Medikamenten-Recycling in der Pandemie: Besser an Bedürftige spenden als in den Mülleimer werfen

Als sein Großvater starb, stand Thanasis Vratimos vor einem Berg unbenutzter Medikamente. Anstatt die teuren Produkte wegzuwerfen, wollte er sie lieber an Menschen weitergeben, denen sie noch helfen konnten.

Seine Enttäuschung war groß, als er feststellte, dass das gar nicht ging. Obwohl 30 Prozent der Menschen in Griechenland unterhalb der Armutsgrenze leben, werden jedes Jahr Medikamente im Wert von über einer Milliarde Euro2 einfach weggeworfen. „Aber Giftstoffe aus Arzneimitteln belasten unser Wasser“, so Thanasis.

Mit einem Freund gründete er im März 2016 GIVMED, angetrieben von zwei Zielen: Bedürftige mit Medikamenten versorgen und Abfall vermeiden. 

Die beiden Informatiker entwickelten eine Software, die gespendete Medikamente zu Menschen bringt, die sie gut gebrauchen können. Über eine App, eine Website und eine Hotline finden die Spenden den Weg in Sozialapotheken, die sie dann an Bedürftige verteilen. Vier Jahre nach Gründung hat GIVMED fünf Mitarbeitende, die schon 90 000 Medikamentenpackungen im Wert von mehr als 900 000 Euro vor dem Müll gerettet haben.

Hilfe in einer Krise

GIVMED gehört zu den Gewinnern des Wettbewerbs für Soziale Innovation, mit dem das EIB-Institut alljährlich Unternehmerinnen und Unternehmer für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement auszeichnet.

Die Coronakrise war ein Desaster für gemeinnützige Gesundheitseinrichtungen und Altenheime in Griechenland.

„In der Pandemie stieg der Druck auf viele Einrichtungen enorm, vor allem in Griechenland, wo das Gesundheitswesen wegen der wirtschaftlichen Probleme ohnehin in miserablem Zustand war“, erklärt er. Die Altenheime brauchten vor allem Masken, Handschuhe und Antiseptika, aber vom Staat war nichts zu erwarten. 

Ohne jede Erfahrung schaffte es GIVMED, Geld aufzutreiben und die benötigte Schutzausrüstung über eine eigene Lieferkette an 23 Altenheime und 22 andere gemeinnützige Gesundheitseinrichtungen zu liefern. Damit erreichten sie 5 700 Menschen.

>@EIB

Als im Lockdown keine privaten Medikamente mehr gespendet werden konnten, wandte sich GIVMED an Pharmaunternehmen. Stammten bei der Gründung von GIVMED die meisten Spenden von Privatleuten, kommen jetzt 50 Prozent von Pharmafirmen, 30 Prozent über Sozialapotheken und 20 Prozent aus privater Hand, berichtet Thanasis. Die griechischen Sozialapotheken sind eine wichtige Stütze für Bedürftige, die sich sonst keine Medikamente leisten können. Für die Apotheken war die Software von GIVMED ein Segen, weil sie Teil eines Netzwerks wurden, das einen Überblick über ihren Bedarf hat. So finden Medikamente den Weg zu den wirklich Bedürftigen.

Heimatverbundenheit

GIVMED hat schon Lizenzanfragen aus anderen europäischen Ländern bekommen, so Thanasis. Aber vorerst will er sich auf Griechenland konzentrieren, „wo es eine Menge zu tun gibt.“ Und mit der aufziehenden Wirtschaftskrise werden Dienste wie GIVMED noch wichtiger.

Er weiß: „Wenn es den Leuten finanziell schlechter geht und die Arbeitslosigkeit steigt, bekommen das die Sozialapotheken unmittelbar zu spüren. Wir werden alles tun, um sie mit dem Nötigen zu versorgen.“

1. Griechisches Amt für Statistik (ELSTAT) https://www.statistics.gr/en/home/
2. Institute of Medicinal Research and Technology (IFET), 2012 https://www.ifet.gr/en/