Das marokkanische Plastikrecycling-Unternehmen Sumilon expandiert, um die weltweit steigende Nachfrage nach recyceltem Kunststoff zu decken
Bis 2013 hat sich Rajneesh Kumar Mittal keine großen Gedanken über Marokko gemacht. Auf einer Google-Karte fiel ihm eines Tages jedoch die ideale Lage des Landes zwischen Europa und Afrika auf. Deswegen nahm er Kontakt mit der nationalen Stelle für Investitionsberatung auf.
Danach verstand er die Vorteile des Landes besser, seine logistische Infrastruktur und seine Lieferketten. Zu dem Zeitpunkt hatte Marokko bereits Freihandelsabkommen mit der EU, den USA und der Türkei, wo Mittal lebte. Über den von der EIB kofinanzierten Hafen von Tanger-Med sind die EU auf dem Seeweg in zwei bis drei Tagen und die USA in sieben Tagen zu erreichen.
Marokko richtete das Zollfreigebiet von Tanger als modernes und dynamisches industrielles Ökosystem vor den Toren Europas ein, um Geschäftsleute wie Mittal anzuziehen. Genau dort nahm Sumilon Eco PET 2015 seine erste Recycling- und Umverpackungsfabrik in Betrieb.
Steigende Nachfrage nach recyceltem Kunststoff
Plastikmüll stellt nachweislich eine Gefahr für Umwelt und Gesundheit dar. Allein in der EU machen Einwegplastik und Fischereigerät 70 Prozent des gesamten Meeresmülls aus. Eine Reihe von Maßnahmen soll das Problem lösen, darunter die stärkere Nutzung recycelter Produkte.
Seit Januar 2021 sieht die EU-Richtlinie über Einwegkunststoffartikel vor, dass PET-Flaschen ab 2025 zu 25 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehen müssen. Der jährliche Bedarf an recyceltem Kunststoff wird in der EU auf etwa sechs Millionen Tonnen, in den USA auf sieben bis acht Millionen Tonnen und weltweit auf 30 Millionen Tonnen veranschlagt. Bis 2030 dürfte er sich auf 42 Millionen Tonnen erhöhen.
„Aus Umweltsicht ist das Recycling von Plastik sehr sinnvoll. Es gelangen weniger CO2-Emissionen in die Umwelt und weniger Kunststoff ins Wasser“, erklärt Mittal. „In einem Umkreis von weniger als 60 Kilometern landet Plastik nach Expertenmeinung immer im Meer, wenn es nicht gesammelt, recycelt und verarbeitet wird.“
So wie die Dinge stehen, hinkt die Produktion noch dem Bedarf hinterher. Deswegen geht es für Unternehmer wie Mittal in erster Linie nicht um Wettbewerb, sondern darum, den Bedarf ihrer weltweiten Kundschaft an Qualität und rechtzeitiger Lieferung zu decken.
Aus Müll mach Wertstoffe
Vielen leuchtete der Sinn des Sammelns gebrauchter Plastikflaschen nicht ein. Deswegen landeten sie meist in Deponien oder – schlimmer – verschmutzten als Müll Land und Gewässer.
„Als wir nach Marokko kamen, wurden PET-Flaschen so gut wie nicht getrennt gesammelt“, so Mittal. „Unsere Nachforschungen ergaben, dass nur 1 000 bis 1 200 Tonnen jährlich getrennt wurden.“ Das Unternehmen nahm sich vor, 90 Prozent davon in Marokko zu verarbeiten.
Recycelte Kunststoffe lassen sich vielfältig einsetzen. Sie werden oft zu winzigen Kügelchen verarbeitet, die für Polster, Teppiche, Matratzen oder Kissen verwendet werden. Daneben gibt es auch High-Tech-Anwendungen – beispielsweise in der Robotik. Sumilon ist darauf spezialisiert, aus alten Flaschen neue zu machen. „Man kann Plastikflaschen mit sehr geringem Verlust 10- bis 15-mal recyceln“, erklärt Mittal.
2014 beschloss Sumilon, ein eigenes Sammelsystem aufzubauen. Die Firma bildete Menschen aus und stattete sie mit Ballenpressen aus, die Ballen von 20 bis 23 Tonnen erzeugen. Mittlerweile beliefern 3 000 in Genossenschaften organisierte Sammlerinnen und Sammler den Betrieb in Tanger mit monatlich 1 000 Tonnen. Weitere 1 000 Tonnen kommen aus Tunesien, Libanon, Tansania, Kenia und Nigeria.
Moderne Anlagen
Sumilon hat derzeit 135 Beschäftigte und eine Gesamtkapazität von 17 000 Tonnen. Mit einer brandneuen Fabrik will das Unternehmen 37 000 Tonnen schaffen. Dafür investiert es 20 Millionen Euro. Die EIB finanziert die Expansion mit einem Darlehen über 15 Millionen Euro, das von der Bank of Africa durchgeleitet und durch eine Garantie der Europäischen Kommission besichert wird. Das Projekt sorgt für neue Technologien, mehr Energieeffizienz und bessere Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
„Wir wollen bis 2025 energieautark werden und unseren Strom zu 100 Prozent aus Erneuerbaren erzeugen“, so Mittal. „Auf allen Dächern werden Solarpaneele montiert, und wir wollen auch Windkraft nutzen.“ Das Sumilon-Werk hatte 2014 eine Kapazität von 15 000 Tonnen und verbrauchte damals 2 Megawatt. Das Unternehmen geht davon aus, dass es mit der neuen Anlage 37 000 Tonnen mit nur 1,8 Megawatt mehr Strom produzieren kann.
Durch die höhere Kapazität entstehen 100 neue Arbeitsplätze. Die Belegschaft von derzeit 135 Beschäftigten wird also erheblich wachsen. Die Erweiterung umfasst auch Sporteinrichtungen, eine Bücherei und Verpflegung rund um die Uhr. Sumilon ist zudem stolz darauf, mehr als den Mindestlohn zu zahlen und die Familien seiner Beschäftigten zu unterstützen.
Ein Standbein in Afrika
Die neue Produktionsanlage von Sumilon dürfte gegen Ende 2023 in Betrieb gehen. Die Firma baut damit ihre Präsenz in Marokko und Afrika aus. „Bei uns steht die Qualität im Mittelpunkt. So erfüllen wir den Wunsch unserer Kundschaft nach Qualität und rechtzeitiger Lieferung“, resümiert Mittal.
Sumilon hat sich bereits einen guten Namen gemacht. Es exportiert nach Europa, in die USA, nach Neuseeland und Australien und plant, in Afrika weiter zu expandieren.