Marokkanische Textilfirma Tintcolor zieht mit innovativer Wasserbehandlung große Marken an, die auf Nachhaltigkeit setzen
Im August 2018 erhielt der marokkanische Textilhersteller Tintcolor eine Verwarnung von Amendis, dem Wasserversorger Tangers. Demnach waren Wasserverunreinigungen an einem Strand unweit der berühmten Herkulesgrotte zu Tintcolor zurückverfolgt worden. Das Unternehmen leitete täglich bis zu 700 Kubikmeter Abwasser weitgehend unbehandelt ein.
„Die alte Chemiefabrik war nur ein Becken“, sagt Abderrahman Meziati, Wartungsdirektor beim spanischen Unternehmen Hallotex, das Tintcolor kürzlich übernommen hat. „Das Wasser wurde mit Chlorbleiche entfärbt, visuell mit Salzsäure kontrolliert und dann in die kommunale Kanalisation eingeleitet.“
Die in Amendis Kläranlage eingesetzten Bakterien konnten gegen die Chlorbleiche nichts ausrichten, und so gelangte das verunreinigte Wasser ins Meer. Tintcolor musste nun schnell handeln oder seine Fabrik schließen.
Binnen drei Monaten installierte der Textilhersteller eine moderne biologische Kläranlage für 500 000 Euro. Die Europäische Investitionsbank und die Agence française de développement steuerten über das Programm Ligne Bleue der Bank of Africa (ehemals BMCE) 300 000 Euro zur Finanzierung bei. Das Programm unterstützt in Marokko Abwasserprojekte von Branchen mit hohem Wasserverbrauch.
Ein weiterer Schritt hin zu sauberem Wasser
Der neue aus Spanien importierte 250-Kubikmeter-Kühltank verfügt über einen Sauerstoffzugang, moderne Pumpen und hochwertige Edelstahlkomponenten.
Dort werden per Druckentspannungsflotation Feststoffe und Wasser getrennt und anschließend Nassschlamm aus festen biologischen Rückständen herausgefiltert. Der nasse Schlamm wird mit Kalk gehärtet und dann durch eine Filterpresse geleitet, um das Fest-Flüssig-Gemisch zu trennen. Die Feststoffe werden entsorgt, die Flüssigkeit in die Kanalisation eingeleitet.
In der Zwischenzeit werden die biologischen Rückstände mit Bakterien versetzt, um das Wasser von Rückständen und Schmutz zu befreien. Die festen Rückstände bestehen aus harmlosen, toten Bakterien.
Nachhaltigkeit ist gut fürs Geschäft
Die neue Kläranlage reinigt erfolgreich 60 Prozent des Wassers, das bei Amendis eine zweite Behandlungsstufe durchläuft, bevor damit städtische Grünflächen bewässert werden. Dank des verbesserten Klärverfahrens konnte Amendis den Kubikmeterpreis für Wasser von elf Dirham (1 Euro) auf acht Dirham (0,70 Euro) senken, und Tintcolor spart viel Geld.
Das 2010 von zwei Spaniern gegründete Unternehmen erhöhte seine Produktionskapazität von acht auf zwölf Tonnen pro Tag und stellte 25 weitere Mitarbeitende ein, um die gestiegene Nachfrage zu bewältigen.
„Jetzt sind wir bei der Wasserreinigung auf dem neusten Stand der Technik“, sagt José Manuel Caballero, seit 2020 CFO von Hallotex. „Unser Ziel ist zu 100 Prozent sauberes Wasser. Darauf arbeiten wir hin.“
Hallotex wird bei Tintcolor weitere Kläranlagen installieren, um die restlichen 40 Prozent Schadstoffpartikel aus dem Abwasser zu entfernen, sodass es im Färbeprozess wiederverwendet werden kann. Damit lassen sich täglich 500 Kubikmeter Wasser einsparen. Das entspricht in der Woche dem Fassungsvermögen eines olympischen Schwimmbeckens.
Um Tintcolors Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, will Hallotex zudem weitere 5,5 Millionen Euro in eine neue Biomasseanlage und Solarmodule investieren.
Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft
Eine bessere Abfallbehandlung ist gut für die Umwelt. Und gut fürs Geschäft. Heutzutage achten potenzielle Kunden verstärkt auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG).
„Mit der neuen Kläranlage können wir mehr Kunden gewinnen“, betont Xevi Mans, Direktor von Tintcolor. „Sie prüfen unsere ESG-Kriterien, wollen aber auch, dass wir mit diesem neuen Verfahren vorankommen.“
Bis 2020 belieferte Hallotex hauptsächlich das spanische Unternehmen Inditex. Dann erweiterte es seinen Kundenstamm um H&M, Patagonia und Mango.
Hallotex-Chef Jordi Bonareu unterstreicht, dass Nachhaltigkeit für Industrieunternehmen immer wichtiger wird. „Corona hat in Sachen Lieferketten und Abhängigkeit von China alles verändert“, sagt er. „Wir wollen den Anforderungen unserer diversifizierten Kundenbasis gerecht werden und gleichzeitig die Rückverfolgbarkeit und Nachhaltigkeit unseres Produktionsprozesses gewährleisten.“