Odysseus kehrte erst nach zehn Jahren aus Troja zurück. Die Pendler in Athen haben da mehr Glück: Mit der neuen U-Bahn-Linie lassen sich Zeit und CO2 sparen
Athen ist eine kosmopolitische Metropole mit dreieinhalb Millionen Menschen, die reisen und täglich zur Arbeit pendeln. Doch mit der ständig steigenden Pendlerzahl stößt die öffentliche Verkehrsinfrastruktur der Stadt an ihre Grenzen. „Zentrale U-Bahn-Stationen wie Syntagma sind bereits überlastet“, sagt Panagiotis Klimis, Direktor für strategische Entwicklung bei der U-Bahn-Gesellschaft Attiko Metro. „Zudem nimmt der Autoverkehr in der Stadt immer mehr zu, was Straßen und Umwelt schadet und das Pendeln zusätzlich erschwert.“
Die Attiko Metro will das Problem mit einer neuen 38,2 Kilometer langen U-Bahn-Linie lösen, die Athens Zentrum mit den Vororten verbindet. Mit der neuen fahrerlosen Linie 4 kommen Pendler schneller und umweltfreundlicher ans Ziel. Aber der U-Bahn-Bau unter einer antiken und dicht besiedelten Stadt ist eine echte Herkulesaufgabe.
Neue Streckenabschnitte auch in den Außenbezirken
1869 bauten britische Unternehmen die erste U-Bahn-Linie der Stadt (Linie 1), die Athen (Bahnhof Thissio) mit dem Hafen von Piräus verbindet. Die Linie 1 blieb bis zum Jahr 2000 die einzige U-Bahn-Strecke. Dann nahm die Attiko Metro die rote und die blaue Linie in Betrieb. Jetzt will das griechische Unternehmen das bestehende U-Bahn-Netz um fünf Umsteigebahnhöfe erweitern.
Die neue U-förmige Linie 4 wird zwei radiale Streckenabschnitte in Richtung Galatsi und Maroussi im Nordosten der Stadt haben sowie einen mittleren Abschnitt, der durch Athens Zentrum verläuft. Insgesamt kommen 35 neue U-Bahn-Stationen und fünf neue Streckenabschnitte hinzu.
„Wir haben mit dem Bau des ersten von insgesamt fünf Streckenabschnitten begonnen, der dicht besiedelte Gebiete und wichtige öffentliche Einrichtungen bedienen soll“, sagt Sissy Voutiritsa, die das Bauprojekt leitet. „Abschnitt A ist 12,8 Kilometer lang, umfasst 15 neue U-Bahn-Stationen und führt von Alsos Veikou nach Goudi.“
EIB finanziert neue Athener U-Bahn-Linie
Eine neue U-Bahn-Linie erfordert eine detaillierte Planung, modernste Technik, eine sorgfältige Bauausführung und viel Geld. „Der Bau einer hochmodernen Schnellbahnlinie in nur acht Jahren ist eine Herausforderung“, so Voutiritsa. „Unter dem Zentrum von Athen befinden sich überall archäologische Stätten sowie Abwasser-, Wasser-, Erdgas und Telekommunikationsleitungen. Das macht das ohnehin schon ehrgeizige Projekt noch schwieriger und kostspieliger.“
Die Europäische Investitionsbank finanziert den Bau des ersten Abschnitts der neuen Linie 4, die zwischen den Stadtgebieten Alsos Veikou und Goudi am Rande des Athener Zentrums verkehren wird. Das Darlehen über 730 Millionen Euro hat eine Laufzeit von 30 Jahren. „In den letzten 15 Jahren hat die EIB die umfangreichen Investitionen der Attiko Metro in Athen und Thessaloniki unterstützt“, so Costas Kargakos, Kreditreferent bei der EIB. „Dieses Darlehen ist unser bislang größtes für ein einzelnes Projekt in Griechenland und verdeutlicht die Katalysatorrolle der EIB bei der Kofinanzierung großer Infrastrukturprojekte mit öffentlichen und EU-Mitteln.“
Der Kredit von der Europäischen Investitionsbank ist für die Attiko Metro besonders wichtig. „Mit dem Darlehen bleiben wir liquide, und wir können unsere Baukosten und Bauarbeiter bezahlen“, sagt Sofia Tsilika, stellvertetende Leiterin der Finanzierungsabteilung der Attiko Metro.
Linie 4 (Abschnitt A) in Zahlen (Angaben der Attiko Metro S.A.)
- 340 000 Fahrgäste pro Tag
- 125 000 Tagespendler
- 53 000 weniger Pkw auf den Straßen
- 45 000 Quadratmeter archäologisch sondiert
- 5 000 neue Arbeitsplätze
- 1 216 MWh pro Tag eingespart
- 318 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Tag
- 20 neue automatische fahrerlose Züge
- 15 neue U-Bahnhöfe
- 2 Umsteigebahnhöfe zum bestehenden U-Bahn-Netz (Akadimia und Panepistimio für den Umstieg in die Linie 2 und Evangelismos für den Umstieg in die Linie 3)
Schneller und grüner in Athen unterwegs
Die Menschen in Athen werden von der Linie 4 stark profitieren.
„Sie bietet einen schnelleren, sichereren und zuverlässigeren Zugang zu wichtigen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Universitäten und deren Campus, dem Gerichtsbezirk und den dicht besiedelten Wohngebieten im Athener Zentrum und in den Randgebieten“, sagt Klimis. „Zudem verkürzt sie die Fahrzeiten ins Stadtzentrum und entlastet die bestehenden zentralen U-Bahn-Stationen.“
Das Projekt wird Athen auch helfen, die Herausforderungen des 21. Jahrhundert in den Bereichen Umwelt und Energie zu meistern. „Durch die neue U-Bahn-Linie werden täglich 53 000 weniger Pkw in Athen unterwegs sein. Das bedeutet 318 Tonnen weniger CO2 pro Tag“, erklärt Klimis. „Die Züge werden aus umweltfreundlichen Materialien hergestellt und nutzen Bremssysteme, die täglich bis zu 1 216 MWh zurückgewinnen können.“
Die Linie 4 wird außerdem 5 000 neue Arbeitsplätze schaffen und sicherstellen, dass Athen ein wichtiger Wirtschaftsmotor Griechenlands bleibt.
„Die neue U-Bahn-Linie führt durch Gebiete, die für Berufstätige, den Tourismus und den Handel von großem Interesse sind“, sagt Meryn Martens, Verkehrsexperte bei der EIB. „Das wirkt sich positiv auf die Wirtschaft in diesen Gebieten, auf den Immobilienmarkt und auf das BIP des Landes aus.“