Wegen der russischen Blockaden müssen ukrainisches Getreide und Hilfsgüter auf den maroden Straßen Moldaus transportiert werden. Jetzt saniert das Land seine Verkehrswege

Radu Rogovei ist für Straßen und Verkehr im moldauischen Infrastrukturministerium zuständig. Seit drei Generationen hat seine Familie mit Straßen zu tun. „Straßen sind meine erste Kindheitserinnerung: Mein Vater hat mir immer gezeigt, was er gerade baute“, erzählt Rogovei. „Mein Urgroßvater war für die Instandhaltung eines Abschnitts von 15 Kilometern zwischen Cernăuți in der Ukraine und Suceava in Rumänien zuständig. Straßen liegen uns praktisch im Blut.“   

Die von Rogovei gebauten Straßen verbinden die Ukraine mit dem Nachbarn Moldau und mit der Europäischen Union, denn der russische Angriffskrieg hat andere Verkehrsverbindungen gekappt oder erschwert. Auf dem Spiel steht der Export großer Mengen von ukrainischem Getreide und anderen Agrarprodukten, die für die weltweite Nahrungsmittelversorgung gebraucht werden. Gleichzeitig müssen lebenswichtige humanitäre Hilfe, Tierfutter und Düngemittel in die Ukraine gelangen.

„Wir leiden mit unseren ukrainischen Schwestern und Brüdern“, sagt Lilia Dabija, die moldauische Infrastrukturministerin, die seit drei Jahren eng mit Rogovei zusammenarbeitet. „Der Krieg hat den Bedarf im Verkehr verändert – für den Transport von Gütern ebenso wie für die Verteilung ukrainischer Flüchtlinge. Darauf wollen wir so effizient wie möglich reagieren.“

Moldau ist laut Weltbank das ärmste Land Europas und kann seine Verkehrsnetze nicht aus eigener Kraft ausbauen. Im Juni 2022 rückte Moldau ein Stück näher an Europa, als es wie die Ukraine den Status eines Kandidatenlandes der EU erhielt.

Straßen lassen sich schneller und kostengünstiger ausbauen als das Schienennetz, das teure Infrastruktur erfordert. Die Gleise des ukrainischen und moldauischen Netzes haben eine andere Spurweite als in anderen europäischen Ländern. Etwa zehn Prozent der ukrainischen Waren, die auf dem Schienenweg in Moldau ankommen, müssen deshalb für den Transport in andere Länder auf Lastwagen umgeladen werden. Moldaus Straßen müssen also in ein zugängliches Verkehrsnetz eingebettet sein, das ein weitaus größeres Güteraufkommen bewältigen kann als bisher.



Weg frei für Solidaritätskorridore

Die Ukraine ist die Kornkammer Europas. Vor dem russischen Angriff lieferte das Land

  • 8 Prozent der weltweiten Weizen- und 13 Prozent der weltweiten Maisexporte
  • 50 Millionen Tonnen Getreide
  • 50 Prozent des Weizens für das Welternährungsprogramm
  • ein Drittel des weltweiten Sonnenblumenöls

Die meisten Exporte wurden per Schiff transportiert. so verließen 90 Prozent der Getreide- und Ölsaatenausfuhren das Land über seine Schwarzmeerhäfen. Dann kam der Krieg, und die Agrarexporte brachen ein. Das wirkt sich weltweit auf den Hunger und auf die Ernährungssicherheit aus, die Preise für Lebensmittel steigen überall, und wichtige Güter werden knapp.

Da die Häfen blockiert sind, hat die Europäische Union sogenannte Solidaritätskorridore eingerichtet, damit die Ukraine weiterhin Waren ein- und ausführen kann. So entstehen Alternativrouten für den Handel.

Die Europäische Investitionsbank hat auf den Aufruf der Europäischen Kommission zur Unterstützung der Solidaritätswege reagiert: mit Krediten für die Erweiterung bestehender Verkehrsprojekte in Moldau. Auch neue Projekte wurden angestoßen, um die Anbindung an Rumänien, den EU-Nachbarn an Moldaus Westgrenze, und an die Ukraine im Norden und Osten des Landes zu verbessern.

2022 vergab die EIB 100 Millionen Euro für die Instandsetzung und Modernisierung wichtiger Nationalstraßen in Moldau. Damit stockte sie ein 150-Millionen-Euro-Darlehen aus dem Jahr 2013 auf. Im März 2022 stellte sie außerdem 150 Millionen Euro für die Sanierung von Straßenabschnitten im transeuropäischen Verkehrsnetz bereit. Die Mittel fließen in die Modernisierung der Solidaritätskorridore durch Moldau.

„Ich denke, dass das Hauptstraßennetz des Landes in ein paar Jahren in einem ordentlichen Zustand sein wird“, sagt Vigo Legzdins, Lead Engineer für strategische Straßen bei der EIB.

>@To be defined
© To be defined

Straßennetz mit neuer Bedeutung

Eine der EIB-finanzierten Straßen führt zu Moldaus einzigem internationalen Hafen, Giurgiulești an der Donau.

„Die Straßen in Moldau sind ziemlich marode. Es gibt viele Probleme, die dringend angegangen werden müssen“, sagt Stella Renita, Kreditreferentin bei der EIB. „Wegen des Kriegs in der Ukraine sind gute Straßen noch wichtiger geworden. Dafür wird viel Geld gebraucht.“

Moldau rückt näher an die EU

Die EIB-Finanzierungen für das moldauische Straßennetz sind Teil der EU-Strategie zur Stärkung globaler Verkehrsinfrastruktur. 2021 rief die EU die Global-Gateway-Strategie ins Leben. Ihr Ziel: intelligente, saubere und sichere Verbindungen für Digitalisierung, Energie und Verkehr fördern und Gesundheit, Bildung und Forschung weltweit stärken. Bis 2027 sollen Investitionen von bis zu 300 Milliarden Euro in wichtige Infrastruktur weltweit mobilisiert werden. 

Die EIB und Moldau sprechen derzeit über den Finanzierungsbedarf für die Sanierung und den Ausbau des Schienennetzes. Neue Abschnitte sollen die Solidaritätskorridore ergänzen, um den ukrainischen Handel zu erleichtern.

2022 investierte die Europäische Investitionsbank fast 280 Millionen Euro in wichtige Sektoren der moldauischen Wirtschaft. Das hilft Moldau dabei, einem Beitritt zur Europäischen Union näher zu kommen.

„Das moldauische Volk steht hinter der Ukraine und der Europäischen Union“, meint Infrastrukturministerin Dabija. „Seit wir Beitrittskandidat sind, hat sich der Güterverkehr in den Häfen, die Rumänien und Moldau mit der Ukraine verbinden, verfünffacht.“

„Schwere Zeiten motivieren Menschen und machen sie stärker“, sagt Dabija. „Moldau ist ein kleines Land mit einem sehr großen Herzen.“