Im Offshore-Windkraft-Geschäft zählt eben doch die Größe
Die Rotorblätter der größten Windkraftanlage der Welt sind 80 Meter lang. Das entspricht der Flügelspannweite eines Airbus A380. In Bewegung bilden sie einen größeren Kreis als das berühmte Riesenrad „London Eye“. Für den Windpark Norther werden gleich 44 dieser Windkraftanlagen 22 Kilometer vor der belgischen Küste errichtet.
Die Turbinen werden immer größer. Und nicht nur das. Der technische Fortschritt und Finanzierungsbeiträge von Banken wie der Europäischen Investitionsbank machen die Windkraft auch immer günstiger. David González, Senior Engineer in der Abteilung Erneuerbare Energien der EIB, erklärt, dass Technologien erst ab einer gewissen Nachfrage rentabel werden. „Technologien, die heute gut etabliert sind, wie etwa die der Gas- und Dampf-Kombikraftwerke, waren in den 90ern noch mit vielen Problemen verbunden. Bis Technologien zur Stromerzeugung ausgereift sind, dauert es etwas länger. Dampfturbinen haben sich zum Beispiel erst nach 80 Jahren in großem Maßstab durchgesetzt. Bis dasselbe bei den Windkraftanlagen passiert, bedarf es genug Testflächen und ausreichend FuE-Investitionen.“
Mit den Darlehensverträgen, die die EIB im Jahr 2016 für Offshore-Windprojekte unterzeichnet hat, ermöglicht sie sicher nicht nur die Forschung und Entwicklung, sondern auch die Entstehung neuer Testflächen.
Die Investitionsoffensive für Europa hält die Turbinen am Laufen
Im März genehmigte die EIB ein Darlehen von 525 Millionen Pfund Sterling für den Bau des Windparks Beatrice, der 14 Kilometer vor der schottischen Küste errichtet wird. Dies ist der bisher umfangreichste Finanzierungsbeitrag der EIB für ein einzelnes Offshore-Windparkprojekt. Der Windpark Beatrice wird mit 86 Windkraftanlagen bis zu 588 MW erzeugen. Dies reicht aus, um 520 000 Haushalte zu versorgen.
Im Februar, März und September unterzeichnete die EIB Darlehensverträge über 160 Millionen Pfund Sterling für den Bau von Übertragungsnetzen für zwei weitere Offshore-Windparks und über 500 Millionen Pfund Sterling für den Ausbau eines regionalen Netzes, durch das weitere Ökostromerzeuger angeschlossen werden können.
„Schottland ist ein sehr interessanter Fall, denn dort wird mittlerweile der meiste Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt. Er deckt etwa die Hälfte des Bruttostromverbrauchs “, erzählt Alessandro Boschi, Leiter der Abteilung Erneuerbare Energien der EIB.
Im Oktober unterzeichnete die EIB einen Darlehensvertrag über 300 Millionen Euro für den Windpark Rentel. 34 Kilometer vor der belgischen Küste entstehen 42 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von rund 300 MW. Sie werden rund 258 000 Haushalte versorgen.
Im Dezember besiegelte die Bank einen Darlehensvertrag über 438 Millionen Euro für den Windpark Norther. Seine Turbinen von der Größe eines Riesenrades haben eine installierte Leistung von knapp 370 MW. Alle Darlehen für die Windparks sind zumindest teilweise über die Investitionsoffensive für Europa abgesichert.
Ein Zusammenspiel von Technik und Erfahrung
Der Rotordurchmesser der Turbinen in diesen Windparks nahm mit jedem Monat zu: 154 Meter, 156 Meter, 164 Meter. Der Durchmesser ist zwar nicht allein für die Leistung der Parks ausschlaggebend, doch ist er auch nicht zu vernachlässigen. Als die V164-8.0MW-Windkraftanlage des Unternehmens MHI Vestas Offshore Wind im Oktober auf einer Testfläche im Norden Dänemarks errichtet wurde, erzeugte sie in 24 Stunden bei guten Windverhältnissen 192 000 Kilowattstunden und brach damit alle Rekorde. Dies reicht aus, um 13 500 Haushalte – was in dieser Region einer Kleinstadt entspricht – mit Strom zu versorgen. Und das mit nur einer Turbine. Für den Windpark Norther wurde der Prototyp leicht verändert: Hier können die Turbinen ihre Leistung unter bestimmten Bedingungen auf 8,4 MW steigern.
Im Dezember 2016 veröffentlichte das niederländische Wirtschaftsministerium seine Energieagenda. Darin sagt es voraus, dass Offshore-Windkraftanlagen bis spätestens 2026 keine Subventionen mehr benötigen werden.
Jedoch weist David González darauf hin, dass nicht allein technische Innovationen die Kosten für die Windenergie sinken lassen. Auch die folgenden Faktoren wirken sich kostensenkend aus:
- Auftragnehmer, Zulieferer und Entwickler von Windkraftprojekten verfügen über immer mehr Erfahrung.
- Die Kosten und Mengen der in den Windkraftanlagen und Fundamenten verwendeten Rohstoffe nehmen ab.
- Der Wettbewerb in dem Sektor nimmt zu.
- Auch die Geldgeber gewinnen immer mehr Erfahrung. In Belgien hat die EIB zum Beispiel alle sechs in Betrieb oder in Bau befindlichen Offshore-Windparks finanziert.
Die EIB im Windkraftsektor – aktiv wie kein anderer
Als einer der ersten Geldgeber für Projekte im Offshore-Windsektor und als eine der aktivsten Banken in diesem Bereich konnte die EIB wie keine andere Finanzierungseinrichtung in diesem Sektor Einblicke und Erfahrungen gewinnen, so Steven de Gruyter, der bei der EIB das Team für Energieprojektfinanzierungen in Westeuropa leitet. „Durch unser langjähriges Engagement sind wir ein zuverlässiger und angesehener Partner in der Offshore-Windkraftbranche geworden. Wir wollen Technologien zur Erzeugung von Ökostrom fördern. Um dies kontinuierlich tun zu können, müssen wir die laufenden Entwicklungen verstehen, die sich im Bereich des Baus, der Konzipierung und des Betriebs von Stromerzeugungsanlagen sowie bei den Kosten während der Nutzungsdauer vollziehen“, sagt er.
Keine Subventionen, weniger Kosten
Nicht zuletzt – wenn auch vielleicht weniger offensichtlich – drücken auch die rückläufigen Subventionen für erneuerbare Energien auf die Kosten für Strom aus Windkraft. „Bei hohen Subventionen gibt es keinerlei Anreiz, günstigere Verfahren anzuwenden.. Deshalb ist der Trend zu mehr Wettbewerb bei der Auftragsvergabe, z. B. durch Ausschreibungen, förderlich. In der jüngsten Zeit wurden Aufträge für Offshore-Windparks vergeben, bei denen sehr niedrige Stromerzeugungskosten angesetzt waren,“ so González.
Dem sind allerdings nach unten hin auch Grenzen gesetzt. Es ist zwar durchaus davon auszugehen, dass die Offshore-Windkraft irgendwann gar nicht mehr bezuschusst werden muss, wie in der niederländischen Energieagenda vorausgesagt. Allerdings könnte das noch eine Weile dauern. Es gibt aber auch noch ein Standortproblem: Windparks sollen den Seeverkehr ebenso wenig beeinträchtigen wie die schöne Aussicht. Und auch die Vögel dürfen bei dieser umweltfreundlichen Stromversorgung nicht vergessen werden.
„Normalerweise werden Windparks küstennah im seichteren Gewässer errichtet. Erst dann weicht man auf die weiter entlegenen Standorte aus, an denen das Wasser tiefer ist, rauere Bedingungen herrschen und lange Kabel für den Netzanschluss benötigt werden“, sagt González.
Auch die Kosten für die Fundamente der Windkraftanlagen könnten die Entwicklung ausbremsen. „Je tiefer das Wasser, desto höher muss das Fundament sein. Höhere Bauten sind automatisch teurer.“
Je größer jedoch die Windturbinen sind, desto weniger braucht man von ihnen und desto weniger Fundamente müssen auf hoher See gebaut werden. Daher kommt es bei der Windkraft eben doch auf die Größe an.