt hundert Gäste in einem Gebäude unter, das Mahmoud für einen symbolischen Euro vom Eigentümer übernahm, den er über das luxemburgische Rote Kreuz kennenlernte. Abends ist das Restaurant für seine zwei Durchgänge oft ausgebucht. Auf der Speisekarte stehen traditionelle Gerichte aus Aleppo: Bulgur, Kibbeh, Hummus, Tabbouleh, Fatousch, Labaneh, Shawarma, Mujaddara, Shanklish, Pastırma, Sucuk und Baklava – alles zu sehr günstigen Preisen.
„Mit dem Kredit habe ich das alte Haus in ein richtiges Restaurant umgebaut. Inzwischen beschäftige ich acht Leute, und da das Geschäft gut läuft, will ich den Kredit in zwei Jahren zurückzahlen“, erklärt der Jungunternehmer. „Durch diesen Mikrokredit konnte ich ein neues Leben beginnen und mich in die Wirtschaft meiner neuen Heimat einbringen. Ich bin allen sehr dankbar, die mir von Anfang an vertraut und mich unterstützt haben.“
Unsichere Arbeitsplätze und Armut
Für Unternehmensgründer in Luxemburg in einer schwierigen finanziellen Lage ist es oft unmöglich, einen herkömmlichen Bankkredit zu erhalten. Seit März 2016 gibt Microlux, ein vom EIF aus dem EU-Programm für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI) gefördertes Mikrokreditinstitut, diesen Menschen eine Chance.
Luxemburg ist zwar reich und wachstumsstark, aber auch hier gibt es Menschen, die vom Wohlstand ausgeschlossen sind. Von Armut ist vor allem die Region im Süden des Landes betroffen, wo die Arbeitslosenquote hoch ist. Und obwohl Luxemburg bei der Förderung von Mikrofinanzierungen weltweit zu den Vorreitern gehört, gab es in dem Land bis dato kein Institut, das Mikrokredite vergab. Deshalb wurde im März 2016 microlux gegründet.
Von 2007 bis 2013 erhielten 52 000 Menschen in 23 Ländern der Europäischen Union Mikrokredite. „Der EIF will im Zeitraum 2014–2020 insgesamt 85 000 Menschen unterstützen. Bis jetzt sind es schon 19 500“, erklärt Roger Havenith, stellvertretender geschäftsführender Direktor des EIF.
In Luxemburg rechnet der EIF über einen Zeitraum von fünf Jahren mit etwa 400 Anträgen. Außerdem ist der Fonds bereit, Microlux weiter zu unterstützen, falls diese Zahl überschritten wird. Karin Schintgen, die bei microlux die BGL BNP Paribas vertritt, neben ADIE und ADA Hauptanteilseignerin des Mikrokreditinstituts, erklärt: „Diese Beteiligung entspricht genau der Politik unserer Bankengruppe, die sich intensiv für Mikrofinanzierungen und soziales Unternehmertum engagiert. Diese Menschen nicht zu unterstützen, wäre ein Fehler: 30 Prozent der neuen KMU und Kleinstunternehmen in Europa werden von Arbeitslosen gegründet.“
Microlux bietet Kredite von bis zu 25 000 Euro mit einer maximalen Laufzeit von vier Jahren an. „Im Durchschnitt liegt der Kreditbetrag bei 12 000 Euro“, so Jérémy del Rosario und Samuel Paulus, die beiden Manager der Gesellschaft. Voraussetzung ist ein Projekt „mit Potenzial“, das den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht.
Rodolfo gibt seine Leidenschaft für Tango weiter – dank eines Mikrokredits
„Mein Vater und mein Großvater waren Schlosser in Buenos Aires, und ich sollte später eigentlich den Familienbetrieb übernehmen“, erklärt Rodolfo Aguerrodi. Heute gibt er Tangounterricht in seiner Tanzschule Dance Factory, für die er von Microlux einen Mikrokredit von 10 000 Euro erhalten hat.
Rodolfo ist zwar Argentinier und stammt aus Buenos Aires, doch seine Leidenschaft für den typischen Tanz seiner Heimat entdeckte er erst später. In seiner Jugend begeisterte er sich eher für die Rolling Stones, wie er gesteht. „Schließlich trainiert ja auch nicht jeder Japaner Karate.“ Er studierte zunächst Traumatologie und Kinesiologie, hängte das Studium jedoch schon bald an den Nagel. Nach einem Jahr Auszeit schrieb er sich in Betriebswirtschaft ein und verbrachte einen guten Teil seiner beruflichen Laufbahn in einer großen Seefrachtspedition. Dabei sammelte er nicht nur Managementerfahrung, sondern entdeckte auch zufällig den Tango, mit dem er nach und nach im wahrsten Sinne des Wortes „verschmolz“. Nach sechsjähriger intensiver Ausbildung und zahlreichen Reisen weltweit ließ er sich in Luxemburg nieder. Das war vor drei Jahren.
„Anfangs gab ich in den Clubs der EU-Institutionen Tanzkurse, merkte aber schnell, dass man das Ganze professioneller aufbauen müsste“, erklärt Rodolfo. Daraufhin richtete er im August 2016 in den ehemaligen Räumlichkeiten der demokratischen Partei seine kleine Tanzschule ein. Den Kredit von Microlux bekam er erst im darauffolgenden Februar, nachdem er durch Mundpropaganda von dem Institut erfahren hatte.
Mehr Luft
Mehrere Monate Erfahrung, Kenntnisse in Betriebswirtschaft und viele Branchenkontakte – damit konnte der „Maestro“ punkten. „Mit den 10 000 Euro konnten wir renovieren, Tonausrüstung kaufen, die gesamte Beleuchtung erneuern und so unseren Energieverbrauch um 80 Prozent senken“, freut sich Rodolfo. „Jetzt zahlen wir jeden Monat 258 Euro zurück. Das ist für eine Tanzschule gut machbar. Wir hätten auch ohne diesen Kredit weitermachen können, aber mit dem Geld haben wir mehr Luft und können uns ganz auf unsere Arbeit konzentrieren.“
Ein Plus für die Gesellschaft
Rodolfos Projekt funktioniert: Er beschäftigt acht Tanzlehrer, und die Kurse sind fast jeden Tag ausgebucht. „Wir haben zu vielen Kulturvereinen in der Großregion Kontakt aufgenommen und bieten unsere Tanzkurse auch Parkinson- und Alzheimerpatienten oder für die Wiedereingliederung Jugendlicher an.“
Inzwischen hat Microlux wohl jeden Zweifel ausgeräumt, dass in Luxemburg ein Bedarf an Mikrokrediten besteht. Das Institut hat sich bereits mit mehr als 100 Unternehmern und Projektträgern zusammengesetzt, und der Kreditausschuss von Microlux hat für 30 Anträge grünes Licht gegeben. „Für viele von ihnen sind wir die zweite Chance“, versichern uns Jérémy del Rosario und Samuel Paulus. Neben Krediten unterstützt Microlux seine Kunden auch mit Coaching. „Im Vorfeld unterstützen wir sie bei der Entwicklung ihres Projekts, und nach der Kreditvergabe helfen wir ihnen beispielsweise bei der Buchführung und beim Marketing.“ Dafür stehen rund 50 Freiwillige zur Verfügung, die Erfahrung in verschiedenen Bereichen haben und speziell geschult werden.