Neue Initiativen – und Finanzmittel – der EU-Bank für Migranten und Flüchtlinge
In ihrer syrischen Heimatstadt Daraa wollte Youssra Nawasra immer Modedesignerin werden. Dann brach der Bürgerkrieg aus. Sie floh in den Libanon und ihre früheren Pläne schienen in weite Ferne gerückt – bis sie eine Ausbildung bei einer lokalen gemeinnützigen Organisation namens Al Majmoua begann. Sie belegte Kurse in den Fächern Nähen, Betriebswirtschaft und Finanzen und fand danach einen Arbeitsplatz als Schneiderin. Jetzt denkt sie darüber nach, sich selbstständig zu machen — mit einem kleinen Darlehen von Al Majmoua. Die Organisation hat bereits zweimal Finanzmittel von der Europäischen Investitionsbank erhalten. „Das öffnete mir eine Tür, und ich schöpfte neue Hoffnung“, erzählt Youssra.
Die Ursachen der gegenwärtigen Migrationskrise sind komplex und global. Doch Millionen ganz gewöhnlicher Menschen wie Youssra sind betroffen. Sie stehen vor den Trümmern ihres früheren Lebens. Die Frage, wie die EU die Not von Menschen wie Youssra lindern kann, ist für EIB-Präsident Werner Hoyer eines der zentralen Themen auf dem UN-Flüchtlingsgipfel, der in dieser Woche in New York stattfindet. Er wird darlegen, wie die EU-Bank und ihre Partner – Entwicklungsbanken und internationale Finanzierungsinstitutionen – dazu beitragen können, die Flüchtlingskrise und die langfristigen Herausforderungen der Migration zu bewältigen. Dabei wird er die neue Resilienzinitiative der EIB zur Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit vorstellen, die bereits in den Startlöchern steht.
Migrationskrise und die Bank der EU
Die EIB arbeitet derzeit an einer Reihe neuer Initiativen. Diese sollen in Kombination mit bestehenden Programmen Menschen, die von Armut, Klimawandel und gewalttätigen Konflikten betroffen sind, die Chance bieten, sich möglichst nahe an ihrer Heimat eine stabile und nachhaltige Existenz aufzubauen.
Krieg ist der offensichtlichste Grund dafür, dass Menschen flüchten. Aber auch Armut und die Auswirkungen des Klimawandels sind wichtige Faktoren, die Menschen dazu bringen, ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben anderswo zu verlassen. Die EIB hat soeben eine Initiative mit einem Finanzvolumen von 800 Millionen Euro angekündigt, mit der sie Investitionen in die schwächsten und verwundbarsten Regionen Afrikas ankurbeln will; dazu gehören die Sahelregion unmittelbar südlich der Sahara, das Gebiet um den Tschadsee und das Horn von Afrika. Das Programm wird eine Alternative zu „lebensgefährlichen Reisen und einer ungewissen Zukunft in Europa“ bieten, so Präsident Hoyer.
„Wenn für die Menschen in ihrem Heimatland die Aussicht auf ein würdevolles und friedliches Leben ohne bewaffnete Konflikte und Naturkatastrophen besteht, sind sie durchaus daran interessiert, sich dort eine Zukunft aufzubauen, wo sie sich wirklich zu Hause fühlen.“
EIB-Präsident Werner Hoyer
Projekte zur Verbesserung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Städten am Rande der Sahara, zur Verbesserung der Energieversorgung in entlegenen ländlichen Gebieten Ostafrikas sowie zur Verbesserung der finanziellen Sicherheit für Kleinbauern wurden bereits ins Auge gefasst, ebenso Maßnahmen zur Stärkung der Rolle öffentlicher Banken am Horn von Afrika.
Widerstandsfähigkeit und Migrationskrise
Der Ursachen der derzeitigen Flüchtlingskrise liegen in gewaltsamen Auseinandersetzungen außerhalb Europas. Ziel der EIB ist es, die betroffenen Gemeinwesen und Menschen durch Investitionen zu unterstützen, damit es gelingt, vor Ort Chancen für diejenigen zu schaffen, die vor Gewalt und Verfolgung in Nachbarländer geflüchtet sind. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es dann für die Menschen einfacher ist, in ihre Heimat zurückzukehren, wenn der Frieden kommt.
Genau diese Überlegung steht im Mittelpunkt unserer Resilienzinitiative zur Stärkung der Wirtschaft. Mit dieser Initiative wird die EIB ihre Finanzierungen in den Westbalkanländern und in der südlichen Nachbarschaftsregion, die auch Nordafrika und den Nahen Osten umfasst, erheblich ausweiten und die bereits vorgesehenen 7,5 Milliarden Euro um weitere sechs Milliarden Euro erhöhen.
Diese Mittel sollen zum einen in den Privatsektor fließen und dort vor allem Jugendlichen und Frauen zugutekommen, und sie sollen zum anderen in gesellschaftlich wichtige Sektoren wie Wasser, Gesundheit und Bildung investiert werden. Die Bank schätzt, dass diese zusätzlichen Gelder zwischen 2016 und 2020 weitere Investitionen von rund 15 Milliarden Euro finanzieren. Damit wird die EIB ein Investitionsvolumen von 35 Milliarden Euro in diesen Regionen ermöglichen.
Mit der Initiative sollen diejenigen Länder entlastet werden, die das Gros der Flüchtlinge aufnehmen. Wenn mehr in die allgemeine Entwicklung dieser Volkswirtschaften investiert wird, werden auch die aus ihrer Heimat vertriebenen Menschen mehr Chancen erhalten.
Unterstützung für die einzelnen Menschen
Wie die Geschichte von Youssra Nawasra zeigt, kann die Unterstützung der EIB sehr direkte Auswirkungen auf das Leben einzelner Menschen haben. Die erste Mikrofinanzoperation der EIB in Jordanien wurde mit dem Microfund for Women durchgeführt und von der EU mit Zuschüssen unterstützt. Der Fonds bietet Frauen mit geringem Einkommen, syrischen Flüchtlingen ebenso wie einheimischen Jordanierinnen Kleinstkredite und Schulungen. Damit sollen sie in die Lage versetzt werden, kleine Unternehmen zu gründen, ihre Familien zu versorgen und wieder Zuversicht zu gewinnen.
Das Online-Bildungsunternehmen ITWorx, das dem von der EIB unterstützten EuroMena Fund gehört, richtete in einem Flüchtlingslager im Libanon eine Schule für syrische Flüchtlinge ein. Kinder, die jahrelang keine Schule mehr besuchen konnten, lernen nun unter Anleitung nur einiger weniger Lehrer mit Hilfe eines Cloud-basierten Systems den Stoff des libanesischen Lehrplans auf 60 Dollar-Tablets. Damit will das Online-Bildungsunternehmen all jenen, die vor dem Bürgerkrieg flüchten mussten, wieder eine Zukunftsperspektive geben. „Man kann nach einer politischen Lösung für das Flüchtlingsproblem suchen“, sagt Romen Mathieu, Chairman von ITWorx. „Aber viel besser ist es, auf Kultur und Investitionen zu setzen – und so den Menschen in der Region neue Hoffnung zu geben.“
Auch der Silicon Badia Impact Fund profitierte von finanzieller Unterstützung durch die EIB. Der in Jordanien aufgelegte Fonds bietet Finanzierungen, Betreuung durch Mentoren und Fachwissen für junge Menschen, die technische Produkte und Lösungen entwickeln, um die zahlreichen Probleme der Region in Angriff zu nehmen. Der Geschäftsführer Emile Cubeisy beschreibt das Geschäftsumfeld, in dem der Fonds tätig ist, „als goldenes Zeitalter des Unternehmertums, das freilich aus äußerst schwierigen Umständen hervorgegangen ist“.
Die EIB hat es sich zum Ziel gesetzt, die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften und der Menschen in den von Migration und Vertreibung betroffenen Regionen zu stärken. Unser Engagement soll bewirken, dass so viele Menschen wie möglich ein würdevolles und friedliches Leben in ihrer Heimat führen können. Es soll außerdem bewirken, dass diejenigen, die gezwungen sind, ihr Zuhause zu verlassen, in der Nähe ihrer Heimat bleiben und Qualifikationen erwerben können, die ihnen bei ihrer Rückkehr nützlich sind. Vor allem soll unsere Unterstützung den Menschen Hoffnung und eine Perspektive zurückgeben, so wie dies für Youssra der Fall war.