Drei europäische Start-up-Unternehmen entwickeln automatisierte Molekulardiagnosetests. Damit können schwere Atemwegs- und Magen-Darm- Erkrankungen bei Patienten in der Notaufnahme und auf Intensivstationen viel schneller erkannt und behandelt werden.

Wenn jemand schwerkrank ins Krankenhaus kommt, müssen ihm die Ärzte oft als Erstes Antibiotika geben, bis die Ergebnisse zeitaufwendiger Tests vorliegen. Deswegen bleiben Patienten länger als notwendig im Krankenhaus, müssen sich unwirksamen Behandlungen unterziehen und laufen zudem Gefahr, sich eine antibiotikaresistente Krankheit einzufangen.

Das deutsche Unternehmen Curetis, das spanische STATdx und das finnisch-französische Mobidiag wollen dieses Problem für eine Reihe von Krankheiten nun lösen. Sie entwickeln innovative Geräte, mit denen Proben einfacher vorbereitet, umfassende Tests automatisch durchgeführt und die Ergebnisse analysiert werden können.

„Mit unserer vollautomatisierten Plattform Unyvero liegt das Ergebnis nur vier bis fünf Stunden nach der Probenentnahme vor. Dafür sind nur wenige Handgriffe notwendig“, erzählt Oliver Schacht, CEO von Curetis.

Das Start-up-Unternehmen aus Holzgerlingen bei Stuttgart hatte anfangs nur sechs Mitarbeiter. Heute vermarktet es vier Diagnosekartuschen für die Analyse von Lungenentzündung, Implantat‑ und Gewebeinfektionen, Blutkulturen und Infektionen im Bauchraum. „Wir entwickeln derzeit viele weitere Kartuschen, etwa für Harnwegsinfektionen und Blutvergiftung. Letzteres ist eine der Haupttodesursachen bei Patienten auf der Intensivstation“, fügt er hinzu.

Mobidiag und STATdx werden aus Mitteln von „InnovFin – Infektionskrankheiten“ der Europäischen Investitionsbank gefördert. Mit diesem Produkt bietet die Bank innovativen Unternehmen, die Impfstoffe, Medikamente sowie medizinische und diagnostische Geräte entwickeln oder neue Behandlungen von Infektionskrankheiten erforschen, verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten. Curetis wurde im Rahmen der Investitionsoffensive für Europa finanziert. Beide Mandate werden von der EIB in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission umgesetzt.

Mobidiag, ein finnisch-französisches Start-up-Unternehmen mit Sitz in Espoo, entwickelte einen Molekulartest. Damit können die wichtigsten Enteroviren, die Durchfall verursachen, gleichzeitig nachgewiesen werden.

Schnellere Ergebnisse

Das in Barcelona ansässige Unternehmen STATdx bietet eine Plattform, die Tests in nur einer Stunde in Fällen ermöglicht, in denen mehrere Symptome vorliegen. Andere Methoden benötigen dafür mindestens vier bis sechs Stunden. „DiagCORE bietet Tests auf Abruf. Das Gerät ist jederzeit und überall für einzelne Tests einsatzbereit“, erklärt Unternehmensmitbegründer Jordi Carrera. „Bei anderen Methoden werden oft erst mehrere Proben zusammengefasst, bevor die Tests durchgeführt werden. Bis die Ergebnisse vorliegen, haben die Labore oft schon zu. Wichtige Therapieentscheidungen verzögern sich dadurch.“

Mobidiag hat bereits zwei Plattformen zur Erkennung von Magen-Darm-Infektionen entwickelt: Amplidiag ist schon auf dem Markt und richtet sich an größere Labore. Die Novodiag-Plattform, die in Notfällen schnelle Resultate liefern soll, dürfte ab Dezember erhältlich sein.

„Amplidiag wird in den nordischen Ländern sehr gut angenommen. Dort haben wir mit großen privaten und öffentlichen Laboren langfristige Verträge abgeschlossen. Als Nächstes expandieren wir nach Frankreich und in das Vereinigte Königreich“, erzählt Mobidiags CEO Tuomas Tenkanen.

Wie bei Curetis und STATdx liegen die Diagnosen von Novodiag ebenfalls viel schneller als bei den klassischen Methoden vor. „Die Amplidiag-Plattform kann bis zu 48 Stuhlproben gleichzeitig auswerten und liefert nach zweieinhalb Stunden Ergebnisse“, so Tenkanen. „Novodiag sogar nach nur einer Stunde.“

Weniger unnötige Antibiotikabehandlungen

Die Tests sind jedoch nicht nur schnell. Sie helfen auch, ein Problem zu bekämpfen, vor dem die Weltgesundheitsorganisation und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten warnen: starke Antibiotikaresistenz. Mobidiag erkennt zum Beispiel die Resistenz gegen die zwei wichtigen Antibiotika Carbapenem und Colistin.

Bei dem, was heute in der Mikrobiologie als Goldstandard gilt, dauert es mehrere Tage und manchmal sogar Wochen, bis Ergebnisse vorliegen. Deshalb müssen Ärzte oft Antibiotika verschreiben, ohne vorher auf Erreger und Resistenzmuster getestet zu haben. Die molekulardiagnostischen Tests sollen Antibiotikabehandlungen vermeiden, die zu Resistenzen, Krankenhausaufenthalten, längeren Krankheitsverläufen, Todesfällen, unverhältnismäßigen Therapien und unnötig häufigen Arztbesuchen führen können. Denn nach einer eindeutigen Diagnose kann die Krankheitsursache ganz gezielt behandelt werden.

Tausende Euro pro Patient sparen

Die Tests sind außerdem kostengünstiger als manuelle Systeme.

„Unsere Tests sind meist für 150 Euro bis 250 Euro zu haben“, so Oliver Schacht von Curetis. „Ein einziger zusätzlicher Tag auf der Intensivstation kostet über 2 000 Euro. Innovative Diagnostik kann nicht nur Leben retten, sondern auch die Kosten für die Krankenhäuser senken, auf denen oft ein enormer Kostendruck lastet.“

Die Unyvero-Plattform von Curetis und ihre vier Kartuschen funktionieren mit Nasen- und Rachenabstrichen, Gewebeproben und Gelenkflüssigkeiten; Tests für Blut und Urinproben werden derzeit entwickelt. © Curetis GmbH.

Alle drei CEOs sind sich einig, dass die Tests zu mehr Qualität und Konsistenz beitragen, da menschliches Versagen oder Müdigkeit bei ihnen keine Rolle spielen.

„Ein müder Labortechniker kann die Tests um drei Uhr morgens durchführen. Dazu muss er nur ein paar einfache Handgriffe vornehmen, die höchstens ein paar Minuten dauern“, so Tenkanen.

Carrera, der seine DiagCORE-Plattform nächstes Jahr beim 28. Europäischen Kongress für klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten in Madrid vorstellen will, hebt besonders die Einfachheit und Sicherheit hervor. „DiagCORE funktioniert bei den meisten Proben ohne langwierige Offline-Vorbereitung“, erklärt er. „In unseren Kartuschen ist die Probenvorbereitung bereits enthalten. Dadurch wird die Arbeit der Labortechniker einfacher und sicherer. Außerdem kann die Plattform direkt in den Krankenhausstationen installiert werden. Niemand muss mit gefährlichen Chemikalien oder spitzen Gegenständen hantieren oder kommt unnötig mit infektiösem Material in Kontakt. Außerdem kann auch weniger geschultes Personal das Gerät am Behandlungsort bedienen.“

Wichtige finanzielle Unterstützung

Curetis, Mobidiag und STATdx fingen alle mit kleinen Teams an und wuchsen dann rasant. Zum Teil verdanken sie dies der Förderung aus dem Produkt InnovFin – Infektionskrankheiten der EIB.

„Von den Fördermöglichkeiten durch die EIB erfuhren wir auf Workshops von BIO Deutschland. Daraufhin haben wir eine Finanzierung beantragt“, erzählt Oliver Schacht. „Für Curetis verlief das von Anfang bis Ende reibungslos, transparent und effizient. Ich habe schon vielen meiner Kollegen aus der Biotechindustrie geraten, sich auch an die EIB zu wenden.“