Der paneuropäische Infrastrukturfonds Marguerite II schließt Marktlücken bei der Beteiligungsfinanzierung von Frühphasen-Projekten. Geldgeber sind fünf nationale Förderbanken und die Bank der EU.
Wenn ein europäisches Forschungsinstitut oder Unternehmen Daten nach Südamerika sendet, fließen die digitalen Informationen auch durch Kabel in den USA. Das kann brisant sein – nicht nur wegen der Datensicherheit, sondern auch politisch. Eine digitale Direktverbindung über Kabel erfordert erhebliche Investitionen, das Bau- und Geschäftsrisiko ist hoch: 6 200 Kilometer Ozeanboden, untermeerische Gebirgszüge und tiefe Schluchten sind zu überwinden, und die meisten Kunden kaufen erst Kapazitäten, wenn das Kabel verlegt ist.
Für solche Investitionen gibt es Marguerite II. Dieser Fonds mit einem Volumen von 745 Millionen Euro hat zum Beispiel das EllaLink-Kabel unterstützt, das Portugal mit Madeira, Cabo Verde und Brasilien verbindet. 2021 soll es fertig sein.
„Marguerite ist etwas Besonderes“, meint Nicolás Merigó, früher Chef von Santander Infrastructure Capital, heute CEO des Fonds. „Wir wagen uns an anspruchsvolle Greenfield-Projekte, bei denen private Fonds oft abwinken.“
Marguerite II investiert in neue Infrastruktur – in der Regel, wenn die Projekte noch nicht ausgereift sind und den meisten Infrastrukturfonds das Risiko noch zu hoch ist. Der Fonds unterstützt Projekte in allen EU- (und Heranführungs-)Ländern, auch wenn sie erst am Anfang stehen und deshalb keine Investoren finden. Er schließt die Lücke zwischen den Gemeinwohlzielen öffentlicher Investitionen und der Gewinnorientierung privater Geldgeber. Dafür kombiniert er kommerzielle Erträge mit einem flexibleren Risikoprofil als private Fonds.
It’s a visionary project.
Der Schlüssel zu einer paneuropäischen Infrastrukturfonds-Strategie
Das Besondere an Marguerite II sind die Geldgeber und sein unabhängiges, hoch qualifiziertes Team. Finanziert wird der Fonds von der Europäischen Investitionsbank, der Bank der EU, und fünf nationalen Förderbanken, also Banken, die Finanzierungs- und Entwicklungsaufgaben im öffentlichen Auftrag wahrnehmen. Die nationalen Förderbanken unterstützen die Ziele ihres jeweiligen Landes, die Europäische Investitionsbank fördert die Ziele der EU.
Infrastruktur ist von elementarer Bedeutung, insbesondere am Anfang der Entwicklung. Oft fehlt es jedoch an ausreichender Finanzierung. Deshalb haben die nationalen Förderbanken und die Europäische Investitionsbank Marguerite eingerichtet. An dem Fonds Marguerite II beteiligen sich die folgenden Förderbanken:
- Bank Gospodarstwa Krajowego (Polen)
- Caisse des Dépôts et Consignations (Frankreich)
- Cassa Depositi e Prestiti (Italien)
- Instituto de Crédito Oficial (Spanien)
- KfW (Deutschland)
Die Förderbanken zahlen jeweils 100 Millionen Euro in den Fonds ein, der aber nicht verpflichtet ist, in ihren Ländern zu investieren. Marguerite kann Projekte überall in der EU unterstützen.
„Als Beteiligungsfonds ist er wirklich einzigartig“, erklärt Barbara Boos, Leiterin der Abteilung für Infrastrukturfonds bei der EIB. „Er ist ein visionäres Projekt.“
Die Investitionsoffensive für Europa ist mit im Boot
Marguerite I wurde 2010 kurz nach der Finanzkrise aufgelegt. Damals steckten Investoren ihr Geld nur zögerlich in neue Infrastruktur. Der 710-Millionen-Euro-Fonds war ein Erfolg: Er beteiligte sich an Projekten in ganz Europa, von Offshore-Windparks in Deutschland bis Breitband in Frankreich.
Als die Europäische Investitionsbank und die nationalen Förderbanken Marguerite II entwickelten, hatte sich die europäische Wirtschaft verändert – nun galt es, eine neue Marktlücke zu füllen. Für ausgereifte Infrastrukturprojekte war mittlerweile genug Geld vorhanden. Neue Infrastruktur jedoch – auch „Greenfield“-Projekte genannt – wollte je nach Branche und Standort weiterhin niemand anfassen. Genau hier setzt Marguerite II an.
Bis November 2017 sagten die Europäische Investitionsbank und die nationalen Förderbanken 705 Millionen Euro zu. 2018 kam ein privater Investor mit 40 Millionen Euro dazu. Mit einer Garantie des Europäischen Fonds für strategische Investitionen – der finanziellen Säule der Investitionsoffensive für Europa – konnte die Europäische Investitionsbank ihre Beteiligung an Marguerite II auf 200 Millionen Euro verdoppeln. Die Bank der EU hat in keinen anderen Infrastrukturfonds mehr Geld investiert.
„Marguerite bereichert auch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen“, so Barbara Boos, „weil ihn die fünf nationalen Förderbanken zu einem wirklich grenzüberschreitenden Projekt machen.“
Die Wirkung des paneuropäischen Infrastrukturfonds
Marguerite hat bisher in 14 Ländern investiert (Stand September 2020). Beispiele für Marguerite II-Projekte:
- das Seekabel EllaLink im Atlantik
- das Glasfasernetz Grand Est für eine Million Haushalte und Unternehmen in Ostfrankreich und ein weiteres Netz für 280 000 Haushalte und Büros in Südfrankreich
- die Windparks Celsius und Heat in Schweden
- das städtische Beleuchtungsprojekt City Green Light (Energieeffizienz) in Italien
Das hat der Fonds bereits erreicht:
- 900 000 effiziente Straßenleuchten
- 550 000 Tonnen aufbereitete Abfälle
- 366 Kilometer Autobahn
- 1 300 Megawatt erneuerbare Energien