Das schwedische Fintech-Unternehmen iZettle entwickelt Zahlungssysteme für kleine Unternehmen
„Viele kleinere, aber vor allem ganz kleine Unternehmen leiden unter dem Problem des Beinahe-Kunden“, sagt Anders Bohlin, Chefvolkswirt in der Abteilung Digitale Wirtschaft der Europäischen Investitionsbank.
Des Was-Kunden?
Bohlin klärt uns auf: Oft kommen Käufe gar nicht erst zustande, weil man in kleinen Läden nicht mit Karte zahlen kann und der „Beinahe-Kunde“ daher woanders kauft.
Zehn Milliarden Euro Beinahe-Umsatz
Und tatsächlich: Wie eine Untersuchung von Barclaycard zeigt, summierten sich die verpassten Beinahe-Käufe allein im Vereinigten Königreich letztes Jahr auf knapp zehn Milliarden Euro – ein Anstieg um 25 Prozent seit der letzten Erhebung. Die Gründe dafür:
- 70 Prozent aller Käufer zahlen inzwischen lieber mit Karte als in bar.
- Ein Drittel aller Käufer würde sich überlegen, woanders zu kaufen, wenn eine Bezahlung mit Karte nicht möglich ist. Ein Viertel hat dies in den letzten zwölf Monaten tatsächlich getan.
- Ein Erwachsener hat im Schnitt weniger als 30 Euro in bar bei sich.
- Die Hälfte aller kleinen und mittleren Unternehmen akzeptiert immer noch keine Kredit‑ und Debitkarten.
Das schwedische Fintech-Unternehmen iZettle will deshalb Kartenzahlungen erleichtern. Sie sollen einfacher und billiger werden, als dies mit den gängigen Lösungen der Fall ist. 2011 entwickelte iZettle als erstes Unternehmen einen sicheren Chipkartenleser für Smartphones – zusammen mit der passenden Zahlungs-App.
Diesen Sommer erhielt das Unternehmen von der EIB ein Darlehen über 30 Millionen Euro. Das Darlehen ist über den Europäischen Fonds für strategische Investitionen teilweise durch eine Garantie der Europäischen Kommission abgesichert. „Dadurch können wir schneller wachsen und die Wettbewerbsbedingungen für kleine Unternehmen weiter verbessern. Mit unseren Tools können sie mit den großen Unternehmen mithalten“, erklärt Jacob de Geer, CEO und Mitbegründer von iZettle.
„Drei vegane Trüffel bitte. Kann ich mit Karte zahlen?“
Mit zehn Milliarden Euro kann man eine Menge Schokoriegel und vegane Trüffel kaufen. Das jedenfalls hoffen Arzu Pinar und Emrullah Metin, die in Rotterdam ein kleines Café mit angeschlossenem Shop betreiben.
Ihre Geschichte ist typisch für kleine Unternehmen, denn alles begann mit einem Hobby. Arzu studierte an der Hochschule in Den Haag und bereitete nebenbei zu Hause Schokolade und andere Süßwaren zu. Irgendwann nach einem Einkauf auf dem „Swan Market“, einem Vintage-Markt, auf dem man Lebensmittel und alles Mögliche kaufen kann, beschlossen Arzu und ihr Mann, die Seiten zu wechseln: Sie wollten künftig hinter dem Verkaufstisch stehen.
Am Anfang akzeptierten sie ausschließlich Bargeld. Doch bald sahen sie sich im Internet nach Lösungen um, um auch diejenigen potenziellen Kunden nicht zu verlieren, die ihre veganen Trüffel mit Karte bezahlen wollen. „Dabei sind wir auf iZettle gestoßen, und wir sind sehr zufrieden damit. Das System ist einfach, günstig und stabil. Genau das, was wir brauchen“, erklärt Arzu.
Ein potenzielles Einhorn
Arzu The Foodbar Supplier sind nicht die einzigen, die die Vorzüge von iZettle erkannt haben. Das Unternehmen ist mittlerweile in zwölf Ländern in Europa und Lateinamerika vertreten und gewinnt nach eigenen Angaben jeden Tag rund 1 000 neue Kunden hinzu – kleine Firmen wie die von Arzu. Letztes Jahr stieg der Umsatz auf 66,8 Millionen Euro, und die Verluste – die bei einem so rasanten Wachstum normal sind – gingen gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent auf 23,7 Millionen Euro zurück.
iZettle wurde nach der jüngsten Finanzierungsrunde auf einen Wert von 500 Millionen US-Dollar taxiert und gilt als eines der wachstumsstärksten Unternehmen Schwedens. Neben Zahlungssystemen bietet es noch einiges mehr: eine Software zur Überwachung der Umsatzentwicklung, die Einbindung in soziale Medien und länderspezifische Kassensysteme. Sogar Vorschüsse gewährt iZettle seinen Kunden. Dabei können die Rückzahlungen an den monatlichen Umsatz der Firma angepasst werden. Auch Bestandsmanagement und Geschäftsanalysen sind mit dem System von iZettle möglich.
Jérémie Hoffsaes, der bei der EIB in Stockholm für Unternehmensfinanzierungen zuständig ist, war von Anfang an begeistert: „Ich habe das System zum ersten Mal in einem kleinen Laden hier um die Ecke benutzt und fand es gleich gut. Danach habe ich sofort Kontakt zu iZettle aufgenommen. Mit seinem radikal neuen Geschäftskonzept und der schlanken Organisation war das Unternehmen ein interessanter Kandidat für ein EIB-Darlehen. Jetzt helfen wir ihm dabei, seine Vision zu verwirklichen, und ermöglichen Millionen von kleinen Läden und Kleinunternehmern, beim Bezahlen mit der Zeit zu gehen. Darauf sind wir stolz!“
Mit dem EIB-Darlehen finanziert iZettle seine neuen Forschungs‑ und Entwicklungsprojekte. Dabei geht es um eine neue Generation von elektronischen Zahlungen, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, die Digitalisierung des Handels und die Erweiterung der Compliance-Systeme. Damit kann das Unternehmen in weitere Märkte vorstoßen, die alle ihre eigenen Vorschriften haben.
Das sind gute Nachrichten für Arzu und Em. Die beiden sind gerade dabei, ihr zweites Restaurant zu eröffnen. Und damit noch nicht genug: „Wir wollen unser Konzept als Franchise-Modell vermarkten“, sagt Arzu. „Und in fünf Jahren sind wir dann hoffentlich auf der ganzen Welt vertreten.“
iZettle vermutlich auch.